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Über
das Bewusstsein aus Sicht des Theravāda-Abhidhamma
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von Anagārika Kassapa ein Aufsatz aus seinem Nachlass
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Allgemeines Hier soll der Versuch unternommen werden, ein geschlossenes Bild der Bewusstseinsgruppe (viññāṇakkhandha) zu zeichnen. Das ist aber nur möglich, wenn auch die übrigen vier Daseinsgruppen (khandhā) in die Betrachtung mit einbezogen werden.
Geist und Materie (nāma und rūpa) stehen zwar miteinander in enger Wechselwirkung, werden jedoch als getrennte, voneinander verschiedene Bereiche behandelt. Beide sind in zahlreiche Einzelheiten aufgefächert, auf die man nur hin und wieder eingehen kann, wenn man nicht das große Ganze, die große Linie aus dem Auge verlieren will. Über das Materielle (rūpa) soll nur gesagt werden, dass es u.a. dem Geistigen (nāma) als Grundlage (vatthu) und als Objekt (arammaṇa) dient. Die sechs Grundlagen,
um die es sich handelt, sind: Unter den fünf Sinnesorganen versteht man nicht diese Organe als Ganzes, sondern nur ihre Sensitivbereiche, mit deren Hilfe Seh-, Hör-, Riech-, Schmeck- und Berührungsobjekte wahrgenommen werden. Die Grundlage Herz (hadayavatthu) ist kein Sinnesorgan, sondern die tragende Basis aller geistigen Vorgänge. So ist es hauptsächlich in der Kommentarliteratur, doch sehe ich kein Problem, die Grundlage Herz mit dem Gehirn in Zusammenhang zu bringen. Ob Herz oder Gehirn - ich sehe darin nur eine Frage der Lokalisierung. Treffen Sinnesorgan
und Sinnesobjekt zusammen, entsteht das entsprechende Sinnesbewusstsein.
Das sieht folgendermaßen aus: Diese sechs Dreiergruppen
nennt man die 18 Elemente (dhātu). Sie heißen in
der Pālisprache: Was bedeutet nun die Aussage: "Bedingt durch Geist und ein Geistobjekt entsteht Geistbewusstsein (Manañca paṭicca dhamme ca manoviññāṇaṃ uppajjati) ? Manodhātu, dhammadhātu und manoviññāṇadhātu sind buddhistische Fachausdrücke mit einer fest umrissenen Bedeutung, was für die deutschen Übersetzungsausdrücke nicht zutrifft. Ihre Stellung im buddhistischen Wirklichkeitsbild sollte darum genauer erklärt werden. "Geist" (mano) und Bewusstsein (citta, viññāṇa) sind Synonyme. Sie bedeuten dasselbe. "Geist" umfasst alle 6 Bewusstseinsarten (Seh-, Hör-, Riech-, Schmeck-, Körper- und Geistbewusstsein), doch "Geistbewusstsein" (manoviññāṇa) ist nur eine von ihnen und steht für das Denken und alle Arten geistiger Verarbeitung, die über das bloße Sehen, Hören usw. hinausgehen. Dazu gehört auch das Denken in abstrakten Begriffen. Denkt der Mensch über Gesehenes, Gehörtes und andere Objekte der fünf Sinne nach, so ist dies ebenfalls eine Tätigkeit des Geistbewusstseins. Das Gleiche gilt, wenn er in die Versenkungen (jhāna) eintritt und sich somit auf höhere Bewusstseinsebenen erhebt. Gewinnt er in der Vipassanā-Meditation intuitiven Einblick in tiefere Schichten der Wirklichkeit bis zum Aufblitzen der "großen Erleuchtung", wird auch dies durch das Geistbewusstsein bewirkt. Die Entfaltung höherer Geisteskräfte (abhiññā), wie z.B. die Rückerinnerung an vergangene Existenzen oder die Entfaltung magischer Fähigkeiten, basiert ebenfalls auf dem Geistbewusstsein. Was sind nun Geistobjekte? Unter "Geistobjekten" (dhammārammaṇa) fällt alles, was nicht gesehen, gehört, gerochen, geschmeckt oder mit dem Körper erspürt werden kann. Dazu gehören die fünf Sinne als Fähigkeiten, die subtileren Aspekte des Körperlichen (sukhuma rūpa) wie Männlichkeit (pumphava), Weiblichkeit (itthibbhava), die Grundlage Herz (hadayavatthu), die physische Lebensfähigkeit (rūpajivitindriya) und alle anderen materiellen Gegebenheiten, die nicht mit den Sinnen, sondern nur mit dem Geiste (mano) erfasst werden können, darüber hinaus Gefühl (vedanā), Wahrnehmung (saññā) und willentliche Triebkräfte (saṅkhārā)1, also praktisch alles, womit sich der Geist beschäftigen kann. Geistobjekte sind also teils materieller, teils immaterieller Art. Reden wir vom Geist,
so kann dieses Wort im Sinne des Theravāda-Abhidhamma auf zweierlei
Art aufgefasst werden: Sprechen wir vom
Geistigen im Sinne von nāma, so sind darin alle vier immateriellen
Daseinsgruppen (nāmakkhandhā) einbegriffen, nämlich:
Ein häufiges Missverständnis Wie sich Geist (mano) und Geistbewusstsein (manoviññāṇa) zueinander verhalten, ist nun geklärt: Geist ist alles Bewusstsein, doch Geistbewusstsein nur eine bestimmte Art. Wie steht es aber mit dem Pāliwort nāma, das auch mit "Geist" übersetzt wird, doch nicht nur den Geist als Bewusstsein meint? Wir kennen den Begriff
nāma - rūpa. Irreführend ist die Übersetzung
"Name und Form". "Geist und Körper" ist treffender,
aber auch nicht ganz befriedigend. Nāma umfasst Warum ist das so
wichtig? Gefühl, Wahrnehmung, Willensaktivitäten und Bewusstsein
bilden eine untrennbare Einheit, die man im Pāli als cittuppāda
bezeichnet. Die treffendste Übersetzung ist "Bewusstseinsverbund",
mag sie auch philologisch nicht ganz einwandfrei sein. Tritt eine von den vier geistigen Daseinsgruppen (nāmakkhandhā) auf, sind die übrigen drei ebenfalls vorhanden, nur der Schwerpunkt liegt einmal auf der einen, einmal auf der anderen. So kann es sein, dass jemand vollkommen von einem Gefühl überflutet wird und gar nicht merkt, dass da gleichzeitig auch ein Gedanke, eine Wahrnehmung und zahlreiche Willensaktivitäten im Spiele sind. Ein anderes Mal ist eine Wahrnehmung das Vorherrschende. Vorherrschend kann auch eine Gemütsregung oder ein Gedanke sein. So entsteht der Eindruck, als ob die vier geistigen Daseinsgruppen (nāmakkhandhā) nacheinander und getrennt voneinander auftreten, während in Wirklichkeit nur die Schwerpunkte wechseln.
Der Geist als mano Es entsteht eine gewisse Verwirrung, weil man im Deutschen die Pāliworte nāma und mano beide mit "Geist" übersetzt. Nāma bezieht sich aber, wie wir bereits gesehen haben, auf alle vier immateriellen Daseinsgruppen (nāmakkhandhā), während mano sich nur auf die Bewusstseinsgruppe bezieht. Mano ist also in nāma einbegriffen, aber nāma geht über mano hinaus. Was ist nun mano in Wesen und Charakter? Es ist Bewusstsein schlechthin, vom 5-Sinnenbewusstsein bis zum Geistbewusstsein. Aber wird Bewusstsein nicht auch mit den Pālibegriffen viññāṇa und citta bezeichnet? Das ist durchaus korrekt. Wie viele Synonyme für Bewusstsein (mano) es gibt, soll eine Stelle aus dem Dhammasaṅgaṇī2, dem ersten Band des Abhidhamma-Piṭaka, zeigen. In Dhs 1 beginnt
der "Text über die heilsamen Dhammā der Sinnesebene"
(Kāmāvacara-kusalapada-bhājanī) folgendermaßen: Die Liste enthält
insgesamt 56 dhammā aller vier geistigen Daseinsgruppen.
Zum Bewusstsein (citta) heißt es (Dhs 1,6): Unter den aufgeführten Bezeichnungen versteht man immer dasselbe, nämlich Bewusstsein als solches. Von den Bewusstseinselementen (viññāṇadhātū) gibt es jedoch 6, wie wir bereits gesehen haben, und in diesem Falle handelt es sich nur um das Geistbewusstseinselement (manoviññāṇadhātu). Die übrigen fünf kommen hier nicht in Betracht. Es lässt sich
allgemein feststellen, dass das menschliche Bewusstsein ungeheuer
wandelbar ist. Mal ist es begehrlich, mal begierdefrei, Kehren wir nun zurück zu den Charakteristika des Bewusstseins, wie sie im Dhammasaṅgaṇī aufgeführt sind! Bei ihnen handelt es sich um gleichzeitig vorhandene Aspekte des Bewusstseins in ein und demselben Moment, nicht um verschiedene Dinge. Citta bedeutet Bewusstsein im Sinne aktiver Geistestätigkeit, welcher Art auch immer. Mano und manasaṃ sind als Geistigkeit im Sinne klaren und umfassenden Erkennens zu verstehen, als Inbegriff der Bewusstheit. Hadayaṃ, das Herz, weist auf die zentrale Stellung des Bewusstseins im Verhältnis zu Gefühl, Wahrnehmung und Willensaktivitäten hin; gemeint ist nicht das physische Herz, obwohl es in der Kommentarliteratur als Sitz des Geistbewusstseins (manoviññāṇa) angesehen wird. Paṇḍaraṃ, das Helle, besagt, dass Bewusstsein Licht ist und Licht in eine Sache bringt. Mano, Geist, ist zum zweiten Male erwähnt als Überleitung zu den ihm folgenden Begriffen manāyatanaṃ (Grundlage Geist) und manindriyaṃ (Geist als Fähigkeit). Alle drei haben dieselbe Grundbedeutung als durchdringende und umfassende Geistigkeit, doch die Bezeichnung manāyatanaṃ betont darüber hinaus, dass Geist oder Bewusstsein die Grundlage allen Erkennens und Verstehens ist, ebenso wie die fünf Sinne die (materiellen) Grundlagen des Sehens, Hörens usw. sind. Manindriyaṃ ("Geist als Fähigkeit") betont die Fähigkeit des Geistes, Objekte zu erkennen und zu verstehen. Viññāṇa, auch mit "Bewusstsein" übersetzt, hat im Gegensatz zu citta mehr den Charakter ruhenden, differenzierenden Gewahrseins, und ist von viññāṇakkhandha, der "Bewusstseinsgruppe", die Rede, bezieht sich das auf die Zugehörigkeit des hier behandelten Bewusstseinsmoments zur Gruppe aller 89 Bewusstseinsvarianten, die es gibt. Die ganze Bewusstseinsgruppe ist, wie bereits gesagt, in 6 Klassen von Seh- bis zum Geistbewusstsein unterteilt. Sie alle sind viññāṇa, Teil des viññāṇakkhandho.
Über Charakter und Qualität des Bewusstseins Auch wer die 16 Kriterien des Bewusstseins, wie sie im Satipaṭṭhāna-Sutta aufgeführt sind, nicht kennt, kann bei sich selbst und anderen beobachten, wie groß die Schwankungen der Bewusstseinsverfassung vom Niedrigsten und Gemeinsten bis zum Höchsten und Edelsten sind. Die Bewusstseinsverfassung reicht von der tiefsten Verzweiflung bis zu höchster Zuversicht, von der finstersten Unwissenheit bis zur höchsten Klarheit, von abgrundtiefer Bosheit bis zu liebevollstem Entgegenkommen, von der alles verzehrenden Gier bis zum völligen Loslassen. Bewusstsein ist wie ein Strom, der seine Richtung ständig wechselt und sich mal aufwärts, mal abwärts bewegt. Es kommt darauf an, sich nicht von ihm blind mitreißen zu lassen, sondern ihn wissentlich zu lenken, damit er zur großen Befreiung, zum nibbāna, hinführt und nicht in neue Abgründe. Das ist in Kürze der Sinn des gesamten buddhistischen Strebens. Ohne auffindbaren Anfang und ohne bestimmbares Ende fließt der Strom dahin, trägt die Lebewesen durch glückliche und unglückliche Existenzen, solange kein Ausweg gefunden wird. Den Ausweg zu finden ist jedoch nur möglich, wenn man die Natur des Bewusstseins gut kennt, und lernt, es zu beherrschen. Zunächst noch
ein Wort zu den fünf Daseinsgruppen (khandhā). Es
sind, wie schon gesagt, Neu ist der Begriff "Geistesfaktoren". Er umfasst Gefühl, Wahrnehmung und Willensaktivitäten. Inhaltlich ändert sich bei dieser Viererteilung nichts, wie zu ersehen ist. Es gibt laut Abhidhamma 89 verschiedene Bewusstseinstypen (cittāni) und 52 Geistesfaktoren (cetasikāni), die sich zu höchst unterschiedlichen Bewusstseinsverbünden (cittupādā) zusammenfügen. Das wird ersichtlich, wenn man sich Fragen stellt wie: Welche der 52 Geistesfaktoren treten in einem in Gier wurzelnden Bewusstseinsmoment (lobhmūla-citta) auf? Welche in einem hassverwurzelten (dosamūla), welche in einem heilsamen (kusala), von Freude begleiteten (somanassa-sahagata) und mit Wissen verbundenen (ñāṇasampayutta)? Für fast jeden der 89 Bewusstseinsverbünde (Bewusstsein plus Geistesfaktoren) ergeben sich andere, höchst unterschiedliche Antworten. All diese Bewusstseinsverbünde unterscheiden sich voneinander wie menschliche Charaktere, unter denen vom Schwerverbrecher bis zum Heiligen alle Arten vertreten sind. Man unterscheidet unter den 89 Bewusstseinsverbünden 21 heilsame (kusala), 12 unheilsame (akusala), 36 karmagewirkte (vipāka) und 20 funktionelle (kiriya). Es ginge zu weit, diese Klassifizierungen eingehender zu beschreiben, doch die Zahlen sollen veranschaulichen, mit welcher Akribie im Abhidhamma das Thema "Bewusstsein" behandelt wird.
Kopfgeburt oder nicht? Wer diese Zahlen liest, möchte den Eindruck gewinnen, dass es sich um reine Kopfgeburten handelt. Dem ist jedoch nicht so. Das Nachdenken über Geist und Körper (nāma - rūpa) hat von jeher im Buddhismus gleich welcher Richtung eine entscheidende Rolle gespielt. Bekanntlich kann man mit den fünf Sinnen Bewusstsein und Geistesfaktoren nicht ergründen, wohl aber mit dem Geiste (nāma). Fast jeder Mensch hat schon seine Erfahrungen mit seinen Gefühlen, Wahrnehmungen, emotionellen Regungen und Gedanken positiver und negativer Art gemacht, hat ihre Auswirkungen auf den Körper erfahren, und viele haben sich einer Therapie unterzogen, wenn sie mit ihrer Psyche nicht mehr ins Reine kamen. Auf dieser Basis hat sich die westliche Psychologie entwickelt. Im Theravāda-Buddhismus gibt es keine Psychologie als Sonderdisziplin, und doch stecken Texte, Abhidhamma und Kommentare voller psychologischer Gehalte. Bei ihnen handelt es sich um Ergebnisse praktischer Erfahrungen, die auf ein System gebracht worden sind. Wer sich in dieser "Psychologie" durch Studium, Reflexion und meditative Praxis gut auskennt, erkennt, dass der menschliche Geist fähig ist, bei der nötigen Schulung das Wesen von Geist und Materie (nāma - rūpa) bis ins Tiefste direkt zu ergründen. Diese Fähigkeit macht es möglich, auch ohne modernes Instrumentarium Wissensdaten zu erlangen, die auf ein überschaubares und lehrbares System gebracht werden können, wie es in Texten, Abhidhamma und Kommentaren vorliegt. Diese Systematik ist nicht als Wissenschaft um ihrer selbst willen gedacht, sondern als Plattform für den Praktizierenden, von einer Erkenntnis zur anderen bis zur höchsten, befreienden Einsicht vorzustoßen. Der Vergleich mit dem Gebrauch von Karte und Kompass in solch unbekanntem Gelände liegt nahe.
Die sechs Wurzeln (hetu) Wie schon erwähnt, gibt es heilsame (kusala), unheilsame (akusala), karmagewirkte (vipāka) und rein funktionelle (kiriya) Bewusstseinsmomente plus Begleitfaktoren, von denen insbesondere die heilsamen und unheilsamen zur Sprache kommen sollen. Was das Bewusstsein heilsam oder unheilsam macht, sind die sechs Wurzeln (hetū): drei unheilsame und drei heilsame. Die unheilsamen sind Gier (lobha), Hass (dosa) und Verblendung (moha), und die drei heilsamen sind Gierlosigkeit (alobha), Hasslosigkeit (adosa) und Unverblendung (amoha). Gierlosigkeit, Hasslosigkeit und Unverblendung bedeuten nicht bloße Abwesenheit von Gier, Hass und Verblendung, sondern deren positives Gegenteil: Selbstlosigkeit, Güte und Einsicht. Die sechs Wurzeln werden von weiteren heilsamen bzw. unheilsamen Geisteskräften unterstützt, so dass ein einzelner Bewusstseinsmoment ein recht vielgestaltiger Organismus ist, vergleichbar mit einem Arbeitsteam, in welchem jeder eine andere Funktion erfüllt, die jedoch auf denselben Zweck ausgerichtet ist. Die sechs Wurzeln gehören zur Gruppe Willensaktivitäten (saṅkhārā). Unter den Willensaktivitäten gibt es solche, die einander ergänzen, und solche, die einander ausschließen. In einem gierverwurzelten Bewusstseinsmoment mögen unter anderem falsche Ansicht (micchā diṭṭhi) oder Dünkel (māna) auftreten, nicht aber Hass (dosa), Geiz (issā), Neid (macchāriya) oder Gewissensbisse (kukkucca), denn in Gier wurzelndes Bewusstsein (lobhacitta) hat an sich reißende und in Hass wurzelndes Bewusstsein (dosacitta) abstoßende Tendenz. Beide sind einander entgegengesetzt. Verblendung (moha), Schamlosigkeit (ahirika), Gewissenlosigkeit (anottappa) und Aufgeregtheit (udhacca) sind jedoch immer vorhanden, wenn unheilsames Bewusstsein gleich welcher Art sich regt. Gelegentlich mögen Trägheit und Schlaffheit (thīna - middha) auftreten, sowohl im gierigen wie auch im gehässigen Bewusstsein. Zweifelsucht (vicikicchā) ist nur mit Verblendung (moha) verbunden, aber nie mit Gier oder Hass. Sämtliche unheilsamen saṅkhārā sind die Feinde der Menschen, insbesondere derjenigen, die sich höher entwickeln wollen. Mit den Taten, die ihnen entspringen, schadet der Mensch sich selbst und anderen. In Reinkultur führen sie zu Tötung, Diebstahl, sexuellem Missbrauch, Lüge, Verleumdung, grober Rede und eitlem Geschwätz. Sie sind Brutstätten für Habsucht, Übelwollen und falsche Ansichten, die zu den schlimmsten Fehlhandlungen verleiten. Gerät ein Mensch ganz unter die Herrschaft dieser Dinge, ist ihm, bildlich gesprochen, die Hölle gewiss, und unter Umständen erleidet er einen qualvollen Tod, auf den eine neue, unglückliche Existenz folgt. Bei den heilsamen saṅkhārā ist das Gegenteil der Fall. Sie sind es, die eine Aufwärtsentwicklung des Menschen bewirken. Wer die heilsamen saṅkhārā listenmäßig kennt, weiß, wie er sie zu erwecken und zu entfalten hat. Das geschieht durch einwandfreies Verhalten (sīla), Sammlung (samādhi) und Weisheit (paññā) in der Form klaren, wirklichkeitsgemäßen Erkennens. Wer sich diesen drei Schulungen unterzieht, weiß bei jeder Handlung, wie sie sich auswirkt, und ist fähig, die rechte Wahl zu treffen. Sein Geist ist fähig, sich zu sammeln und kraft dieser Sammlung Geist und Körper (nāma - rūpa) bis in ihre mikroskopische Feinstruktur zu durchschauen, als ob ihm ein Laser- oder Röntgengerät zur Verfügung stände. So arbeitet er sich von einer Einblickserkenntnis (vipassanā-ñāṇa) zur anderen vor, bis es ihm gelingt, das Ungeschaffene Element (asaṅkhata dhātu) unmittelbar zu erkennen und zu erfahren. Diese Erkenntnis ist identisch mit dem Erreichen des nibbāna und besteht in der völligen Loslösung von Geist und Körper. Er stirbt den letzten Tod, weil ihn kein Wollen mehr nach neuer Verkörperung drängt. Er ist Geburt, Alter, Krankheit und Tod für immer entronnen. Ehe er dieses Hochziel erreicht, ist er natürlich der Verkettung der Wiedergeburten unterworfen. Sein Streben ist jedoch so geartet, dass seine heilsamen Geisteseigenschaften stärker und stärker werden, die unheilsamen aber dahinwelken. Das hat zur Folge, dass er glückliche Wiederverkörperungen unter menschlichen oder übermenschlichen Wesen erfährt, statt in niedere Daseinsbereiche abzusinken.
Bewusstsein und Karma Wenn schon Bewusstsein Weg und Ziel des Menschen, Tat und Folge bestimmt, dürfen zwei Begriffe nicht übersehen werden: Karma (kamma) und Karmawirkung (vipāka). Sagen wir von einem Menschen, der von einem Missgeschick ins andere taumelt, er habe ein schlechtes Karma, so liegt die Verkettung übler Taten, deren Wirkung ihn jetzt trifft, weit zurück, doch erst jetzt geht ihre Saat auf. Die Spanne zwischen Tat und Wirkung ist so unterschiedlich, dass der oberflächliche Betrachter glauben möchte, es gäbe gar keinen Zusammenhang. Doch der geschulte Geist sieht ihn. Was ist Karma? Dazu
heißt es im Aṅguttara Nikāya VI, 63: Keine Tat ist möglich ohne die sie auslösende, dem Willen ähnliche, motorische Geistesenergie, die im Pāli cetanā heißt. Cetanā äußert sich in Worten, Werken und Gedanken , auf die der Begriff kamma zutrifft, doch cetanā selbst wird ebenfalls oft als kamma bezeichnet. So ist kamma nichts als cetanā in Aktion. Ein Vergleich: Jemand will stehlen. Cetanā steigt auf. Cetanā aber wird vom Bewusstsein und seinen übrigen Begleitfaktoren kontrolliert, und ein Gegen-cetanā mag sich regen und die Tat verhindern. Führt er aber die Tat aus, dann ist cetanā wie der Motor, die Tat (kamma) wie das Fahren, und das später erreichte Ziel wie die Karmawirkung (vipāka). Eine Tat kann lange Zeit ohne Wirkung bleiben, sogar überhaupt keine Wirkung hervorbringen, doch ist die Zeit der Wirkung reif, stellt sie sich ein. Es kann in diesem Leben sein, im nächsten Leben oder unter Umständen auch in einem viel späteren Leben. Die Gestalt, in der man ins neue Leben eintritt, charakterliche Grundstruktur, geistige und körperliche Fähigkeiten und die Sinneseindrücke, die einen treffen - in dieser Form wirkt sich Karma über den Tod hinaus aus. Karma ist eine geistige Kraft, die sowohl geistige als auch materielle Auswirkungen hat. Wer von Karma und Wirkung, Tod und Wiederverkörperung hört, fragt nach Beweisen, weil es für den Okzidentalen ein ungewohnter Gedanke ist, dass Taten auf den Täter zurückfallen und sich über den Tod hinaus in einem neuen Leben auswirken. Ein naturwissenschaftlicher Beweis ist nicht zu erbringen, weil cetanā ein immaterieller, geistiger Faktor ist, der sich dem Zugriff naturwissenschaftlicher Methoden entzieht. Verbriefte Fälle von Rückerinnerungen, die sich als zutreffend erwiesen haben, werden in der Regel nicht als Beweise anerkannt. Schlechtestenfalls ist das Gesetz von Karma und Wirkung eine Arbeitshypothese, die eine plausible Erklärung für den Sinn einer Verhaltensweise abgibt, durch die der Mensch sein künftiges Schicksal selber bestimmt und zur befreienden Erkenntnis heranreift. Auf diesem Wege werden ihm durch direkten Einblick Zusammenhänge klar, die mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht zu ergründen sind.
Anmerkungen:
Zusätzliche Anmerkungen vom Editor sind in eckigen Klammern eingefügt worden.
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