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Allerlei Lehrreden II

Gefahr geht vom Toren aus

 

Ein Vortrag von

Santuṭṭho Bhikkhu

Auszug vom September-Seminar 2022

Der Buddha
Victoria & Albert-Museum, London

 

Um ein wenig zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich darüber im Klaren zu sein, wie wahr der Spruch ist: "Die Umwelt formt den Menschen", kann man die erste Lehrrede aus AN III zitieren:

"Alle Gefahr, die da aufsteigt, geht vom Toren1 aus, nicht vom Weisen. Aller Verdruss, der da aufsteigt, geht vom Toren aus, nicht vom Weisen. Alle Bedrängnis, die da aufsteigt, geht vom Toren aus, nicht vom Weisen.2 ... Darum soll man danach streben: 'Jene drei Eigenschaften3, an denen man den Toren erkennt, die wollen wir überwinden! Jene drei Eigenschaften aber, an denen man den Weisen erkennt, die wollen wir uns zueigen machen!' Das sei euer Streben!"

1Bāla bedeutet: der Tor, Narr, Naive.
2Hier folgt das Gleichnis vom brennenden Haus, dessen Feuer auf die Nachbarschaft übergreift.
3Die im Folgenden genannt werden.

Und in Lehrrede Nr. 2 steht dann: "Die Tat kennzeichnet den Toren, die Tat kennzeichnet den Weisen; im Verhalten zeigt sich die Weisheit. Wem drei Dinge eignen, den hat man als Toren zu betrachten. Welche drei Dinge? Schlechter Wandel in Werken, schlechter Wandel in Worten und schlechter Wandel in Gedanken. Wem diese drei Dinge eignen, den hat man als Toren zu betrachten."

In Lehrrede Nr. 3 geht es im selben Ton weiter: "Da denkt der Tor schlechte Gedanken, spricht schlechte Worte, verübt schlechte Taten. Würde nämlich der Tor keinerlei schlechte Gedanken denken, keinerlei schlechte Worte sprechen, keinerlei schlechte Taten verüben, woran sollten da die Weisen erkennen, dass er ein Tor ist, ein unedler Mensch? Daran aber, dass der Tor schlechte Gedanken denkt, schlechte Worte spricht und schlechte Taten verübt, erkennen die Weisen, dass er ein Tor ist, ein unedler Mensch."

Aber warum in die Ferne schweifen? Gibt es nicht auch bei uns hier den Spruch: "An ihren Werken sollt ihr sie erkennen?" Wie oft steigen einem Zweifel an einem Menschen, Bekannten, Lehrer und/oder Freund auf, wenn man bemerkt, "dass Wort und Tat nicht übereinstimmen"? Auch heute noch wird gern gelästert: "Sie predigen Wasser und saufen Wein!"

Warum soll das so "gut" sein, einen (edlen) Freund bzw. Lehrer zu haben? Bin ich nicht selber meines Glückes Schmied? Hat der Buddha nicht oft genug vom Alleinsein gepredigt? Wer sich ein wenig mit den Lehrreden beschäftigt, der wird aber auch wissen, dass Alleinsein allemal besser ist, als übler Umgang. Und was ist schlechter Umgang? Schlechte Freunde, also welche, die mit Alk, Drogen zu tun haben, die nichts Schlechtes darin sehen, sich zu betrinken, sich zu bekiffen usw. Auch Diebe, Mörder, Kriminelle usw. sind schlechter Umgang. Gibt man sich mit solchen Leuten ab, dann wird man verdächtigt, ebenso zu sein. Auch der Spruch "mitgefangen - mitgehangen" kommt zur Anwendung. Wer glaubt einem schon noch, wenn bekannt ist, dass man ein Freund eines Lügners (Politikers?) ist?

Dier Wert eines guten/wahren Freundes ist im Prinzip unermesslich, auch wenn das der Buddha nicht bei den Vier Unermesslichkeiten nennt. In AN III,136 steht, dass man mit einem Freund, der drei Eigenschaften besitzt, Umgang haben mag. Diese drei Eigenschaften sind: Er gibt, was schwer zu geben ist, tut, was schwer zu tun ist, erträgt, was schwer zu ertragen ist. Was kann ein Freund geben? Damit ist sicherlich nicht nur "Geld borgen" gemeint. Ein guter Freund gibt seine Zeit, gibt Beistand, gibt Zuspruch, Aufmunterung, aber auch Ermahnung, Belehrung bis hin zur konstruktiven Kritik. Er hilft, wo und wann immer er kann.

Woran erkennt man aber einen wahren bzw. edlen Freund? Hier folgt in den bereits zitierten Lehrreden die Umkehrung, nämlich: "Wem drei Dinge eignen, den hat man als Weisen zu betrachten. Welche drei Dinge? Guter Wandel in Werken, guter Wandel in Worten und guter Wandel in Gedanken." Sowie: "Drei Merkmale des Weisen gibt es, drei Kennzeichen, drei Verhaltungsweisen. Welche drei? Da denkt der Weise gute Gedanken, spricht gute Worte, verübt gute Taten. Würde nämlich der Weise keinerlei gute Gedanken denken, keinerlei gute Worte sprechen, keinerlei gute Taten verüben, woran sollten da die Weisen erkennen, dass er ein Weiser ist, ein edler Mensch? Daran aber, dass der Weise gute Gedanken denkt, gute Worte spricht und gute Taten verübt, erkennen die Weisen, dass er ein Weiser ist, ein edler Mensch." Natürlich kann man auch hier das Argument vorbringen, dass Reden Silber sei, und Schweigen Gold. Auch ist es tatsächlich (oft) besser, nichts zu sagen, als eine Antwort zu geben, die dann möglicherweise zu weiteren Komplikationen führt.

Dass man Toren bzw. die Dummen an ihrem Verhalten erkennt, ist denkbar einfach, denn darin zeigt sich ja die Torheit. Es gibt allerdings dreierlei Verhalten: Reden, Handeln und Denken. Jemanden anhand seiner Taten als Dummkopf zu erkennen, ist relativ einfach. Um jemanden anhand seiner Worte als Dummkopf zu erkennen, dazu bedarf es schon eines gewissen Maßes an Weisheit. Aber um jemanden anhand seines Denkens als Dummkopf zu erkennen, das dürfte schwer sein. Schließlich kann man den Menschen ja (normalerweise) nur vor den Kopf schauen. Die Gedanken anderer zu erkennen, also im Geist anderer "lesen", das ist eine Fähigkeit, die nur sehr wenige Leute haben. Diese "Kunst" kann man übrigens auch in buddhistischem Sinne erlangen. Es ist eines der höheren Wissen (abhiññā). Ansonsten kann man nur mittels Rückschluss den Gedankengang eines Menschen erahnen. Und das ist gar nicht mal so schwer: Übles Denken, Sinnen, Trachten, üble, bzw. schädigende Absicht(en) sind durchaus erkennbar, nämlich anhand der Äußerungen als auch an den Handlungen bzw. deren Auswirkungen. Hier gibt es dann auch den Direktverweis den Achtpfad, nämlich zu Sīla: rechte Rede, rechtes Handeln und rechter Lebenserwerb.

Das Thema "Lehrer" ist mitunter ziemlich brisant, muss aber unbedingt angesprochen werden. In AN III,11 heißt es dazu: "Wenn einem namhaften Mönch drei Dinge eignen, so gereicht er vielem Volke zum Unheil, vielem Volke zum Unglück und Schaden, zum Unheil und Leiden für Götter und Menschen. Welche drei Dinge? Wenn er zu verkehrter Tat in Werken anspornt, wenn er zu verkehrter Tat in Worten anspornt, wenn er zu verkehrten Ideen anspornt."

Das Wort "Mönch" kann man hier getrost mit "Lehrer/In", ja sogar "Mensch" austauschen. Im oft rezitierten Maṅgalasutta steht bei der Antwort des Buddha auf die Frage, was wohl das höchste Glück sei, gleich als erstes: "Asevana ca bālānaṃ - paṇḍitānañ'ca sevanā." Man kann daraus schlussfolgern, dass das Zusammensein mit Dummköpfen als schädlicher Einfluss an 1. Stelle steht!

Der schlechte bzw. Falschlehrer ist nahezu die größte Gefahr. Das wird auch anhand von Beispielen deutlich. Da haben wir, ganz allgemein gehalten, AN I,29 worin steht: "Es gibt ein Wesen, das, in der Welt erscheinend, vielem Volke zum Unheil, Unglück und Schaden ersteht, zum Unheil und Leiden für Himmelswesen und Menschen. Welches ist dieses Wesen? Einer, der falsche Ansicht, verkehrte Anschauung hat. Ein solcher nämlich bringt viele Menschen vom Guten ab und bestärkt sie im Schlechten."

Aber der Buddha scheute sich nicht, auch namentlich üble Lehrer bloßzustellen, wie im Fall von Makkhali Ghosala in AN I,30: "Keinen Menschen kenne ich, ihr Mönche, der so vielem Volke zum Unheil wirkt, so vielem Volke zum Unglück und Schaden, wie Makkhali, der verblendete Mensch. Wie wenn man da an einer Flussmündung ein Netz auswirft, vielen Fischen zum Verderb und Leiden, zum Unheil und Missgeschick, ebenso, ihr Mönche, ist da auch Makkhali, der verblendete Mensch, in der Welt erschienen, vielen Wesen zum Unheil und Leiden, zum Verderb und Missgeschick." und III,138: "Wie unter allen gewobenen Gewändern das härene Gewand als das schlechteste gilt, denn das härene Gewand ist in der Kälte kalt, in der Hitze heiß, ist hässlich, übelriechend und fühlt sich rau an, ebenso auch gilt unter all den zahlreichen Lehren, der Asketen und Priestern die Lehre des Makkhali als die schlechteste. Denn Makkhali, dieser törichte Mensch, lehrt und ist der Ansicht, dass es keine Tat, kein Handeln und keine Willenskraft gibt. Die aber in der Vergangenheit Heilige waren, die in der Zukunft Heilige sein werden, vollkommen Erwachte, auch jene Erhabenen waren und werden Lehrer der Tat sein, Lehrer des Handelns, Lehrer der Willenskraft. Jenen auch widerspricht Makkhali, der törichte Mensch, indem er behauptet, es gebe keine Tat kein Handeln und keine Willenskraft. Und auch ich, der gegenwärtige Heilige, vollkommen Erwachte, bin ein Lehrer der Tat, ein Lehrer des Handelns, ein Lehrer der Willenskraft. Und auch mir widerspricht Makkhali, der törichte Mensch, indem er behauptet, es gebe keine Tat, kein Handeln und keine Willenskraft. Gleichwie, ihr Mönche, wenn man an einer Flussmündung ein Netz auswirft, vielen Fischen zum Unheil und Leiden, zum Verderben und Missgeschick: ebenso auch ist Makkhali, der törichte Mensch, gleichsam als ein Menschennetz in der Welt erschienen, vielen Wesen zum Unheil und Leiden, zum Verderben und Missgeschick."

Der Lehrer bzw. Lehrende gilt demnach als Risiko-Faktor. Es ist eben eine riesige Verantwortung, zu lehren, zu übersetzen - ein "edler" Freund zu sein. Daher sollten auch die Schüler prüfen, nicht nur "glauben". In MN 47 ("Der Untersuchende") weist der Buddha darauf hin, dass man auch das, was er sagt bzw. lehrt, untersuchen möge. Schon oft hat man ja auch vom Kālāmā-Sutta (AN III,66) gehört, worin steht: "Geht nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann mögt ihr sie aufgeben."

Eine gesunde Skepsis ist demnach durchaus angebracht. Blinder Glaube bzw. Gehorsam dem "Guru" gegenüber führt nicht unbedingt zum Ziel. Zuviel Zweifel fördert den Erwerb von Erkenntnis auch nicht gerade.

Wie soll man mit "Falschlehrern" umgehen? Am einfachsten ist es natürlich, sie zu meiden. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Aber wenn man ein Quäntchen Mitgefühl hat mit anderen, dann stellt sich einem durchaus die Frage, ob man nicht lieber doch mal den Mund aufmacht. Der Ton macht die Musik! Ein vernünftiger Lehrer wird auch vernünftig mit (konstruktiver!) Kritik umgehen können. Schon allein dieses Kriterium kann ausschlaggebend sein. Allerdings ist es höchst ratsam, sich selber zu prüfen, inwieweit man hinsichtlich seiner Absicht(en) rein ist. Das gilt sowieso bei jeder Art von Kritik, wem auch immer gegenüber. In Cvg 399 steht dazu (gerafft): "Vom Beschuldiger, also einem, der willens ist zu beschuldigen, sollen diese Dinge bei sich überdacht werden, danach mag er beschuldigen. (1) 'Bin ich [selber] rein im Handeln und Sprechen?' Wenn man nicht rein ist im Handeln und Sprechen, dann wird man zu ihm sagen: 'Bitte, übe du erst einmal körperliches und sprachliches Verhalten.' (2) 'Ist mein Geist mit Freundlichkeit erfüllt, frei von Bosheit?', sonst wird man zu ihm sagen: 'Bitte, Ehrwürdiger, erfülle du erst einmal deinen Geist mit Freundlichkeit.' (3) 'Bin ich einer, der viel gelernt hat? Einer, der das Gelernte im Gedächtnis behält? Einer, wie ein Lagerhaus für Gelerntes? Solche Dinge [der Lehre], die anfangs edel sind, inmitten edel sind und am Ende edel sind, kann ich da die Bedeutung der völligen Reinheit als auch des Reinheitswandels vollständig und gänzlich sogar dem Buchstaben nach darlegen? Habe ich viele solche Dinge gehört, im Gedächtnis behalten, kann ich diese rezitieren, habe ich sie durchdacht und habe ich sie durch Einsicht gut verstanden?' Wenn nicht, dann wird man zu ihm sagen: 'Bitte erlerne du erst einmal gründlich die Texte .'" [damit sind die āgama gemeint, d.h. die kanonischen Texte, also die Überlieferung, die Tradition.]

Danach geht es in Cvg 400 gleich weiter mit den vom Beschuldiger zu praktizierenden Dingen: "Von einem, der willens ist zu beschuldigen, sollen diese Dinge für sich praktiziert werden, danach mag er beschuldigen: [in dem Gedanken] 'Ich will zur rechten Zeit sprechen, nicht zur falschen Zeit.'; 'Ich will die Wahrheit sagen, nicht die Unwahrheit.'; 'Ich will milde sprechen, nicht grob.'; 'Ich will nutzbringend sprechen, nicht nutzlos.'; 'Ich will mit freundlichem Geist sprechen, nicht innerlich erbost.'"

Damit nicht genug, in Cvg 401 folgen dann noch die Ratschläge für Beschuldiger und Beschuldigte, und zwar: "Einem der unrechtmäßig beschuldigt, dem mag auf fünferlei Art Reue aufkommen: 'Zur falschen Zeit beschuldigt er, mit etwas Unwahrem beschuldigt er, mit groben Worten beschuldigt er mit Nutzlosem beschuldigt er, innerlich erbost beschuldigt er, dafür wäre Reue angebracht.' Warum ist das so? Damit der andere nicht denkt, dass er zu Unrecht beschuldigt werden soll." - ... - "Einer, der willens ist zu beschuldigen, soll fünf Dinge bei sich bedacht und entwickelt haben, bevor er beschuldigt: Mitgefühl, Wohlwollen, Sympathie, Freisein von Vergehen und Respekt vor der Ordenssatzung."

Und zu guter Letzt wird in Cvg 401 noch gesagt: "Der Beschuldigte soll sich auf zwei Dinge stützen: Wahrheit und Unerschütterlichkeit*." Und das ist doch mal eine Ansage!
[* akuppa auch "Standhaftigkeit", d.h. er/sie soll frei von Hass und Ärger unerschütterlich im Geist sein.]

 


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