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Rechtes Tun und die Bedeutung der Werke
 

Ein Vortrag von

Dhammamuninda Bhikkhu

Berlin, 10. 05. 2018

Lehrender Buddha.
Darstellung aus Bronze, Siam.
[Privatbesitz]


Rechtes Tun ist das 4. Glied des Edlen Achtfachen Pfades und wird oft durch die Aufzählung von Sittenregeln erläutert: nicht töten, nicht stehlen, kein sexueller Missbrauch, kein Konsum von Rauschmitteln. Solche Sittenregeln zeigen aber nur die Grenze zu schädlichem Tun auf. Sie benennen unheilsame oder bösartige Handlungen (akusala-kamma und pāpa-kamma), die es zu meiden gilt. Solche Handlungen zu begehen bewirkt einen Schaden. Sie gewohnheitsmäßig zu tun führt zu niedriger Wiedergeburt. Grenzen einzuhalten und Gefahren zu meiden ist noch nicht die ganze Wahrheit vom Rechten Tun. Vielmehr bedeutet Rechtes Tun auch Konstruktives zu bewirken. Gute Werke sind erbauliche, hilfreiche, erfreuliche und nützliche Taten. Das Wirken guter Werke können wir in der Triade dāna, sīla, bhāvanā (Großzügigkeit, Sittlichkeit, Geistestraining) dem Bereich der dāna zuordnen, wenn wir darunter nicht nur materielle Großzügigkeit verstehen, sondern das Wohlbefinden förderndes und unterstützendes Wirken. Kammanta, das Tun, unterscheidet sich vom Denken und Reden (saṅkappa und vācā), und meint Aktionen, die mit dem Körper ausgeführt werden. Obwohl gerade kammanta sprachlich mit karma verwandt ist, sind selbstverständlich auch (heilsames oder unheilsames) Denken und Reden karmisches Wirken. Karmisch heißt, dass die Wirkung unseren Lebenslauf und unsere Charakterbildung bestimmen, in diesem Leben und darüber hinaus.

In welchem Zusammenhang steht Rechtes Handeln mit dem buddhistischen Ziel der Befreiung? Hier lassen sich Missverständnisse beobachten, und zwar weil sich Menschen den Dhamma selbständig aneignen und keinen kalyāna mitta (fortgeschrittenen edlen Freund) haben, der ihnen die Zusammenhänge und Bedeutungen richtig erklärt. Es ist in der Tat so, dass aus vielen Lehrreden der Eindruck entstehen kann, Rechtes Tun sei vor allem die Enthaltsamkeit von üblen Handlungen, wodurch das Ideal einer passiven Lebenshaltung entsteht. Das hat unter anderem damit zu tun, dass viele Lehrreden an Mönche gerichtet sind. Das Mönchsleben ist prinzipiell vom Loslassen der Existenz und den Wiedergeburt erzeugenden Trieben geprägt. Dennoch ist Rechtes Tun auch für Mönche und Nonnen nicht auf das Unterlassen von Übeln beschränkt. Es gibt im Mönchsleben eine ganze Reihe an Verpflichtungen, z.B. gegenüber älteren Mönchen, gegenüber dem Saṅgha überhaupt und gegenüber den Laien, die den Orden unterstützen. Das sind Dienste, die von praktischer Hilfe, Reinigungs- und Reparaturarbeiten bis zum Dhamma-Unterricht reichen.

Eine falsche Einstellung entsteht durch falsche Ansicht. Im Unterschied zu manchen anderen Religionen lehrt der Buddha nicht, dass man durch den Verdienst guter Werke in den ewigen Himmel gelangen kann. Man kann zwar durch gute Werke eine langwährende himmlische Existenz erlangen, aber sie ist keine endgültige Erlösung, keine Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten. Daraus folgern manche, da sie an einer Befreiung vom Wiedergeburtenkreislauf interessiert sind und nicht am Himmel, brauchen sie keine guten Werke, ja sollen sie diese eher vermeiden, weil sie sonst in den Himmel kommen und das Nirvāna verpassen könnten. So formuliert klingt das lächerlich, aber die trügerischen Spiele des Geistes sind von dieser Art. Dahinter verstecken sich Trägheit und Eskapismus."1

Eskapismus ist ein bequemlicher Fluchtgedanke. Spirituellen Eskapismus gibt es nicht nur unter Buddhisten. Er entwickelt sich bei spirituell suchenden Menschen, die mit den Herausforderungen ihres irdischen Lebens nicht zurecht kommen oder einfach träge sind. Aber das Tun guter Werke ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, sein Schicksal zu verbessern. Überhaupt stehen das Tun guter Werke und die letzte Befreiung aus dem Wiedergeburtenkreislauf durch Erkenntnis (bodhi, vimutti) nicht im Widerspruch zueinander.

Wiederum, wie stehen gutes Karma und Befreiung zueinander? Man könnte vereinfacht sagen, dass Handlungen, die nicht ganz selbstlos ausgeübt werden, Karma sind, während ganz selbstlos getane Handlungen nur kriya sind. Letzteres ist aber nur beim Arahant der Fall. Selbst ein Nichtwiederkehrer (Anāgāmī) hat, vereinfacht gesagt, noch ein wenig Eitelkeit (māna). Es ist ein weiter Weg bis zur vollkommenen Befreiung, aber wenn wir das Prinzip verstehen und den Weg dahin erkennen, kommen wir dem Ziel näher. Es ist nicht möglich, die Erzeugung von Karma durch Nichtstun aufzuhalten und die Wirkung von altem Karma einfach auszusitzen! Das wäre nämlich das Karma der Trägheit. Vielmehr schafft uns gutes Karma günstige Bedingungen, die Lehre besser zu verstehen und das Heil durch zunehmende Selbstlosigkeit zu verwirklichen. Gutes Karma mindert oder neutralisiert die noch ausstehende Wirkungen von altem unheilsamen Karma (vgl. Gleichnis vom Salz im Wasser, Loṇakapalla-Sutta AN III,101).

Einmal wurde Ayya Khema gefragt, ob es nicht so sei, dass Menschen Gutes tun und Spenden errichten, weil sie in den Himmel kommen wollen, also aus einem egoistischen Motiv heraus. Daraufhin hat sie gesagt, das sei zwar nicht das höchste Niveau des Geistestrainings aber ein guter Anfang. Es ist jedenfalls besser, Gutes zu tun, als es überhaupt nicht zu tun. Selbstloses Tun muss man schrittweise erlernen. Man kann das wirklich lernen, etwas Großzügiges zu Tut ohne gleich zu denken "Was krieg ich dafür, was darf ich mir wünschen?" Dann ist da noch der Unterschied zwischen dem, der sich eine Belohnung durch irdische Vorteile wünscht, und dem, der sich wie König Salomo das Geschenk der Weisheit wünscht. Selbstlosigkeit im Tun üben wir dadurch, dass wir uns nicht in den Mittelpunkt stellen und nicht aus Geltungsdrang handeln. Das muss man bei sich selbst ehrlich erkennen und beobachten lernen. Je freier unser Tun von egozentrischen Motiven ist, um so größer ist sein Segen. Von besonderem Wert sind nützliche und notwendige Handlungen, um die wir nicht gebettelt und zu denen wir nicht aufgefordert wurden. Das kann so etwas Kleines sein, wie einen vollen Müllkübel zu entleeren. Gerade weil uns niemand bitten oder eigens auffordern musste, hat die Handlung einen besonderen Wert. Das verstehen manchen Menschen nie, sie tun etwas nur, wenn man sie bittet, und oft nicht einmal dann. Natürlich macht man so eine unaufgeforderte Handlung nicht in einem Haushalt, wo man zum ersten Mal zu Gast ist, aber zumindest dort, wo man öfters einkehrt und auch etwas bekommt.

Ein Problem für uns Menschen ist der Mangel an Motivation. Gutes zu tun kann anstrengend sein und mit Entsagung einhergehen. Die erfreulichen Resultate, also den "Lohn", erleben wir nicht immer unmittelbar. Besonders wenn der Geist verunreinigt ist, spürt er Trägheit und empfindet Entsagung und Anstrengung als sehr unangenehm. Je gereinigter der Geist ist, um so leichter fällt ihm das Tun des Guten und um so mehr liegt für ihn die Belohnung im Tun selbst, nicht erst in der Anerkennung von außen oder in sichtbaren Belohnungen. Übrigens gibt es ein interessantes Wort im Deutschen: "Für seine Mühe entschädigt werden" setzt voraus, dass wir empfinden, unsere Mühe habe uns einen Schaden zugefügt.

Man könnte nicht Rechte Rede üben, wenn man nur schweigt. Ebenso kann man nicht Rechtes Tun üben, wenn man sich hauptsächlich passiv verhält. Es ist unser Ziel, heilsames Handeln zu erlernen, weil es uns und anderen Segen bringt. Manche Menschen sind zu aktiv und handlungsorientiert, manche zu passiv und träge. Jeder muss das entwickeln, was ihm zur Vollkommenheit fehlt.

Was sind Kriterien heilsamen Handelns? Eine etymologische Meinung besagt, dass ku-sala die Bedeutung hat von "das Unreine entfernend", also den Geist klärend und erhebend. Gutes tun macht den Geist licht und froh. Das Heilsame steht in Harmonie mit den Gesetzen des Lebens und des Zusammenlebens. Rechtes Tun heißt nicht, dass man es allen recht machen muss, denn das ist nicht möglich. Aber wir nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer und handeln nicht rücksichtslos.

Die Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten ist nicht etwas, das selbstverständlich jeder in diesem Leben erreichen kann. Viele möchten das gar nicht, denn das Loslassen von Existenz macht ihnen Angst oder aber sie können es nicht verstehen. (Oft haben Buddhisten im Westen trotz aufrichtigen Interesses am Buddhismus aufgrund der ihnen kulturell tief eingeprägten Denkmuster erhebliche Schwierigkeiten, die Gedanken des Buddha richtig zu verstehen. Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass alle Religionen mehr oder weniger dasselbe sagen und wenden abendländische Denkmuster auf die Buddha-Lehre an.) Der Saṃsāra lässt nicht einfach jeden los, der das möchte. Es müssen zuerst die Bedingungen dafür geschaffen werden. Wir haben im Laufe unserer vielen Leben durch verkehrtes Tun einerseits Schulden gemacht2 und andererseits bestimmte Tugenden noch nicht zu einem so hohen Maß entwickelt, dass wir Existenz loslassen könnten (paramī). Wovon wir bloß davonrennen, das läuft uns nach. Die Verwirklichung der befreiende Erkenntnis oder Gnosis (añña) bzw. des Erwachens (bodhi) ist das Ergebnis vieler vollzogener Schritte des Loslassens und Überschreitens von "ich" und "mein". Die Übung rechtes Tuns macht beides möglich: ein besserer (d.h. angenehmerer und lichtvollerer) und auch ein selbstloserer und freierer Mensch zu werden. Diese beiden Aspekte der Geistesentfaltung werden als "Selbst-Transformation" und "Selbst-Überschreitung" bezeichnet.

Der Buddha hat zwar gesagt, es gebe keinen noch so langlebigen Himmel, der nicht einmal enden würde. Aber er hat nicht gesagt, es sei grundsätzlich töricht, nach dem Himmel zu streben. Was wir als Himmel bezeichnen und im Herzen als lichtvoll und edel empfinden, ist das günstige Ergebnis guter Taten und sittlichen Lebens. Wenn den Mönchen ein gutes Werk getan wird, sprechen sie folgende Segnung aus:

Āyurārogiya sampatti, sagga sampattimevaca, atho Nibbānasampatti, iminā te samijjhatu.
Mögen dir langes Leben und Gesundheit zuteil werden, mögest du den Himmel erreichen und einst Nibbāna.


 

Mögen alle Lebewesen glücklich sein!


 

Anmerkungen:

1

Beispiel von Mönch X. Während der Trockenzeit steht sein Bett in der Hütte an einer bestimmten Stelle. Während der Regenzeit schiebt er es auf eine andere Stelle, weil an jener Stelle das Dach undicht ist. Eines Tages kommt der Abt und bemerkt das. Er fragt den Mönch: "Ist dir noch nie eingefallen, du könntest das Dach reparieren oder für eine Reparatur um Hilfe bitten?"
Ich fragte einen Möch, warum er bei verschiedenen Arbeiten nicht mitmachen wollte: "Weil ich kein Interesse an guten Werken habe." Er will nicht in den Himmel kommen, sondern Nirvāna erreichen. Das sind Einstellungen, die das Klischee bestätigen, Buddhisten seien weltflüchtig und der Welt gegenüber gleichgültig.[zurück]

2

Gemäß der Kommentar-Literatur des Pāli-Kanons muss jemand, der z.B. als Mönch von Almosen lebt und sich nicht bemüht, die Qualitäten eines Buddha-Schülers zu entwickeln, das Empfangene sozusagen im nächsten Leben wieder zurückzahlen. Er stirbt als Schuldner. Manchmal sind Menschen opportunistisch und nutzen die Güte anderer aus.[zurück]

 

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