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Schon
wieder Mettā
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Ein Vortrag von Santuṭṭho Bhikkhu ein älterer Vortrag, am 20. September 2022 etwas aufgefrischt |
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Um Mettā
wird so oft drum 'rum geredet, Kleines Wörtchen, große Wirkung! Aber eben nur, wenn man weiß, was das ist und wie man es verwendet bzw. wozu das gut ist. Das ist wie bei einem guten Werkzeug: wenn man nicht weiß, wofür es verwendet werden kann, wenn man nicht weiß, wie man es benutzt, wenn man nicht weiß, wie es funktioniert, dann kommt nicht das dabei heraus, was sich der Erfinder dabei gedacht hat. Welchen Sinn haben zwei gekreuzte Schraubenschlüssel an der Tür zum Hobbyraum? Wie bei anderen Vorträgen auch, folgt hier erst einmal die Analyse des Begriffes. Also: Was ist Mettā? Das Wort Mettā wird zumeist mit "liebende Güte" übersetzt. Da hat jemand schon mal ein Attribut hinzu gefügt, das im Original gar nicht da ist. "Güte" genügt vollauf. Aber Mettā bedeutet einfach nur Freundlichkeit. Ganz simpel, ganz nüchtern. Man kann durchaus auch mit "Wohlwollen" als auch "Güte" übersetzen, das ergibt auch Sinn. All die schwülstigen Begriffe, diese geistigen Aufschäumungen sind meist abwegig und dem realistischen Verständnis, einer direkten Nachvollziehbarkeit abträglich. "Allumfassende liebende Güte" - was für ein Wortungetüm. Schön viel Raum für Spekulation und Missinterpretation. Das einfache Wort Freundlichkeit (bzw. Wohlwollen) geht viel weiter, deckt ein breiteres Spektrum ab, und zwar OHNE Raum für abartige Ideen zu geben. Diese in diversen Kreisen oft hörbare Überbewertung von Mettā und damit verbundene Missinterpretation lässt den gesunden Menschenverstand, also das, was man dringend braucht, um realistisch zu sein, in einem Nebel esoterischem Wir-haben-uns-ja-alle-so-lieb-Geschwätz verschwinden. Der Geist wird getrübt und nicht geschärft, letzteres ist es aber, was doch eigentlich der Buddha lehrte. Ist es nicht besser, "die Dinge so zu sehen wie sie sind" - was nichts anderes bedeutet, als realistisch zu sein? Unter dem Deckmantel missinterpretiertem Mettā passieren die tollsten Sachen. Da wird toleriert, was übel ist, da wird verschwiegen, was übel ist, da wird verheimlicht, was übel ist. Nicht dass es darum geht, Übles aufzudecken, aufzuschäumen, zu verbreiten, nein es geht darum, den selbst gemachten Schleier, genannt Nicht-wahr-haben-wollen bzw. Schönfärberei, was nichts anderes ist als eine Form der Unwissenheit, zu zerreißen.Und wer das tut, der begibt sich auf gefährliche Wege. Das ist genauso wie bei einem, der anfängt zu lesen - er gefährdet die Dummheit. Und was wir hier gerade tun, das nennt man Dhammavijaya, also Lehrergründung. Das ist einer der sieben Faktoren, die man entwickeln sollte, wenn man denn Interesse hat, das Erwachen zu erlangen. Womit wir zurück zum Thema kommen. Kann man Mettā als förderlich für die Erleuchtung betrachten, oder ist das nicht vielmehr ein Hemmnis? Ständig soll man freundlich sein. Alle muss man anlächeln. Bloß kein falsches Wort, es könnte jemanden verletzen! Und Kritik schon mal gleich gar nicht! Kritik ist, sogar wenn sie konstruktiv ist, das Schreckgespenst in den meisten buddhistischen Kreisen geworden. Wer kritisiert, wird fast automatisch als Übler "Freund" gebrandmarkt. Kritische Worte fallen unter das für die Theravādin typische Verständnis von "übler Rede" (musāvāda). Dabei ist die konstruktive Kritik, wie das Wort ja schon sagt, etwas Aufbauendes, Heilsames, gut Gemeintes. Der Kritiker ist hier kaum zu verurteilen - eher diejenigen, die Kritik verabscheuen. Ein realistisch denkender Buddhist wird vor Kritik kaum zurückschrecken, denn sein Verständnis von Mettā und Karuṇā, also Güte und Mitempfinden, eigentlich seine gesamte Art, lassen für Stolz und Dünkel keinen Spielraum, sodass der Groll, entstanden aus durch Kritik verletzter Eitelkeit oder Besserwisserei keinen Nährboden finden möge. Mettā, so viel wie es auch wert sei, so hoch es auch geschätzt wird, ist KEIN Teil der zur Erlangung geistiger Befreiung, kurz "Erwachen" genannten Dinge (bojjhaṅga). Aber es schadet nicht. Ganz im Gegenteil! Eine wohlwollende Geisteshaltung, vor allem sich selber gegenüber, ist der Entfaltung der Erwachensfaktoren äußerst dienlich. Nicht umsonst gibt es jene Lehrrede in AN XI,15, worin elf Vorteile genannt werden, die einem zukommen, wenn man sich darin übt. Mettā als Multiplikator, könnte man sagen. Wer Mettā tatsächlich begriffen hat, der wird das auch in die TAT umsetzen, ganz freiwillig, ganz natürlich. Textbeispiele
findet man in Das berühmte
Metta-Sutta hingegen findet man in Suttanipāta I,8 und in Khuddaka-Pāṭha
9. Wie wertvoll
Güte ist bzw. die Praxis des Übens von Güte, wird in
Itivuttaka 27 deutlich gemacht: Wie kann man Mettā praktizieren, wenn man dem "Ur-Sutta" nicht vertraut? Textbeispiel in SN 46,54: Der Asket
Gotama zeigt seinen Jüngern so die Lehre: "Kommt, ihr Mönche,
überwindet die fünf Hemmungen, die Trübungen des Gemütes,
die die Weisheit schwächen und verweilt mit liebevollem, mit
erbarmendem, mit mitfreudigem, mit gleichmütigem Gemüt eine
Richtung durchstrahlend, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten,
dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall
in allem sich Wiedererkennend, durchstrahlt die ganze Welt mit liebevollem,
mit erbarmendem, mit mitfreudigem, mit gleichmütigem Gemüte,
mit weitem, großartigem, unermesslichem, ohne Feindschaft und
Bedrängen." Was ist nun, die Besonderheit, was die Zielsetzung,
was die Verschiedenheit zwischen dem Asketen Gotama und uns hinsichtlich
Lehrdarlegung und Unterweisung? Bereits
früher wurde darauf hingewiesen, dass Mettā Freundlichkeit
bedeutet, da steckt das Wort Freude drin. Und die sprituelle/erhebende
Freude, also die einem im Inneren aufsteigt, die ist definitiv eines
der Sieben Dinge, die zur Erleuchtung führen. Spüren wir
mal in uns nach. Ganz im Sinne vom Satipaṭṭhāna-Sutta
(MN 10). Ist da Freude? Wenn ja, wie kann ich diese erhalten/fördern?
Wenn nicht, was ist zu tun? Eine der bedeutsameren Lehrreden des Buddha zum Thema Liebe, die wichtige Folgen ihrer praktischen Anwendung beschreibt, ist das Desaka-Sutta. Darin sagt er: "Mönche, jemand, der sich selbst beschützt, beschützt auch andere und wer andere beschützt, beschützt sich selbst. Wie aber beschützt man sich selbst, indem man andere beschützt? Durch regelmäßig praktizierte Meditation. Und wie beschützt der, der andere beschützt, sich selbst? Durch Geduld, Friedfertigkeit, Liebe und Fürsorge" (SN. V,47,19). Wenn es je eine Aussage des Buddha gab, die es wert ist, sorgfältig durchdacht zu werden, die so eindeutig auf die Auswirkungen hinweist, die es zu erforschen und anzuwenden gilt, dann ist es sicherlich diese. In seinem Kommentar zu diesem Sutta versteht Buddhaghosa jedoch die Redewendung "andere beschützen" nur als das Erreichen der ersten drei Jhānas für einen selbst. Darüber hinaus hat er nichts weiter zu sagen. Der beste Weg für Mönche, um Liebe durch Aktivität auszudrücken, ist Buddhaghosas Meinung nach, den Vinaya-Regeln akribisch zu folgen. Nach 2000jähriger Beschäftigung mit den Worten Buddhas, ihrer Kontemplation, ihrer Analyse und ihrem sorgfältigen Durchdenken, ist das das Beste, was der Theravāda zustande gebracht hat. In der Tat zeichnet dies ein bedauerliches Bild und hat viel dazu beigetragen, dass echte Liebe und echtes Mitgefühl für den Theravāda so uncharakteristisch sind. Korrekterweise beschreibt Nyānaponika das Desaka-Sutta als "wie ein vergrabener Schatz versteckt, unbekannt und ungenutzt." Jener Bhikkhu fährt dann fort, dass man in den Kommentaren über tausende von Seiten hinweg nichts konkretes findet, ja dass nicht einmal implizit etwas dazu angedeutet würde. Statt dessen gäbe es lange Definitionen von Mettā und Karuṇā, komplexe Diskussionen darüber, welche Stufen der Jhānā (meditative Vertiefungsstadien) diese ermöglichen und detaillierte Instruktionen über die richtige Praxis der Mettā-Meditation. Es gäbe zahlreiche Verweise darauf, wie man Mönche richtig bedient, ihnen Nahrung bringt, sie richtig verehrt und natürlich gibt es erbauliche Geschichten über Laien-Nachfolger, die ihre Kinder als Sklaven verkauften, um von dem Erlös Geschenke für die Mönche zu kaufen. Aber man könne an keiner Stelle in den mehr als 4000 Seiten der Kommentar-Literatur des Theravāda etwas über Gastfreundschaft gegenüber Fremden, Essenspenden an Hungrige, den Schutz von Witwen und Waisen, die Pflege von Kranken, das Trösten von Trauernden usw. finden, welches als Beispiel für Liebe, Mitgefühl oder Freundlichkeit dienen könnte. Und genau hier irrt er sich. Auch in den Lehrreden gibt es etliche Passagen, in denen Laien als auch Ordinierte Verdienst wirken, d.h. verdienstliche Handlungen ausführen, in denen sie an das Wohl anderer denken. Insofern muss man ihm aber Recht geben, dass man in den meisten Büchern über die Praxis der Entfaltung liebevoller Freundlichkeit, die in der Theravāda-Gemeinschaft zirkulieren, selten etwas findet, das über das Ausstrahlen von freundlichen Gedanken oder Wünschen hinaus geht. Kaum eines beschreibt Mettā positiv als eine Kraft zum Guten, sondern fast immer nur negativ, als Gegenmittel zum Hass. Fast alle beziehen sich auf die übliche Standardliste der 11 Vorteile, die der Meditierende hat, wenn er Mettā-Bhāvanā praktiziert. Keines von ihnen thematisiert die Vorteile, die andere davon haben, wenn man sich ihnen gegenüber liebevoll und freundlich verhält, was ja die eigentliche Bedeutung von Mettā ist. Auf dem Klappentext auf der Rückseite dieses Buches vom Ehrw. Visuddhacara steht ein Zitat von Henry Van Dyke: "Lieben heißt Geben und nicht Nehmen." Liebe ist bestimmt mehr als nur Geben, aber die meisten Menschen würden zustimmen, dass Geben ein wichtiger Aspekt der Liebe ist. Jemandem seine Zeit opfern, Materielles schenken, jemandem helfen, ihm eine Schulter zum Weinen bieten usw., all das kann Ausdruck eines liebevollen Herzens sein. Jedoch versäumt Visuddhacara es, in seinem Buch über das Geben von liebevollen Gedanken hinaus weitere Möglichkeiten des Gebens oder Teilens zu erwähnen. Und wie bei allen anderen Publikationen, gibt es auch in diesem Buch ein Kapitel, wo alle Vorteile genannt werden, die man durch die Praxis von Mettā erhält, ohne zu erwähnen, dass man auch Vorteile geben kann, wenn man Mettā praktiziert. Der deutsche Theologe Albert Schweizer kritisierte am Buddhismus, dass er lediglich "Gedankenmitgefühl" lehrt, und soweit es den Theravāda betrifft, kann man dem nur schwer widersprechen. Der englische Mahāyāna-Buddhist Sangharakshita sagt korrekt: "Die traurige Wahrheit ist, dass es weit weniger unangenehm ist, für eine blutleere Abstraktion wie 'Menschlichkeit' in Verzückungen von Liebe und Bewunderung zu schwelgen, als dass man für einen Moment aufrichtig und selbstlos auch nur ein einzelnes unvollkommenes menschliches Wesen liebt Das soll nicht als generelle Verurteilung der Kontemplation von abstrakten Ideen verstanden werden, sei es Liebe oder Mitgefühl oder irgend eine andere Idee, wie sie in bestimmten Meditationsformen vorkommen kann. Wir möchten hier nur betonen, dass eine solche Kontemplation kein Selbstzweck sein darf, sondern nur als Mittel zum Zweck verstanden werden muss, als ein Hilfsmittel, das uns befähigt, unsere Mitmenschen wahrhaftiger zu lieben, als wir das ohne dieses Mittel getan hätten." So viel dazu aus einem Text von einem recht bekannten Bhikkhu. Nur allzu gern hätte ich dieses Buch benutzt, um da direkt meine eigenen Überlegungen zwischen die Zeilen zu krakeln. Denn auch in den sogenannten "schlechten" Büchern können durchaus auch gute Gedanken zu finden sein. In einem früheren Vortrag habe ich auf ein damals aktuelles Buch verwiesen und kritisiert, dass es dort nur um das Wünschen von "Liebe" ginge, was ja eindeutig nicht Sinn und Zweck von Mettā ist, aber leider gängige Praxis. Hier also nochmals die analytische Vorgehensweise, d.h. "Lehrergründung": Dass es
nicht nur eine Lehrrede namens Mettā-Sutta gibt, wurde bereits
erwähnt. Um die ursprünglichste Lehrrede nicht mit anderen
Sutten zu verwechseln, in denen Mettā ebenfalls Thema
ist, wird sie "Karaṇīya-Mettā-Sutta" genannt.
Es wird also das Anfangswort hinzu gefügt. Hier ergibt sich dann
auch gleich der erste gravierende Fehler, sowohl bei Rezitation als
auch beim Verständnis. Die erste Zeile lautet wie folgt: Beim Rezitieren hört man manchmal von denen, die gar nicht wissen, was sie da rezitieren: "Karania-mettakusalene", etwas, was gar keinen Sinn ergibt. Karaṇīyaṃ bedeutet "zu tun", "Aufgabe, Pflicht", "dies sollte getan werden". Und attha-kusalena bedeutet, wenn wie in diesem Fall mit dem Instrumental versehen, "Bedarf an" oder "Wunsch nach".Es geht nicht darum, ein Pāli-Experte zu sein. Es soll nur verdeutlicht werden, dass man nicht studiert haben muss, um das, was der Buddha lehrte, zu verstehen. Es muss und soll aufgezeigt werden, dass man sich freiwillig ein wenig mit den Grundlagen der buddhistischen Lehre, dem Dhamma, beschäftigen sollte, um zu verstehen, um Irrtum zu vermeiden, um sammā-diṭṭhi zu erlangen, d.i. Rechte Ansicht. Und das ist ja schließlich die Grundvoraussetzung für die Entfaltung des sog. Edlen Achtfachen Pfades. Demnach soll man nicht als Konsument nur alles in sich hinein stopfen, sondern dies auch verdauen können. Also: die erste Zeile lautet wortgetreu übersetzt: Dies ist zu tun von denen, die Heilsames wünschen, die vollständig den Frieden verstanden haben. Tja. Auch das lässt Unverständnis aufkommen. Kein Wunder, ist doch das Wort Frieden schon so oft missbraucht worden. In dieser ersten Strophe wird ganz klar gesagt, für WEN diese Lehrrede gedacht ist. Nämlich für jene, die Heilsames wünschen, für jene, die verstanden haben, was Frieden tatsächlich ist. Das ergibt Sinn, das ist auch logisch nachvollziehbar. Selbstverständlich können wir nicht einen Alleinvertretungsanspruch erheben, was Mettā betrifft. In den nur zehn Versen des Mettā-Sutta wird ganz klar und deutlich gesagt: 1. Wer
sollte (Vers 1, Zeilen 1 und 2), Man findet
15 Eigenschaften, Fähigkeiten, mit denen der Mettā-Übende
ausgestattet sein sollte: Wie und/oder was sollte da praktiziert werden? Wie, bedeutet gegenüber wem, also gegenüber den genannten Wesen, und was bedeutet, eine Gesinnung hegen. Die Wesen: Die Gesinnung: Wie sieht
aber eine solche Gesinnung aus, was ist zu tun dafür? Wie sollte
man dies tun? In welchem
Maß? Zusammengefasst: II.) frei
von Hass, Herzensenge und jeglicher Feindschaft, III.) und zwar unbehindert, uneingeschränkt (asambādhaṃ), IV.) wann immer man von Schlaffheit (midha) frei ist. Midha ist übrigens zusammen mit thīna eines der fünf Hindernisse (pañca-nīvaraṇa). V.) Und
außerdem in jeder der vier Körperhaltungen: I.) Schon jetzt gilt diese Praxis als "göttliches" Verweilen (brahmam-vihāraṃ). Wobei allerdings göttlich nicht mit dem christlichen Gottesbegriff gleich zu setzen ist. Brahma-vihāra bedeutet genauer gesagt, weilen auf einem Niveau wie ein Brahmane, ein (indischer) Heiliger, bzw. wie der Weltschöpfer nach der indischen Mythologie. II.) Ist
man also mittels dieser Praxis: Der Ehrwürdige
Ñāṇapoṇika schrieb: Hier nochmals
und abschließend also jene Aufforderung: "mögen
alle Wesen glücklich sein".
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