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Allerlei Lehrreden V Glauben und Glaubensstandpunkte |
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Ein Vortrag von Santuṭṭho Bhikkhu vom 30. August 2022 |
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In Anguttara-Nikāya III,62 kann man etwas von drei Glaubensstandpunkten lesen. Der Buddha zeigt hier auf, inwiefern "Glauben" in Untätigkeit endet. Hier der relevante Textabschnitt als Zitat (gerafft): Drei Glaubensstandpunkte gibt es. Werden sie von Verständigen geprüft, untersucht und gründlich vorgenommen, dann ergibt sich, dass sie, selbst wenn man ihnen bloß der Tradition wegen folgt, in Untätigkeit enden. Welches sind diese drei Glaubensstandpunkte?
Jene Asketen und Priester nun, die da behaupten und der Ansicht
sind, dass alles durch frühere Tat bedingt sei, die habe ich
aufgesucht und also gefragt: Jene Asketen und Priester nun, die da behaupten und der Ansicht
sind, dass alle durch Gottes Schöpfungs bedingt sei, die habe
ich aufgesucht und also gefragt: Jene Asketen und Priester nun, die da behaupten und der Ansicht
sind, dass alles ohne Ursache und Grund geschieht, die habe ich aufgesucht
und befragt: Aber was ist eigentlich
"Glauben"(saddhā)? "Ich glaube Dir" bedeutet "Ich habe Vertrauen zu Dir", aber auch "Ich habe zwar kein Vertrauen zu Dir, aber was Du sagst, scheint mir richtig zu sein". "Ich glaube" in religiösem Sinn bedeutet, dass man an etwas oder an jemanden glaubt, der für einen Teil der eigenen fehlenden Erkenntnis als Ersatz dient. Das betrifft hauptsächlich Fragen zur Entstehung der Welt, Naturgesetze, Ursache und Wirkung, "Wer bin ich", "Warum gerade ich", d.h. "unerklärliche Dinge". Früheste Formen des religiösen Glaubens sind animistische Religionen, d.h. Glaube an Naturgottheiten, die die Welt am Laufen bzw. Funktionieren halten, Götter und/oder Geister als Verantwortliche, die man dem entsprechend zu beeinflussen sucht. Deutlich unethischer ist die Entwicklung sogenannter "Hochreligionen", wo die Menschen als Geschöpfe von Gottheiten definiert werden und man sie mithilfe allerlei Geschichten und Erzählungen unter eine Art Abhängigkeit bringt, um materielle Güter zu erlangen, bis hin dass Religiose zu Machthabern werden. Bestes Mittel zum Zweck ist die Erfindung der "Sünde" einerseits, die man dann mittels "Gnade" bzw. "Vergebung" institutionalisiert. Psychische Abhängigkeit wird geschaffen, die mithilfe materieller Güter zu bezahlen ist. Es entwickelt sich ein System - eine Religion, d.h. eine Bindung, die auf der Annahme beruht, dass es etwas gibt, dass insofern personifiziert wurde, um es, obwohl immateriell, mit materiellen Dingen sowie Dienstleistungen zufrieden zu stellen. Irgendwie scheint das aber ein Zeichen aller Religionen zu sein. Auch der Buddhismus macht da keine Ausnahme. Auch hier gibt es Hauptberufliche, die nichts zum materiellen Einkommen beitragen und abhängig sind von dem, was man ihnen zukommen lässt bzw. sogar von mehr oder minder freiwilligen Abgaben leben. Re-ligio bedeutet
Rück-Bindung. Und der Buddha hat doch das Lösen aller Bindungen
gelehrt. Zurück zum Glauben.
"Glaube, Liebe, Hoffnung" werden zu jenen Tragpfeilern, auf die gestützt man sich durch das Dasein in eine vermeintlich bessere, zumindest aber andere Welt quält. Aber nicht umsonst gibt
es den Spruch "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott". Es geht überhaupt nicht darum, Religion als etwas völlig Verwerfliches darzustellen, sondern darum zu erkennen, wo "Bindung" ist, statt "Freiheit", sprich Abhängigkeit statt Eigenverantwortlichkeit. Natürlich erscheint ein Leben deutlich einfacher, wenn man alle existenziellen Fragen an eine imaginäre Autorität delegiert. Es ist sehr bequem, eine nicht fassbare Gestalt für alles verantwortlich zu machen. Das entspricht letztendlich unserer Tendenz bzw. Überzeugung, dass sowieso immer der bzw. die anderen an etwas schuld sind. Dann ist es eben "logisch", dass es einem guten Menschen schlecht geht, dass Menschen behindert sind oder dass auch Kinder sterben. Es liegt eben alles in Gottes Hand. Und wenn man nur noch Übles erfährt, dann tröstet einen die vermeintliche Gewissheit, dass man nicht tiefer fallen könne, als in Gottes Hand. Im Buddhismus hingegen wird das Dasein deutlich "einfacher". Hier soll nicht in aller Ausführlichkeit die 12gliedrige Kette von Ursache und Wirkung bzw. das Karma behandelt werden, sondern es geht nur darum, aufzuzeigen, wie man die Ratio (d.i. Vernunft) einsetzt, um ein alternatives Erklärungsmodell zu schaffen, das jeder je nach seinen Fähigkeiten selber nachvollziehen kann - aber nicht muss. Ursache und Wirkung als universell gültiges Naturgesetz statt Glaube an einen (oder mehrere) Schöpfer. Der Mensch als Individuum als bedingt entstandenes Wesen aufgrund von ihm selbst geschaffener Werte. Die leidige Schuld-Frage ist beantwortet und es wird ein Ausweg gezeigt. Der allerdings ist nur annehmbar, sofern man sich von Wertebegriffen wie "gut" und "schlecht" trennt und "heilsam" als zum Heil d.h. zur Gesundung hinführend und eben das Gegenteil "unheilsam", zum Unheil führend akzeptiert. Aber auch das ist nicht
das Entscheidende. Jedenfalls ist das gesamte Dasein ein Ablauf von bedingt entstandenen Situationen und Gegebenheiten inclusive der eigenen Person bzw. Persönlichkeit. Und diese wiederum steht in unmittelbarer Wechselbeziehung, damit, was eben jene Kette von Bedingtheiten weiter fortführt. Bis ins Unendliche, sofern man nicht damit aufhören mag. Kurzum, man selber produziert genau jenen Treibstoff, der einen selber antreibt. Die Auflösung ist theoretisch also ganz einfach: Hör auf, Treibstoff zu erzeugen, dann wird irgendwann auch Schluss sein. Dummerweise wissen wir aber nicht, wieviel noch auf unserem karmischen Akku gespeichert ist. Ganz zu schweigen, wieviel von der Ladung positiv oder negativ ist. Der Buddhismus bietet als
einzige Weltanschauung einen Ausweg aus jeglicher Art Daseinsform. Natürlich kann man unter Stress auch Erkenntnis gewinnen. Zum Beispiel die der Leidhaftigkeit. Oder die Erkenntnis, aus dem Leid herauszuwollen. Aber die Erkenntnis WIE - die dürfte nur aufkommen, wenn man ausreichend im Geist gesammelt ist, was wiederum nur geht, wenn man einigermaßen ethisch korrekt lebt. In den Urtexten steht nichts von Perfektion, d.h. dass man vollkommen sein muss, um Erkenntnis zu erlangen. Aber da steht an mehreren Stellen, dass vollkommene Tugend äußerst wünschenswert ist. Das wird dann später zu einem ganzen Komplex von Vollkommenheiten ausgearbeitet, die man über etliche Existenzen hinweg entwickelt. Wir als energetische Europäer
haben da ein kleines Problem: unsere Ungeduld. Vor allem mit uns selber. Aber so funktioniert die Aufhebung der Ursachen des Daseins nicht. Denn eben jenes Wollen ist eine der Treibkräfte. Dieses ständige Wollen - Mögen - Nichtwollen - Nichtmögen sind aufgrund unserer Unwissenheit im Sinne von Nichtverstehen bzw. Nichterkennen die Ursache, dass es immer weiter geht. Unsere Reaktion auf was-auch-immer ist also der Treibstoff, aus dem Neues entsteht, worauf wir wiederum reagieren - und wieder - und wieder - und wieder ... Um da zu sein braucht es
also keinen Schöpfer, geschweige denn einen Gott. Aber um das Dasein zu bewältigen,
damit zurecht zu kommen, dafür kann man schon ganz gut Beistand
gebrauchen. Göttlicher wäre ideal. Und den kann es durchaus
geben. Warum auch nicht? Der Buddha hat aber nicht umsonst gesagt, dass man sich selber am besten schützen könne. Dass man zuerst sich selber schützen möge, und man dann damit auch die anderen schützt. Wie das geht? Ganz einfach: indem ich mich selber ethisch korrekt verhalte, schädige ich niemand anderen. Je mehr sich andere an die selbe Wertvorstellung halten, um so mehr Wesen werden nicht geschädigt. Daher heißt es ja auch "mit gutem Beispiel voran gehen". Und hier ist erkennbar, wie der Spruch funktioniert: "Hilf dir selbst". Hier ist auch die Verbindung zum bereits angesprochenen Thema "Sei Dir selber Zuflucht". "Eigner und Erbe meiner Taten bin ich, meinen Taten entsprossen, mit ihnen verbunden, habe sie zur Zuflucht. Welche Taten ich auch tue, gute oder schlechte, diese werden mein Erbe sein." [aus AN X,60] Das ist übrigens eine
der Kontemplationen, die der Buddha nicht nur den Ordinierten empfiehlt.
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