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Sich
selber eine Insel sein?
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Ein Vortrag von Santuṭṭho Bhikkhu vom 23. August 2022 |
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Der betreffende
Satz aus Dīgha-Nikaya XVI,2,25-26 (auch in DN 3; SN XXII,45; XLVII,47.9
und 14; ) lautet: In DN XVI,6.1
steht noch zuvor: Auch in Sn III,501 wird attadīpa mit "Leuchte" übersetzt: "Sich selber Leuchte, ziehn sie durch die Welt..." In Apadāna II,71 steht (Vers 288): Das Stichwort
ist nicht allein "dīpa", sondern es handelt
sich um ein Kompositum, nämlich atta-dīpa. Als Kompositum (Wortzusammensetzung) kann man sich nun ebenfalls allerlei Bedeutungen zusammensetzen, beispielsweise "die Lampe ergriffen". Als Befehlsform (Imperativ) ist "Ergreif die Lampe" bzw. "Nimm die Lampe" oder das literarische "Mach Dir die Quelle des Lichts zueigen" nicht möglich. Und warum? Weil das dazu nötige Hilfszeitwort "sei" (hotha) fehlt. Nimmt man für dīpa "Insel", kann das fälschlich als Eroberung ausgelegt werden "die Insel eingenommen". Aber "die Lampe geworfen/genommen/ergriffen" ist ebenfalls möglich. Auch "ganze Insel" bzw. "vollständiger Kontinent" respektive "Lampe/Lichtquelle" ist nicht falsch. Die interessanteren Bedeutungen bietet aber atta als "das Ich", "das
Selbst", "die Seele" bzw. "selbst", "eigen". In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das Wort atta ein Reflektiv-Pronomen ist. Das Reflexivpronomen oder "rückbezügliche Fürwort" verweist auf das Subjekt des Satzes zurück. Daraus folgt nun mal die Bedeutung "sich selber", "sich selbst" und in der Mehrzahl eben "Ihr/Euch selber". Wenn das Pāli-Wort nicht als Reflexivpronomen erkannt wird, erscheint es in der Übersetzung als Substantiv "das Selbst" und scheint dem zu widersprechen, was der Buddha durch seine An-atta-, seine Nichtseelen-Lehre klargestellt hat: Dass ein attan, d.h. eine den Tod überdauernde Seele nicht existiert. Dass es auch bei den Ikonen der Übersetzer mitunter Kritik angebracht ist, konstruktive wohlgemerkt, zeigt die Übersetzung im Dhammapada, wo es ein "Selbst-Kapitel" gibt, was korrekterweise "Kapitel von sich selbst" zu übersetzen wäre. Hier noch Beispiele aus den Versen, um zu verdeutlichen, wie irreführend die Übersetzung mit "Ich" bzw. "Selbst" ist:
Wenn es kein "Selbst" gibt, wie soll man das "hüten", "festigen", "zähmen", bzw. wie kann dieses Ding ein "Schutzherr" sein? Wie kann dieses Ding etwas Böses tun? Wie kann von etwas, was es als Ding gar nicht gibt, etwas als 'rein' bzw. 'unrein' abhängig sein? Nur ganz nebenbei bemerkt: an-atta mit "Nicht-Selbst" zu übersetzen
ist genauso falsch. Wenn es nämlich kein "Selbst" gibt, wie soll es dann erst ein "Nicht-Selbst" geben? Das ist
doch völlig absurd! Als Beispiel SN XXII,14, wo steht, dass Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltung und Bewusstsein "Nicht-Ich"
sind, und dass davon gilt: 'Das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst!'. Deutlich treffender wäre die Übersetzung:
"Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltung und Bewusstsein sind keine Seele, und davon gilt: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht selber,
das ist keine Seele!' So hat man das der Wirklichkeit gemäß mit rechter Weisheit zu verstehen." Auch "Mir selber gehört das nicht,
so etwas gibt es nicht aus sich selbst heraus, das hat keine (innewohnende) Seele, bzw. ist unbeseelt" wäre denkbar. Nochmal: der betreffende Satz aus SN XXII,45 (der auch anderswo erscheint) lautet: Hier gibt es die pikante Fußnote (Nr. 83), in der er sagt, dass dīpa
'Leuchte' aber auch 'Insel' bedeutet. Und dass die Erwähnung im Zusammenhang mit 'Zuflucht' für eine Wiedergabe mit 'Insel'
spricht, er aber die für dieses Buddhawort übliche Übersetzung mit 'Leuchte' beibehalten hat. "Insel" hingegen bedeutet Abgrenzung, sich selber von anderen abgrenzen bzw. die anderen ausgrenzen. Das macht Platz für den "Ich"-Dünkel, im Sinne von "Ich bin besser/schlechter/gleich als die anderen". Allerdings kann man sehr wohl argumentieren, dass eine Insel eine Rettung darstellt und dass man sich ja erst einmal selber retten muss, um anderen effektiv helfen zu können. Dennoch bleibt irgendwie der Geschmack von "erst ich, dann du" daran haften. Des Weiteren muss man sich mal überlegen, inwiefern der Buddha auf die Bedeutung "Insel" gekommen sein soll. Er hat in Nord-Indien, also auf dem Festland gelebt, wobei er meist zu Fuß ein Gebiet von 300x600 km Ausdehnung durchwanderte. Und nur bei Flussfahrten kann er auf "Insel" gestoßen sein. In welchem Zusammenhang soll er dem zur Folge von einer Insel gesprochen haben? Was könnte ER mit dem Gleichnis Insel gemeint haben? In wiefern soll eine Insel dem Fortschritt dienen? Wieviele Schiffbrüchige gibt es, die sich sehnlichst wünschen, von "ihrer" Insel gerettet zu werden. Welche Gefahren gibt es nicht alles auf einer Insel? Krokodile? Kannibalen? Insekten? Kein Wasser vielleicht? Flut/Überschwemmung? Wieviele Inseln werden - gerade in Indien aus Schwemmland geformt und werden von der nächsten Flut hinweg geschwemmt? Wie soll das bittschön als Zuflucht dienen können? Ist "Zuflucht" nicht etwas, was Sicherheit d.h. Gesichertsein verspricht? Man könnte argumentieren, dass er mit "Insel" das Zurückziehen
in die Einsamkeit gemeint haben könne, was aber nicht sein kann, denn er hat dann den Wald genannt, den Fuß eines Baumes, eine
leere Hütte, wie man in manchen Lehrreden, z.B. MN 10 nachlesen kann. Von "Inseln" keine Spur. Da steht auch
kein hotha, was auf eine Befehlsform im Sinne von "ihr
sollt" hinweist. Im Zitat aus dem Apadāna erscheint hotha.
Nur so nebenbei. Aber im Apadāna, einem Werk, das eindeutig kein
Buddhavacana (originales Buddhawort) ist, aber dennoch auf unerklärliche
Weise Eingang in den Sutta-Piṭaka gefunden hat, finden sich
drei Heilige, zwei heißen Ekadīpiya, einer Ekadīpi. Ein Ordensälterer (thera) und Heiliger (arahant), der laut Ap I,177 in der Vergangenheit vor dem Bodhibaum des 10. Vorzeitbuddha Padumuttara, einem Salala, eine Lampe angezündet hat. Ekadīpiya [II] Ein Ordensälterer und Heiliger, der laut Ap I,416 vor 94 Äonen die ganze Nacht hindurch eine Öllampe am Brennen hielt, die nahe des Stūpa stand, die über den Reliquien des 16. Vorzeitbuddha Siddhattha errichtet wurde. Daraufhin gelangte er für 77 Äonen in himmlische Welten und war dann noch 31 Mal ein König in der Menschenwelt. Sein Körper habe wie die Sonne gestrahlt, und er habe bis in eine Entfernung von 100 Meilen sehen können. Sein Palast im Himmel hieß Ekadīpi. Ekadīpi hieß laut Ap I,416 die Verweilstätte von Ekadīpiya II, als er in der Götterwelt in ein neues Dasein trat. Dort sollen ständig 100.000 Lichter geleuchtet haben. Im Übrigen
findet man im Apadāna noch weitere Beispiele dafür, wie
dīpa für Licht bzw. Leuchte steht. Man könnte also übersetzen: "Selber Leuchte [sein], sich selber Zuflucht [sein], nichts anderes als Zuflucht [haben]." Aber im Grunde
betrachtet, bedeutet atta-dīpa als Adjektiv (!)
"in sich selbst ruhend", "mit sich selbst als Zuflucht"
oder "auf sich selbst angewiesen". "(Er)Leuchtet euch selber..." usw., und zwar mit der Bedeutung "Leuchtet euch selber den Weg aus." oder "Erhellt euch euer Umfeld selber, auf dass ihr den Weg findet bzw. seht." Natürlich gibt es auch andere, die einem helfen, indem sie den Weg beleuchten oder einem zur "Erleuchtung" verhelfen (wollen). Sei es auch nur, indem sie sagen: "Ich werd' dir heimleuchten!" Lehrreden mit
Hinweis auf Licht: Vielleicht ist jetzt etwas deutlicher oder klarer erkennbar, dass hier in diesem Zusammenhang mit "Zuflucht" usw. von "Leuchte" bzw. "Lampe" gesprochen wurde, denn dazu passt vom Sinn her sehr gut MN 90 "Erben im Dhamma", wo es heißt: "Seid meine Erben im Dhamma" (Dhammadāyādā me bhavatha, mā āmisadāyādā.), was letztendlich die Bedeutung unterstützt "Seid euch selber eine Zuflucht" bzw. "Hinsichtlich des Dhamma seid ihr auf euch selber angewiesen". Auch im Deutschen
lassen sich Sprichwörter finden, die auf sich selber hinweisen: Da erhebt sich möglicherweise die Frage, wie man denn erkennen soll, was in Übereinstimmung mit der Lehre ist. Dazu stehen in Mvg 305 die sog. Vier großen Anweisungen. Und die besagen, dass man anhand dessen, was bisher erlaubt sei erkennen könne, was künftig erlaubt sei, wenn es denn damit zusammenpassen würde. Und wenn etwas nicht mit dem zusammenpasst, dass dies dann eben nicht erlaubt sei und umgekehrt. Das bezieht sich natürlich hauptsächlich auf Verordnungen, d.h. auf das Regelwerk (Vinaya). In AN IV,180 heißt es von den Vier großen Autoritäten (Mönch/Gemeinde/viele Theras/ein als erfahren geltender Mönch), dass sie zwar etwas sagen, aber das möge man mit dem vergleichen, was der Buddha in Sutta und Vinaya gelehrt hat. Daran mag man erkennen, ob es richtig ist. Von Abhidhamma keine Spur! Aber hinsichtlich der Lehre werden in Mvg 534 achtzehn Sachverhalte genannt, woran man erkennen mag, was der Lehre entspricht und was nicht. Aber auch hier geht es eigentlich darum, wer bei einem Streitfall "im Recht ist" oder eben nicht. Das Prinzip ist ganz einfach: Wenn jemand etwas Lehrgemäßes, d.h. etwas, was vom Buddha gelehrt wurde, als lehrgemäß erklärt, dann ist er im Recht. In AN VIII,53 werden dann acht Merkmale der guten Lehre aufgezeigt, nämlich dass sie zur Abwendung von der Gier führt, dass sie zur Loslösung führt, zur Abschichtung, zur Bescheidenheit, zur Genügsamkeit, zur Abgeschiedenheit, zur Willenskraft, dass sie zu leichter Unterstützbarkeit führt. Übrigens erscheint diese Aussage in leicht abgewandelter Form als "kurzgefasste Lehrdarlegung" des Buddha für Pajāpatī Gotamī in Cvg 406. Dort heißt es dann: "Was auch immer du an Dingen erfahren mögest: wenn diese Dinge zu Begehren führen und nicht zu Begierdefreiheit, wenn sie zu Fesselung führen statt zur Loslösung, wenn sie zum Aufschichten führen, statt zum Abschichten , wenn sie zu vielem Wünschen führen, statt zur Mäßigung, wenn sie zu Unzufriedenheit führen, statt zur Genügsamkeit, wenn sie zu Geselligkeit führen, statt zu Abgeschiedenheit, wenn sie zu Trägheit führen, anstatt die Tatkraft anzuspornen, wenn sie zum Schwer-zu-versorgen führen, statt zum Leicht-zu versorgen - dann kannst du dir gewiss sein, dass diese [Dinge] nicht die Lehre sind, nicht die Ordenssatzung sind, nicht des Lehrers Weisung sind. Aber was auch immer du, an Dingen erfahren mögest: wenn diese Dinge zu Begierdefreiheit führen und nicht zu Begehren, wenn sie zur Loslösung führen, statt zur Fesselung, wenn sie zum Abschichten führen, statt zum Aufschichten, wenn sie zur Mäßigung führen, statt zu vielem Wünschen, wenn sie zu Genügsamkeit führen, statt zur Unzufriedenheit, wenn sie zu Abgeschiedenheit führen, statt zu Geselligkeit, wenn sie die Tatkraft anspornen, anstatt zu Trägheit zu führen, wenn sie zum Leicht-zu-versorgen führen statt, zum Schwer-zu versorgen - dann kannst du dir gewiss sein, dass diese [Dinge] die Lehre sind, die Ordenssatzung sind, des Lehrers Weisung sind." Laut Kommentar hat daraufhin Mahāpajāpatī die Heiligkeit erlangt. In AN II,20 steht: "Zwei Umstände führen zum Schwinden und Untergang der wahren Lehre: verkehrter Wortlaut und missverstandener Sinn. Der Sinn des verkehrten Wortlautes ist irreführend." In AN II,42 wird ausgeführt, dass jene, die durch missverstandene und (nur) wortgemäß aufgefasste Lehrreden die Lehre und deren Sinn beiseite setzen und daher vielen Leuten zum Verderben, Unglück und Unheil, zu Schaden und Leiden wirken, dass sie sich große Schuld schaffen und die gute Lehre zum Untergang bringen. In AN IV,160 kann man nachlesen, dass vier Umstände zum Schwund der Lehre führen, nämlich Lehrreden erlernen, ohne sie zu verstehen; für Belehrungen unzugänglich sein; keinen Pflichteifer zu haben, andere Lehrreden lernen zu lassen; sowie dem Luxus und dem Müßiggang ergeben sein, sich nicht mehr anstrengen, sowie die Einsamkeit scheuen. Über die Dauer der Lehre selber kann man aus AN V,201 erfahren, dass nach dem Erlöschen des Buddha die Lehre nicht mehr lange Bestand haben wird, weil Mönche und Nonnen, sowie Laienanhänger und Anhängerinnen keine Achtung und Ehrfurcht mehr vor dem Meister, der Lehre und der Ordiniertengemeinde haben, als auch vor der geistigen Schulung sowie untereinander. Und in AN VII,56 kommt statt Achtung untereinander ernstes Streben und freundliche Hilfsbereitschaft hinzu. In AN II,23 steht, dass der blind Vertrauende aus Unverstand falsche Aussagen über den Vollendeten macht. Und in AN II,26 steht, dass auch derjenige eine Falschaussage macht, der eine deutungsbedürftige Lehrrede für eine mit ausgemachtem Sinn erklärt und umgekehrt. Hier muss man noch eine Aussage aus Cvg 403, was in AN VIII,51 wiederholt wird erwähnen, die der Buddha getätigt haben soll, als er den Nonnenorden zuließ: "Wenn die Frauen nicht in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordenssatzung vom Haus in die Hauslosigkeit ziehen und die Ordination erlangen würden, dann würde der Reinheitswandel noch lange bestehen, tausend Jahre würde die Gute Lehre bestehen. Da aber nun die Frauen in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordenssatzung vom Haus in die Hauslosigkeit ziehen und die Ordination erlangen, da wird der Reinheitswandel nicht so lange bestehen bleiben. Nur noch fünfhundert Jahre wird die Gute Lehre bestehen." Ein Spruch, der nicht mit dem älteren (AN VIII,70) harmoniert, worin eine Begebenheit geschildert wird, als Māra den Buddha aufgesucht haben soll, um ihn zu überzeugen, dass der Buddha doch nun erlöschen könne, da er doch seine Lehre verkündet hat. Der Buddha gab zur Antwort, dass er erst erlöschen will, wenn die vierfache Gemeinde etabliert ist, d.h. Mönche und Nonnen, sowie Laienanhänger und Laienanhängerinnen. Das wird unterstützt von der Aussage in BhuV 565, wo gesagt wird: "Was nicht erlassen wurde, mag nicht erlassen werden, noch möge abgeschafft werden, was erlassen wurde. Es soll alles in Übereinstimmung sein und bleiben mit dem, was als Übungsregeln erlassen worden ist." Auch in Mvg 131
steht dazu: "Und würde auch die Lehre selber und gleicherweise
der Abhidhamma vergessen werden, solange der Vinaya nicht verloren
geht, bleibt die Lehre bestehen." Unterm Strich betrachtet,
bedeutet das ganz einfach, dass Ethik wichtiger ist, als Religion.
Walzt man das aus, bedeutet es, dass man sich über alles streiten
kann, aber nicht, wenn es um Ethik geht.
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