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Der
Achtpfad
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Ein Vortrag von Santuṭṭho Bhikkhu Auszug vom September-Seminar 2022 |
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Die Zahl Acht Es dürfte allgemein bekannt sein, dass sich hinter der Nr. 8 in Stadel etwas verbirgt. Allerdings nichts Esoterisches. Andererseits gibt es ja keinen Zufall. In der Ikonografie, also der Lehre von der bildhaften Bedeutung, ist die Acht weiblich. Warum, ist mir unbekannt. Sie steht auch für Mutterschaft. Außerdem für Perfektion als auch Glück. Des Weiteren steht die Acht für Gerechtigkeit und Ausgeglichenheit zwischen Anziehung und Abstoßung, d.h. Zu- und Abneigung, also positiv/negativ, wie es man im Chinesischen für Yin und Yang sagt. Die Acht ist die erste Kubikzahl [23]. Im Pāli heißt es aṭṭha und bezeichnet "Achtheiten" wie z.B. den Pfad und Tugendregeln für den Feiertag (uposatha). Es gibt aber auch die zweite Übersetzungsmöglichkeit mit "Bedeutung", "Sache" und "Art und Weise". Wichtig ist, dass man aṭṭha richtig schreibt und auch ausspricht. Ganz ähnlich klingen da nämlich aṭṭa (1. Aussichtspunkt, Gerüst; 2. Prozess, Verfahren; 3. gepeinigt, heimgesucht); atha (doch, und weiter, dann, ferner usw.) und atta (1. Seele, Ichheit, Selbst; 2. selbst, eigen; als auch ergriffen, genommen). Der edle achtfache Pfad Man kann durchaus
auch achtspuriger Weg sagen. Üblicherweise teilt man in die drei Komplexe Sīla, Samādhi, Paññā ein. Aber warum nur? Wie manche bereits erkannt haben, hat man in der buddhistischen Lehre beizeiten angefangen, die Lehrinhalte zu schematisieren, d.h. in Kategorien einzuteilen. Diese werden dann in Listen gefasst, die man dann ganz nach Belieben mal mit mehr mal mit weniger erkennbarem Sinn miteinander in Zusammenhang bringt bzw. kombiniert. Unbestritten bleibt allerdings im Falle des achtfachen Pfades, dass Tugend die Grundlage ist, weil nämlich ohne Ethik "alles" vergeblich ist. ;am sagt ja nicht umsonst: "ein ruhiges Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen." Und Gewissensruhe ist die Grundvoraussetzung, dass Erkenntnis aufsteigen kann. Im Visuddhimagga,
einem nichtkanonischen Werk von Buddhaghosa findet man folgende Darstellung: Ñāṇatiloka,
der Übersetzer, macht dazu folgende Aussage: Wenn dem wirklich so wäre, dann müsste man eben als allererstes rechte Erkenntnis und Wahrheitsdurchschauung verwirklicht haben, bevor man daran denken könnte, rechte Gesinnung, rechte Rede usw. zu erreichen, und jedes frühere Pfadglied bildete für jedes spätere die notwendige Grundlage. In Wirklichkeit aber werden die die Sittlichkeit bildenden Glieder 3-5 als erstes zur Vollendung gebracht, dann die als Geistesschulung oder Sammlung geltenden Glieder 6-8, und zu allerletzt die das Wissen ausmachenden 2 ersten Glieder. Der den übrigen Gliedern eine feste Stütze bietende wichtige Bestandteil ist allerdings die rechte Erkenntnis, die vom keimhaften Verständnis ab sich ganz allmählich bis zum höchsten Hellblick entwickelt und die unmittelbare Bedingung bildet zum Eintritt in die 4 überweltlichen Stufen der Heiligkeit und zur Verwirklichung des Nirwahns. Nur im Falle dieses überweltlichen Hellblicks sind alle übrigen Glieder als bloße Symptome, Begleiterscheinungen oder Äußerungen der Erkenntnis zu werten. Was den weltlichen Pfad aber anbetrifft, kann derselbe auch ohne das erste Glied, rechte Erkenntnis, aufsteigen. Das sind eine Menge Informationen, und man muss gewaltig aufpassen, wenn man anfängt, zu kritisieren, um nicht selber weitere Verwirrung zu stiften. Ñāṇatiloka hat Nibbāna mit seiner eigenen Wortschöpfung "Nirwahn" übersetzt, was soviel bedeuten soll, wie "nicht-mehr-Wahn", die Aufhebung der zugrundeliegenden Tendenz der Verblendung, was so aber nicht ganz stimmt, denn die Aufhebung von Unwissenheit, d.h. der Verblendung ist nur ein Aspekt. In den urbuddhistischen Texten (z.B. in AN X,60) wird Nibbāna umschrieben mit: "Das ist der Frieden, das ist das Erhabene, nämlich der Stillstand aller Daseinsgebilde, die Entledigung von allen Daseinssubstraten, die Gierversiegung, die Erlöschung." Des Weiteren übersetzt er sammā diṭṭhi mit rechter Erkenntnis, was nicht korrekt ist, denn für Erkenntnis wird im Pāli stets das Wort paññā verwendet. Diṭṭhi hingegen steht für "Ansicht", "Sichtweise" usw. Meist wird damit die falsche Ansicht bezeichnet, was sich aus dem Kontext heraus aber leicht erkennen lässt. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach, muss man ihm aber in seiner Aussage zustimmen, dass der Achtpfad kein Stufenweg ist, denn man kann durchaus die einzelnen Aspekte separat entwickeln - aber um "etwas" zu erreichen, muss ein Minimum einer gesunden Mischung von allen erreicht werden. Man sollte also je nach Gelegenheit bzw. Erfordernis die Pfadglieder entwickeln bzw. entfalten. Dazu muss man diese aber erstmal kennen. Hier sticht mal wieder der Faktor Achtsamkeit (sati) heraus. Achtsam bzw. aufmerksam kann bzw. sollte man eigentlich immer sein. Das ist nie verkehrt. Aber was von den acht ist am Wichtigsten? Womit fängt "alles" an? Rechte Ansicht (sammā diṭṭhi) ist der Anfang, d.h. ein Minimum an Erkenntnis, was "richtig" ist, steht als Hauptfaktor als Grundlage als Grundvoraussetzung ganz am Anfang. In MN 9 handelt eine ganze Lehrrede davon. Das scheint ein Widerspruch zur bisher geglaubten Reihenfolge zu sein, wonach ja die Reihenfolge Tugend, Geistesruhe, Erkenntnis lautet. Aber um Rechte Tugend (sīla) zu entwickeln, muss man ja erstmal erkennen, was das ist. Daher steht eben die Rechte Ansicht normalerweise am Anfang, und nicht die Ethik, denn mit dem Minimum an Geistesblitz erkennt man, dass Tugend die Grundvoraussetzung ist, worauf sich die anderen Faktoren gründen. In AN V,24 gibt es dazu die Lehrrede "Eins aufs andere gestützt", worin es heißt: "Im Sittenlosen, ihr Mönche, dem Sittlichkeit mangelt, ist die rechte Sammlung ohne Grundlage. Ist aber keine rechte Sammlung da, so ist in ihm, dem rechte Sammlung mangelt, der wirklichkeitsgemäße Erkenntnisblick ohne Grundlage. Ist aber kein wirklichkeitsgemäßer Erkenntnisblick da, so sind in ihm, dem wirklichkeitsgemäßer Erkenntnisblick mangelt, Abwendung und Loslösung ohne Grundlage. Ist aber keine Abwendung und Loslösung da, so ist in ihm, dem Abwendung und Loslösung mangeln, der Erkenntnisblick der Erlösung ohne Grundlage." In AN VII,61 werden zuvor noch Scham und Scheu (hiri, ottappa) zur Sinneszügelung vorangestellt. In AN X,1+2+3 wird gezeigt, wie Sīla die Grundlage ist für die Bojjhaṅgā bis hin zum Erkenntnisblick der Erlösung. In AN X,15 ist Strebsamkeit aller Dinge Anfang - a.a.O. ist es der Entschluss. Die Reihenfolge in der singhalesischen Kultur lautet allerdings Dāna-Sīla-Bhāvanā, d.h. Geben, Tugend, Meditation. Aber warum wohl?
Ohne Dāna kein Dhamma - ganz einfach. Vom Geben,
bzw. von den Gaben ist der/die Lehrer/In abhängig. Das ist eine
Art gewollter Abhängigkeit. Immerhin ist dāna + cāga
das erste Pāramī, d.h. die erste der Vollkommenheiten.
Im Cariyapiṭaka-Kommentar steht dazu: Was ist aber nun "Sīla"? Sīla,
das lässt sich ganz allgemein am besten mit "Ethik"
übersetzen. Der erste deutsche Mönch, Ñāṇatiloka,
schreibt dazu in seinem durchaus empfehlenswerten "Buddhistischen
Wörterbuch" auf S. 210: Dann zitiert er aus MN 78: "Was aber ist die karmisch heilsame Sittlichkeit? Es ist heilsames körperliches Wirken, heilsames sprachliches Wirken und auch die Reinheit hinsichtlich des Lebenserwerbes nenne ich Sittlichkeit." In DN 16 heißt es: "Von Sittlichkeit durchdrungen bringt die Geistessammlung große Ergebnisse und Vorteile. Von Geistessammlung durchdrungen bringt die Weisheit große Ergebnisse und Vorteile. Von Weisheit durchdrungen wird der Geist völlig von allen Trieben befreit." Dass Ordinierte deutlich mehr Vorschriften zu befolgen haben, also eine etwas ausgefeiltere Art von Tugend zu befolgen haben, ist ja bekannt. Aber wenn man all die Regeln mal genauer untersucht, wird man zweifellos feststellen, dass man die durchaus auf 5 Vorschriften reduzieren, "eindampfen" kann, ja sogar auf nur 3, denn man muss sich einfach nur vergegenwärtigen, dass unheilsames Handeln, Sprechen und sogar Denken eben - rein karmisch betrachtet - unheilsame Folgen (vipāka) haben wird. Und genau hier ist der ehrw. Ñāṇatiloka konstruktiv zu kritisieren, weil er das Denken nicht erwähnt. Der Buddha hat aber deutlich genug darauf hingewiesen, dass der Geist allem voraus geht (Dhp 1). Was man häufig im Geist bedenkt, das spricht man irgendwann mal aus. Was man häufig genug ausgesprochen hat, das tut man irgendwann auch. Auf diese Weise wird aus einem Gedanken eine Tat - und bereits der Gedanke hat dem "karmischen Konto" etwas hinzugefügt. Um wieviel mehr ist es dann bei Worten oder gar Taten? In AN V,178 steht
außerdem noch: Im Prinzip verweist der Buddha hier "nur" auf die möglichen Folgen übler Worte und Taten. Aber der Wert von "rechter Ansicht" im Sinne von Erkenntnis, was heilsam ist und was nicht, wird nicht einmal ansatzweise erwähnt. Schade. Denn Tugend, die sich auf Androhung von entsprechenden unliebsamen Folgen beruft, ist irgendwie halbherzig. Außerdem sind Vorschriften bzw. Gesetze etwas künstlich Geschaffenes, also eher keine natürliche Sittlichkeit. Es gibt bekanntermaßen ja auch Staaten, das ist es keine Sünde, die sog. "Ungläubigen" zu betrügen, zu belügen oder sie gar umzubringen. Und wer in solch einem Umfeld aufwächst, wie soll derjenige zur Ansicht bzw. Einsicht gelangen, dass sein Denken, Reden und Handeln unheilsam ist? Im Cp-Kommentar
steht dazu: Noch eine Anmerkung zum gern gebrachten Einwand, dass der Hang an Regeln und Riten eine der drei (niederen) Daseinsfesseln sei. Vor allem die Gegner der vielen Vorschriften verwenden dieses Argument, um sich als "Liberale" (Befreite) zu bezeichnen, die die Ordensregeln nicht zu befolgen brauchen. Dass diese Einstellung höchst fragwürdig ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Im Übrigen gilt die Reinheit der Tugend nicht umsonst als die erste Stufe der Reinheit, die es zu meistern gilt, um sich in Richtung "Erlösung", d.h. "Erleuchtung" zu entwickeln. Im Visuddhimagga, der übrigens nicht kanonisch ist, hat im ersten Teil allerlei Wissenswertes in Sachen Tugend (sīla) zu bieten. Alles in Allem kommt unter'm Strich heraus: Ethik ist wichtiger als Religion. Nun zu den drei
Teilen des Achtfachen Pfades, die unter Sīla zu rechnen
sind: Das Gegenteil zur rechten Rede dürfte jedem klar sein, aber da muss man noch die "Selbstlüge" im Gegensatz zur Selbstverleugnung hinzu fügen. Oft wird nur die Lüge als üble Rede (musāvāda) genannt. Aber darunter muss man nicht nur das Belügen Anderer verstehen, sondern auch das Belügen von sich selber, was weitaus häufiger vorkommt. Auch die "Halbwahrheit" als Mittel zum Zweck fällt sicherlich unter die üble Rede. Dann der abrupte Themawechsel, das Ausweichen, d.h. "Herumeiern", dann das sog. Totschlag-Argument. Nicht zuletzt dann noch die Notlüge. Soll man aber lieber lügen, als jemandem zu "schaden"? Auch Hintertragen, Zwietracht säen, Verleumden, Tatsachen verschleiern, Vertuschen, Ausflüchte machen, abfällige Rede, Beleidigung, zynische Äußerungen, Sarkasmus, Ironie, schamlose Rede, der "Schweinkram", Zoten, "schlechte Witze", Stichelei, Hänselei, zwei- oder mehrdeutige Aussagen, Schauspielerei, d.h. etwas vormachen, Unterhaltung, "Small-talk", Plappern, Schwatzen, ja sogar das Schweigen als Ausdrucksform ist "üble Rede" und im Vinaya, also den Ordensvorschriften zählt es als Lüge. Zitat aus der Vorrede zum Pātimokkha: "Welcher Mönch auch immer, während es bis zu drei Mal ausgerufen wird, sich an ein vorliegendes Vergehen erinnert, und es nicht offenbart, begeht eine bewusste Lüge. Ehrwürdige, eine bewusste Lüge wurde vom Erhabenen als behindernder Umstand bezeichnet. Deshalb soll ein Mönch, der sich erinnert, ein Vergehen begangen zu haben und um Reinheit besorgt ist, jenes vorliegende Vergehen offenbaren. Ist es offenbart, wird es für ihn erleichternd sein." Übrigens ist falsch Rezitieren Verfälschen und demnach auch unter "üble Rede" zu rechnen. Laut AN III,28 gibt es dreierlei Rede: Da spricht jemand um seiner selbst willen oder um eines anderen willen oder um irgend eines kleinen Vorteils willen eine bewusste Lüge. Oder er spricht er weder um seiner selbst willen, noch um anderer willen, noch um irgend eines kleinen Vorteils willen eine bewusste Lüge. Oder aber er hat rohe Worte verworfen, hält sich von rohen Worten fern, und er spricht Worte, die makellos sind, dem Ohre wohltuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich, vielen lieb und angenehm. Andererseits legt es die Erfahrung nahe, sich dem Umfeld zumindest einigermaßen anzupassen, um nicht "anzuecken". Also beteiligt man sich am üblichen Geschwätz (Smalltalk), oder man haut auch mal einen Witz 'raus. Aber es gibt auch Situationen, wo man für Ehrlichkeit bestraft wird, also dass man eine drüber kriegt, wenn man die Wahrheit sagt. Dann ist es vielleicht ratsam, doch lieber nichts zu sagen, anstatt sich und/oder andere in Gefahr zu bringen. Als Zweites wird
sammā kammanta - Rechtes Tun/Handeln genannt.
Als Drittes haben
wir sammā ājīva - den Rechten Lebenserwerb.
Im Visuddhimagga gilt die in "Reinheit des Lebensunterhaltes" (ājīva-pārisuddhi) bestehende Sittlichkeit, als das Abstehen von schlechter Lebensweise, die durch Übertretung der vorgeschriebenen Übungsregeln zustande gekommen ist, sowie Hinterlist, Plappern, Anspielerei, Verkleinerungssucht, Gier nach immer größerem Gewinn. Dazu fallen einem ganz spontan die Beispiele Politiker und Banker ein. Außerdem erfährt man, was da guter Wandel (ācāra) ist, nämlich das Nichtausschreiten in Werken, in Worten, oder in Werken und Worten, dass eben alle sittliche Zügelung als guter Wandel gilt. Jetzt kommen wir
zum Dreier-Komplex Samādhi - d.i. die Geistesruhe.
Jedenfalls ist der erste Aspekt unter dem "Sammelbegriff" der Geistesruhe komischerweise sammā vāyāma - also die Rechte Anstrengung. Das haben wir doch schon mal gehört! Und zwar heißt es unter den Faktoren des Erwachens nämlich viriya. Wieso steht hier nun vāyāma? Warum soll Tatkraft als Bojjhaṅga fungieren und warum nicht Anstrengung? Anstrengen ist etwas bewirken, etwas in die Tat umsetzen. Das heißt, es ist eine Kombination von Tatkraft, Energie bzw. Energetischsein und Willenskraft, die auf ein Ziel ausgerichtet sind. Natürlich kann man es auch mit der Anstrengung übertreiben. Und das ist dann das, was man unter "Aufgeregtheit/Unruhe" verbuchen kann, eben als Verbindung zu den 5 Nīvaraṇā, d.i. die geistigen Hemmnisse. Als zweiten Aspekt
haben wir dann sammā sati - die Rechte Achtsamkeit.
In AN IV,29 steht, dass Achtsamkeit eine der vier Grundlehren ist. In AN IV,117 steht, dass Achtsamkeit der Wächter des Geistes ist. usw. usf. Wenn es "rechte" Achtsamkeit gibt, dann muss es auch falsche Konzentration bzw. unrechte Achtsamkeit geben. Und tatsächlich ist es so, das die Intention, also die geistige Ausrichtung über sammā oder micchā entscheidet. Das bedeutet, dass die zugrundeliegende Absicht hinsichtlich "heilsam" oder "unheilsam" entscheidet, ob das Handeln, das Sprechen, ja sogar das Denken karmisch positive oder negative Impulse setzt. Grundsätzlich ist ja Achtsamkeit extrem wichtig. Und zwar immer. Verbindet man nun aber Achtsamkeit mit Konzentration, kommt es ganz natürlich zu einer Art von Verdruss. Der Geist ist ständig angespannt. Das lässt kaum Freude aufkommen. Also braucht man ein Regulativ. Und auch das ist wieder mit Achtsamkeit verknüpft. Macht ständiges Fokussieren den Geist irgendwie "eng"? Aber geistige Geschmeidigkeit ist für den Fortschritt in der Meditation überaus wichtig. Also muss man sich darüber im Klaren sein, wie die Qualität der geistigen Verfassung ist. Selbstprüfung ist erforderlich. So kommt man immer mehr vom Hölzchen auf's Stöckchen. Im Englischen sagt man "a never ending job". Die Achtsamkeit erscheint nicht nur bei der Nennung des Achtfachen Pfades, sondern auch als Faktor des Erwachens (bojjhaṅgā). Der Stellenwert ist hier ganz genauso wichtig, nämlich wie das vielgerühmte "Zünglein an der Waage". Ñāṇapoṇika schreibt in seinem Aufsatz "Das reine Beobachten": "Wie setzt sich nun Satipaṭṭhāna mit dieser Welt der unvermeidlichen inneren und äußeren Störungen auseinander? - Eben durch das gewaltlose Reine Beobachten, durch das bloße, aber ausdrückliche und klar bewusste Feststellen dieser "Störungen", ohne sich von diesem Standort auch nur um Haaresbreite verdrängen zu lassen, sei es durch Nachgiebigkeit oder unruhige Abwehr." Kommen wir nun
zum dritten Aspekt, nämlich sammā samādhi
- die Rechte Konzentration. Und nun die letzte
Gruppe, die man ganz allgemein mit Paññā
- Erkenntnis bzw. Weisheit bezeichnet. Im "Buddhistischen Wörterbuch"
schreibt Ñāṇatiloka, dass das zum achtfachen Erlösungspfad
gehörende spezifisch buddhistische Wissen aber das "Hellblickwissen
(vipassanā-paññā) sei, d.i. die den
Eintritt in die vier Stufen der Heiligkeit vorbereitende und bewirkende
Durchschauung aller Daseinsgebilde als vergänglich, elend und
unpersönlich. Wenn das stimmen würde, wäre jeder, dem
dieses "Wissen" nicht aufgeht, ohne Weisheit bzw. Erkenntnis.
Man muss daher zu unterscheiden lernen, inwieweit bzw. wie tief "Erkenntnis"
geht. Auch im ganz normalen Alltag ist ein Mindestmaß an "Wissen"
bzw. "Erkenntnis" vonnöten. Und auch in der Einsichts-Meditation
(vipassanā) gibt es verschiedene Stufen der Erkenntnis
(vipassanā-ñāṇā), und zwar 16.
Womit wir schon mal bei den Ursachen sind, die zum Entstehen von Weisheit,
bzw. Erkenntnis führen. Da werden drei genannt: Jedenfalls hat die dritte Gruppe des Achtpfades zwei Teile, nämlich zum einen sammā diṭṭhi - die Rechte Ansicht und sammā saṅkappa - die Rechte Gesinnung. Über den Wert und die Wichtigkeit der rechten, d.h. richtigen Ansicht wurden bereits einige Worte gesagt. Sie steht nicht umsonst an 1. Stelle, siehe Sammādiṭṭhi-Sutta (MN 9). Ñāṇatiloka übersetzt hier mit "Erkenntnis", was aber nicht richtig ist, denn dann würde im Pāli sammā-paññā und nicht sammā-diṭṭhi stehen. Aber wieso erscheint sie dann am "Schluss" des Achtpfades, statt am Anfang? Man kann durchaus sagen, dass rechte Ansicht das Alpha und Omega der Buddhalehre ist. Mit rechter Ansicht fängt alles an und rechte Ansicht hat dann jemand vervollkommnet, der den Achtpfad vollends entfaltet hat, sprich, jemand, der den Achtpfad vollständig bzw. vollumfänglich entfaltet, dem steigt schlussendlich jene Erkenntnis, also jene Einsicht auf, das man das Wissen von der Triebversiegung nennt - was nichts anderes ist, als der Eintritt der Heiligkeit. Der Logik nach müsste man dann aber sammā-saṅkappa, also die rechte Gesinnung voran stellen. Und eben hieraus wird deutlich, dass die rechte Ansicht vorangeht, dass sich aus der rechten Ansicht die rechte Gesinnung entwickelt usw. usf. Übrigens wird sammā-saṅkappa auch mit "rechter Entschluss" übersetzt, was in Pāli aber ein ganz anderes Wort ist, nämlich aditthāna. Dann wird im Buch "Der Weg zur Erlösung" aus verschiedenen Lehrreden zitiert, ohne die genaue Passage anzugeben: "Rechte Gesinnung, ihr Mönche, sage ich, ist von zweierlei Art . . . Entsagende, hasslose und friedfertige Gesinnung: das, ihr Mönche, ist eine rechte Gesinnung, die zwar den üblen Trieben noch ausgesetzt ist, die aber verdienstvoll ist und weltliche Früchte bringt . . . Das Denken, Überdenken und Sinnen aber, das bei Erweckung des edlen Pfades . . . besteht, das Richten und Festigen der Gedanken, die gedankliche Einstellung, die verbale Tätigkeit des Geistes (vacā-saṅkhāra, d. i. Gedankenfassen und Überlegen): das, ihr Mönche, gilt als die edle, triebfreie, überweltliche, mit dem Pfade verbundene rechte Gesinnung." Wieso nennt Ñāṇatiloka vitakka-vicāra hier, also das Richten der Gedanken? Vielleicht, weil er das "Sinnen" als "Denken" auffasst? Vacā-saṅkhāra bezeichnet er als Gedankenfassen und Überlegen, was aber a.a.O. eindeutig als "Objekt-Auffassen" und "Objekt-Befassen" bezeichnet wird. Und warum? Ganz einfach: weil man auch ohne darüber nachzudenken eine heilsame Gesinnung hegen kann. Es geht also nicht um gedankliches, sondern um geistiges Ausrichten. Demnach ist Objekt-Erfassen geistiges Ausrichten, und Objekt-Befassen geistiges Dranbleiben - und zwar auch ohne "Denken". Seltsamerweise ist Rechte Gesinnung kein Faktor des Erwachens (bojjhaṅga). Aber warum? Eben weil Gesinnung der Absicht/Intention entspricht, d.h. etwas wollen, anstreben, den Willen resp. das Wollen ausrichten und das, aufgrund oder wegen oder als unmittelbare Folge der rechten Ansicht.
Zusammenfassung Der Achtpfad ist ein interdynamischer Prozess und kein Stufenweg. Die einzelnen Aspekte können und/oder werden einzeln als auch zusammen in beliebiger Weise kombiniert und entwickelt, wobei die rechte Ansicht Grundvoraussetzung ist, und dennoch die Ethik als Basis fungiert, Geistesruhe zwingend erforderlich ist und schlussendlich Erkenntnis Lohn der Mühe ist. In der alltäglichen
Praxis könnte das dann so aussehen: Und hier nochmals
der Hinweis auf das exzellente Buch
"Satipaṭṭhāna - Der direkte Weg" von Bhikkhu
Anālayo, worin anhand der Lehrrede von den Vergegenwärtigungen
der Achtsamkeit (MN 10) ausführlich erklärt wird, was Achtsamkeit
ist.
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