HOME

Vollkommenheit anstreben bzw. entwickeln
oder lieber erstmal kleine Brötchen backen?

 

Ein Vortrag von

Santuṭṭho Bhikkhu

Auszug vom September-Seminar 2022

Der Buddha
Victoria & Albert-Museum, London

 

Die Vollkommenheiten - pāramī

Bhikkhu Bodhi schreibt als Erklärung zu diesem Wort, dass die "Erfordernisse der Erleuchtung" die Pāramī selber sind. Das Wort pāramī ist von parama, "höchst" abgeleitet, und unterstellt so die herausragenden Qualitäten, die durch einen Bodhisattva auf dem langen Weg seiner spirituellen Entwicklung erfüllt werden müssen. Aber das verwandte pāramitā, das Wort, das in den Mahāyāna-Texten bevorzugt und auch von Pāli-Schriftstellern gebraucht wird, erklärt man manchmal als pāram+ita, "zum Jenseitigen gegangen", und zeigt dadurch die transzendentale Richtung dieser Eigenschaften auf. Die Liste der Pāramī in der Pāli-Tradition ist etwas anders als die der eher bekannten Liste, die in Sanskrit-Werken gegeben wird, die vermutlich dem Mahāyāna vorhergehen und ein fertiges Set von Kategorien für deren Gebrauch zur Verfügung stellen. In Abschnitt XII des Cariya-Piṭaka wird gezeigt, dass die zwei Listen in Beziehung gesetzt werden können, und dass die Übereinstimmung einer Anzahl Punkte zu einem zentralen Kern bereits gebildet wurde, bevor die zwei Traditionen ihre getrennten Wege gingen. Die sechs Pāramī der Sanskrit-Überlieferung sind: Geben, Tugend, Geduld, Tatkraft, Meditation und Weisheit. Spätere Mahāyāna-Texte fügten vier weitere hinzu: Entschlossenheit, geschickte Mittel, Macht und Erkenntnis, um mit einer eins-zu-eins Basis der Liste der Vollkommenheiten den Aussagen der zehn Stufen des Aufsteigens eines Bodhisattva zur Buddhaschaft zu entsprechen. Die Pāli-Werke, einschließlich derer, die vor dem Aufkommen des Mahāyāna zusammengestellt wurden, geben eine abweichende, dennoch teilweise überlappende Liste der zehn: Geben, Tugend, Zurückgezogenheit, Weisheit, Tatkraft, Geduld, Wahrhaftigkeit, Entschlossenheit, liebende Güte und Gleichmut. Anders als das Mahāyāna, entwickelten die Theravādin niemals eine Theorie von Stufen, das kann jedoch indirekt mit dem Einteilen der Pāramī in drei Stufen verbunden sein: als grundlegend, fortgeschritten und letztendlich, wie es dann in Abschnitt XI beschrieben wird.

Und ein paar Seiten später steht dann, dass angemerkt werden sollte, dass in der etablierten Theravāda-Tradition die Pāramī nicht als eine Disziplin betrachtet werden, die allein für Anwärter der Buddhaschaft eigentümlich sind, sondern als Praktiken, die von allen Anwärtern auf Erleuchtung und Befreiung erfüllt werden müssen, entweder als Buddhas, Paccekabuddhas oder Schüler. Was den erhabenen Bodhisattva von den Anwärtern in den anderen zwei Fahrzeugen unterscheidet, ist der Grad, zu dem die Pāramī kultiviert sein müssen und die Länge der Zeit, die sie befolgt müssen. Aber die Eigenschaften selber sind universale Erfordernisse für die Befreiung, die alle vollendet werden müssen, mindestens bis zu einem minimalen Grad, um die Früchte des befreienden Pfades zu verdienen.

Was sind nun "Pāramī"? In Cp steht dazu: "Die Pāramī sind die edlen Qualitäten, wie das Geben usw., begleitet von Mitgefühl und geschickten Mitteln, sowie unbefleckt sein von Begehren, Einbildung und Ansichten."

Und gleich im zweiten Absatz wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um Erfordernisse handeln kann, die man zwingend als "normaler" Anhänger der Buddhalehre entwickeln muss, um aus dem Saṃsāra herauszukommen, sondern dass es jene Eigenschaften bzw. Qualitäten sind, die man als Bodhisattva, hier im Sinne eines "Erlösungshelfers" zu entwickeln hat. Da steht nämlich:

"Die Bodhisattvas, die großen Wesen, sind übergeordnet, denn sie sind die Höchsten der Wesen, aufgrund deren hervorragenden Qualitäten, wie das Geben, Tugend usw. Die Pāramī - die Aktivitäten des Gebens usw. - sind deren Charakter oder deren Verhalten. Oder anders: er übertrifft, daher ist er übergeordnet. Der Bodhisattva ist der Vollender und der Beschützer der edlen Qualitäten, wie das Geben usw.; dem, was zum Höchsten gehört - der Charakter oder das Verhalten von jemandem, der übergeordnet ist (d.h. von einem Bodhisattva) - ist ein P?ram?, d.h. die Aktivitäten des Gebens usw."

Bhikkhu Bodhi erklärt dazu in seinem Vorwort zum Cp:
"So wie es in den vier Hauptsammlungen des Sutta-Piṭaka dargestellt wird, lag das Hauptaugenmerk des Buddhismus in seiner frühesten Phase auf dem Erlangen des Nibbāna durch die Praxis des Edlen Achtfachen Pfades. In jenen Sammlungen lehrte der Buddha seine Grundsätze als einen direkten Weg zur Befreiung, und vielleicht ist kein Merkmal der Darstellung so treffend, wie die Dringlichkeit, mit der er seine Schüler ermahnt, ihre spirituelle Arbeit durch das Erreichen des letztendlichen Zieles zur Vollendung zu bringen. Gerade wie ein Mann entdeckt, dass sein Turban in Flammen steht, und sofort versucht, sie auszulöschen, so sollte der ernsthafte Schüler danach streben, die Flammen des Begehrens auszulöschen, um den Zustand der Sicherheit zu erreichen, den vollkommenen Frieden des Nibbāna.

Die ältesten Suttas erwähnen jedoch bereits drei Arten von Individuen, die den vollkommenen Zustand erlangen: ein sammāsambuddha oder perfekt erleuchteter Buddha, der das Ziel ohne die Hilfe eines Lehrers realisiert und der den Dhamma anderen lehrt, was ein System begründet (sāsana); ein Paccekabuddha oder Einzelerleuchteter, der ungeholfen Realisation erreicht, aber kein System errichtet; und ein Anhänger-Arahat, der das Ziel durch die Belehrung eines höchsten Buddha realisiert und der dann andere entsprechend seiner Neigung und Fähigkeit belehrt. Im Verlauf der Zeit, gut möglich wegen des Niedergangs des Praktizierens und der wachsenden Seltenheit höherer Erreichungen, kamen diese drei Arten dazu, als die drei alternativen Ideale betrachtet zu werden, zu denen ein Schüler in der Hoffnung auf einige zukünftige Erreichungen streben konnte. Alle waren in ihrer Realisation des Nibbāna identisch, aber einzeln betrachtet, standen sie für einen bestimmten Aspekt der erleuchteten Persönlichkeit. Und um ein bestimmtes Yāna vorauszusetzen, ein "Fahrzeug" oder spirituelle Karriere, führte zu seiner Erneuerung. Für den Theravāda, der eher konservativen alten Schule, lag die Betonung immer auf dem Ideal, wie es in den Pāli-Suttas beschrieben ist, der Erlangung von Arahatschaft durch Befolgen der Anweisungen des historischen Buddha; die anderen Ideale blieben im Hintergrund, zwar anerkannt aber nicht besonders beachtet. Andere frühe Schulen, wie die Sarvāstivāda und die Mahāsaṅghika, schenkten jedoch, während sie den Vorrang des Weges eines Schülers und das Arahat-Ideal aufrecht erhielten, auch den anderen Idealen als mögliche Ziele Beachtung, für Individuen, die geneigt waren, sie zu verfolgen. So gelangten sie dazu, die Lehre von den drei Yānas oder Fahrzeugen zur Befreiung anzunehmen, alle gültig, aber drastisch abgestuft in deren Schwierigkeit und Zugänglichkeit.

Innerhalb all der frühen Schulen versuchten Denker und Poeten gleichermaßen die Hintergrundgeschichte der drei erleuchteten Personen zu füllen, sie stellten Geschichten ihrer vergangenen Leben zusammen, in denen jene die Grundlagen für ihre zukünftigen Erreichungen legten. Da es jedoch die Figur des Buddha als Gründer der Befreiungslehre war, dem größte Ehrfurcht und Verehrung zusteht, begann allmählich eine Literatur zu entstehen, die die Evolution eines Bodhisattva oder "werdenden Buddha" auf dem beschwerlichen Weg seiner Entwicklung schilderte. Auf diese Weise bekam die Figur des Bodhisattva, dem Anwärter auf Buddhaschaft, einen wachsenden herausragenden Platz im allgemeinen buddhistischen religiösen Leben zu beanspruchen. Der Gipfel dieser Neuerungen war ungefähr im 1. Jh. v.u.Z. die Erscheinung des Mahāyāna, das selbst-entworfene "Große Fahrzeug", das behauptete, dass von den drei Fahrzeugen zur Erleuchtung, das Bodhisattva-Fahrzeug das allein ultimative sei, die anderen zwei nur Hilfsmittel sind, die der Buddha erdacht hat, um seine weniger fähigen Schüler zur vollen Buddhaschaft zu leiten, was sie für das einzig gültige spirituelle Ideal hielten.

Durch seine konservative Neigung und relativen Isolierung von den anderen Schulen schaffte es der Theravāda, den metamorphoseartigen Veränderungen zu widerstehen, die woanders in der buddhistischen Welt aufkamen, er bewahrte die Lehren, wie sie auf den frühen Konzilen zusammengestellt waren, ohne grundlegende Änderungen von deren lehrgemäßen Rahmenwerk. Nichtsdestoweniger, ab einer Zeit, die sogar dem Aufkommen des Mahāyāna vorausging, begann auch in dieser Schule die Figur des Bodhisattva in beides vorzustoßen, in seine Literatur und spirituelle Atmosphäre."

Nach diesem langen aber sicherlich hilfreichen Zitat aus dem Cp wird klar, dass die Idee der Vollkommenheiten nicht in den Urtexten erscheint, sondern eine spätere Entwicklung ist. Aber deshalb ist sie nicht gleich als A-Dhamma (eine Falschlehre) zu verwerfen. Man kann hier die "Entscheidungshilfe" aus AN IV,180 bemühen, worin steht, dass man, wenn da ein/e Ordinierte/r, die Gemeinde etwas sagt, das mit dem vergleichen möge, was der Buddha in Sutta und Vinaya, d.h. in seinen Lehrreden und im Regelwerk gelehrt hat. Daran könne man erkennen, ob es richtig ist. Aber was ist lehrgemäß? Man kann sich die Sache mit den Pāramī vielleicht als Teil vom "karmischen Konto" vorstellen. Es sind Auswirkungen als Charaktereigenschaft, als Neigung, als Tendenz bis hin zu Talent. Und die entwickelt man eben im Laufe der Zeit bzw. während des Aufenthaltes im Saṃsāra, wobei diese von Existenz zu Existenz "vererbt", entwickelt, verändert, vervollständigt - vervollkommnet werden. Bildhaft könnte man sich vorstellen, dass die Pāramī als Hilfe zur Verbesserung der Ladung (+) der karmischen "Batterie" funktionieren.

Woran erkennt man jene Vollkommenheiten? Das wird in Cp wie folgt erklärt: "Alle Pāramī haben ausnahmslos als ihre Eigenschaft die Bevorteilung der anderen; als ihre Funktion die Darstellung des Helfens der anderen oder nicht unentschlossen sein; als ihre Manifestation den Wunsch nach Wohlergehen der anderen oder die Buddhaschaft; und als ihre unmittelbare Ursache, großes Mitgefühl oder Mitgefühl und geschickte Mittel."

 

Wieviele gibt es eigentlich?

Im Cp wird auf eine Antwort des Buddha an Sāriputta verwiesen, die sich aber nicht im Kanon als solche finden lässt.

"Wieviele Eigenschaften gibt es, o Herr, die die Buddhaschaft ausmachen?" - "Da sind, S?riputta, zehn Eigenschaften, die die Buddhaschaft ausmachen. Welche zehn? Geben, S?riputta, ist eine Eigenschaft, die die Buddhaschaft ausmacht. Tugend, Zurückgezogenheit, Weisheit, Tatkraft, Geduld, Wahrhaftigkeit, Entschlossenheit, liebende Güte und Gleichmut sind Eigenschaften, die die Buddhaschaft ausmachen."

Das heißt, es gibt zehn. Aber manchmal werden auch nur sechs genannt, manchmal wird auch von 30 Pāramī gesprochen, wobei jede der zehn verdreifacht wird, was eine typisch kommentarielle Entwicklung ist, siehe Bv-a + Ja-Nid. So ist z.B. im Fall von Gebefreudigkeit (dāna) die Dāna-pāramī, wenn man seine Gliedmaßen hergibt; dāna-upapāramī, wenn man die äußerlichen Dinge weggibt und Dāna-pāramatthapāramī, wenn man sein eigenes Leben gibt. Das zuletzt Genannte ist selbstverständlich das Höchste.

Welche Vollkommenheiten werden im (späteren) Theravāda aufgezählt? Geben (dāna), mitunter auch Freigebigkeit (cāga), Tugend (sīla), Zurückgezogenheit (nekkhamma), Weisheit (paññā), Tatkraft (viriya), Geduld (khantī), Wahrhaftigkeit (sacca), Entschlossenheit (adhi??hāna), Güte bzw. Wohlwollen (mettā) und Gleichmut (upekkhā).

Die Sortierung erfolgt nach "Einfachheit". In Cp wird die "Reihenfolge" auf zweierlei Weise erklärt:

Hier meint "Reihenfolge" die Abfolge der Belehrung. Diese Reihenfolge wurzelt in der Anordnung, in der die Pāramī anfänglich unternommen wurden, was wiederum in der Anordnung wurzelt, in der sie untersucht werden. [Eine Anspielung auf die erste Stufe in der aktiven Laufbahn eines Bodhisattva. Nachdem der Bodhisattva seine ursprüngliche Bestrebung zu Füßen eines lebenden Buddhas geäußert hat, und von letzterem die Voraussage seiner Erreichung der Buddhaschaft in dessen Zukunft erhalten hat, geht er in die Einsamkeit und untersucht die einzelnen Pāramī in Bezug auf ihre spezifischen Eigenschaften. Der Untersuchung folgend, beginnt er mit deren Ausführung. Siehe Buddhavaṃsa II, vv.116-66.] Die Eigenschaft, welche untersucht wird und dann anfänglich unternommen wird, die wird zuerst gelehrt. Deshalb wird das Geben zuerst erwähnt, dem Geben steht (die Entwicklung der) Tugend bei und ist einfach zu praktizieren. Das Geben in Begleitung von Tugend ist reichlich fruchtbringend und verdienstlich, deshalb wird die Tugend unmittelbar nach dem Geben erwähnt. Die Tugend begleitet von Zurückgezogenheit ... die Zurückgezogenheit begleitet von Weisheit ... die Weisheit begleitet von Tatkraft ... die Tatkraft begleitet von Geduld ... die Geduld begleitet von Wahrhaftigkeit ... die Wahrhaftigkeit begleitet von Entschlossenheit ... die Entschlossenheit begleitet von liebender Güte ... und die liebende Güte begleitet von Gleichmut ist reichlich fruchtbringend und verdienstlich; deshalb wird Gleichmut unmittelbar nach liebender Güte erwähnt. Gleichmut wird begleitet von Mitgefühl und Mitgefühl von Gleichmut.

Eine andere Methode des Erklärens der Reihenfolge ist:

1. Geben wird am Anfang erwähnt: (a) weil das unter allen Wesen üblich ist, sogar die einfachen Leute praktizieren das Geben; (b) weil es das am meisten Fruchtbringende ist; und (c) weil es am einfachsten zu praktizieren ist.

2. Tugend wird unmittelbar nach dem Geben erwähnt: (a) weil die Tugend beide läutert, den Geber und den Empfangenden; (b) um das zu zeigen, während das Geben anderen nützt, verhindert die Tugend die Kümmernisse der anderen; (c) um auf diese Weise einen Faktor des Enthaltens zu nennen, der unmittelbar nach einem Faktor von positivem Handeln folgt; und (d) um auf diese Weise die Ursache für das Erreichen eines günstigen Zustandes in einer zukünftigen Existenz zu zeigen, gleich nach der Ursache für das Erlangen von Reichtum. [Die Praxis des Gebens bringt als seine karmische Vergeltung das Erlangen von Wohlstand, die Einhaltung der Vorschriften die Erreichung einer glücklichen Wiedergeburt entweder in den Himmeln oder in der Menschenwelt.]

3. Zurückgezogenheit wird unmittelbar nach der Tugend erwähnt: (a) weil die Zurückgezogenheit die Erreichung der Tugend vervollkommnet; (b) um auf diese Weise gutes geistiges Verhalten unmittelbar nach gutem körperlichen und sprachlichem Verhalten aufzulisten; (c) weil Meditation (jhāna) für einen, der seine Tugend geläutert hat, einfach zu erreichen ist; (d) um auf diese Weise aufzuzeigen, dass die Läuterung von jemandes Ende (āsaya) durch das Aufgeben der offensiven geistigen Befleckungen der Läuterung von jemandes Absichten (payoga) durch das Aufgeben der offensiven Handlungen folgt; und (e) um das Aufgeben der geistigen Besessenheiten unmittelbar nach dem Aufgeben von körperlichen und sprachlichen Übertretungen zu nennen. [Tugend als das Einhalten der Vorschriften verhindert die Übertretung der moralischen Prinzipien durch Körper und Sprache. Zurückgezogenheit als geistige Läuterung entfernt die Besessenheit des Geistes mit unheilsamen Eigenschaften.]

4. Weisheit wird unmittelbar nach der Zurückgezogenheit erwähnt: (a) weil die Zurückgezogenheit vervollkommnet und durch Weisheit geläutert ist; (b) um zu zeigen, dass es keine Weisheit in Abwesenheit von Meditation (jhāna) gibt, weil Konzentration die naheliegende Ursache von Weisheit ist und Weisheit die Manifestation von Konzentration; (c) um auf diese Weise die ursächliche Basis für den Gleichmut unmittelbar nach der ursächlichen Basis für Gelassenheit aufzulisten; und (d) um zu zeigen, dass geschickte Mittel beim Arbeiten für das Wohlergehen der anderen aus der Meditation entspringen, die auf deren Wohlergehen ausgerichtet ist.

5. Tatkraft wird unmittelbar nach der Weisheit erwähnt: (a) weil die Funktion der Weisheit durch das Aufkommen der Tatkraft vervollkommnet ist; (b) um die wunderbare Arbeit zu zeigen, die der Bodhisattva für das Wohlergehen der Wesen unternimmt, nachdem er die reflektive Einwilligung in deren Leerheit erreicht hat; (c) um die ursächliche Basis für Anstrengung gleich nach der Basis für den Gleichmut zu nennen; und (d) um das Aufkommen von Tatkraft gleich nach der Aktivität des umsichtigen Überlegens zu nennen, entsprechend der Aussage: "Die Handlungen derer, die umsichtig überlegten, bringen hervorragende Resultate."

6. Geduld wird unmittelbar nach der Tatkraft erwähnt: (a) weil die Geduld durch Tatkraft vervollkommnet ist, wie gesagt wird: "Der energetische Mann überwindet das durch Wesen und Umstände auferlegte Leiden durch das Hervorbringen seiner Tatkraft"; (b) weil Geduld eine Verschönerung der Tatkraft ist, wie gesagt wird: "Die Geduld eines energetischen Mannes strahlt mit Pracht"; (c) um auf diese Weise die ursächliche Basis für Gelassenheit unmittelbar nach der Basis für Anstrengung zu nennen, und dass Rastlosigkeit wegen exzessiver Aktivitäten durch reflektives Einlassen in den Dhamma* überwunden wird; (d) um auf diese Weise die Ausdauer eines Mannes mit Tatkraft zu zeigen, da jemand, der geduldig und frei von Rastlosigkeit ist, in seiner Arbeit nicht aufgibt; (e) um auf diese Weise die Abwesenheit des Begehrens nach Anerkennung eines Bodhisattvas zu zeigen, der eifrig in Aktivitäten für das Wohlergehen der anderen bemüht ist, für solch einen gibt es kein Begehren, wenn er in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit den Dhamma überdenkt; und (f) um zu zeigen, dass der Bodhisattva das Leiden geduldig ertragen muss, dass durch andere bewirkt wird, sogar wenn er bis zum Äußersten für deren Wohlergehen arbeitet.
*Dhammanijjhānakkhanti. Das Wort khanti wird normalerweise benutzt, um Geduld im Sinne von Nachsicht auf die Schlechtigkeiten anderer zu meinen und das Erdulden von Härten, aber manchmal wird es auch benutzt, um die intellektuelle Akzeptanz von Lehrmeinungen zu bezeichnen, die jetzt noch nicht vollständig dem Verständnis klar geworden sind. Die Zusammensetzung dhammanijjhānakkhanti scheint einen Zustand im Wachstum der Weisheit anzuzeigen, wobei der Geist intellektuelle Prinzipien akzeptiert, denen anfänglich im Glauben zugestimmt wird, ohne sie bis dahin durch unmittelbare Einsicht voll erfasst zu haben.

7. Wahrhaftigkeit wird unmittelbar nach der Geduld erwähnt: (a) weil der Entschluss Geduld zu üben durch Wahrhaftigkeit lange anhält; (b) zuerst wurde das geduldige Ertragen des Üblen erwähnt, das andere zufügten, um als Nächstes die Treue zu den eigenen Worten zu erwähnen, um ihm zu helfen; (c) um auf diese Weise zu zeigen, dass ein Bodhisattva, der durch Geduld im Angesicht von Beschimpfung nicht schwankt, durch wahrheitsgemäßes Sprechen (seinen Widersacher) nicht aufgibt; und (d) um die Wahrhaftigkeit der Erkenntnis zu zeigen, die durch reflektives Einlassen auf die Leerheit der Wesen entwickelt wurde.

8. Entschlossenheit wird unmittelbar nach der Wahrhaftigkeit erwähnt; (a) weil die Wahrhaftigkeit durch Entschlossenheit vervollkommnet wird, da das Enthalten (von Falschheit) in jemandem vollkommen wird, dessen Entschlossenheit unerschütterlich ist; (b) zuerst wurde das Nichtbetrügen beim Sprechen gezeigt, als Nächstes wurde die unerschütterliche Verpflichtung zum eigenen Wort für einen Bodhisattva gezeigt, der der Wahrheit ergeben ist, der fortfährt, seine Gelübde des Gebens usw. ohne zu wanken zu erfüllen; und (c) um gleich nach der Glaubwürdigkeit der Erkenntnis, die vollständige Ansammlung der Faktoren der Erleuchtung (bodhisambh?ra) zu zeigen; für einen, der die Dinge kennt, wie sie wirklich sind, der entschließt sich wegen der Faktoren der Erleuchtung und bringt diese zur Vollständigkeit durch Abweisen des Schwankens im Angesicht der Gegner. [Die Erfordernisse der Erleuchtung sind die Pāramī selber, geteilt in Zweiergruppen: Erfordernis des Verdienstes (puññasambhāra) und Erfordernis der Erkenntnis (ñāṇasambhāra).]

9. Liebende Güte wird unmittelbar nach der Entschlossenheit erwähnt: (a) weil die liebende Güte den Entschluss vervollkommnet, Aktionen zum Wohlergehen der anderen zu unternehmen; (b) um auf diese Weise die Arbeit des sofortigen Zurverfügungstehens für das Wohlergehen der anderen gleich nach dem Nennen des Entschlusses, es zu tun, aufzulisten, für "jemanden, der wegen der Faktoren der Erleuchtung entschlossen ist, der verweilt in liebender Güte"; und (c) weil das Unternehmen (von Aktivitäten für das Wohlergehen der anderen) nur zu Gelassenheit führt, wenn der Entschluss unerschütterlich ist.

10. Gleichmut wird unmittelbar nach der liebenden Güte erwähnt: (a) weil der Gleichmut die liebende Güte vervollkommnet; (b) um auf diese Weise die Gleichmütigkeit zu zeigen, die man gegenüber dem Üblen beibehalten muss, das durch andere zugefügt wurde, wenn man für deren Wohlergehen sorgen will; (c) die Entwicklung der liebenden Güte wurde erwähnt, um als Nächstes die Entwicklung der Qualität zu nennen, die sich dabei herausbildet; und (d) um die wunderbare Tugend des Bodhisattva zu zeigen, sogar denen gegenüber unparteilich zu verweilen, die ihm Gutes wünschen.

Dieses ausführliche Zitat aus dem Kommentar zum Cp wurde absichtlich eingefügt, weil dieser Text sehr gut veranschaulicht, was man unter den Vollkommenheiten zu verstehen hat, wie sie zusammenspielen und wie sie sich auf diejenigen beziehen, die sich als "Erlösungshelfer" betrachten.

Die Eigenschaften der jeweiligen Pāramī werden in Cp wie folgt erklärt:
1. Geben hat die Eigenschaft des Aufgebens; seine Funktion ist, die Gier nach Dingen zu vertreiben, die weggegeben werden können; seine Manifestation ist das Nicht-Anhaften, oder die Erreichung von Wachstum und ein günstiger Zustand des Daseins; ein Objekt das aufgegeben werden kann, ist dessen unmittelbare Ursache.

2. Tugend hat die Eigenschaft des Ordnens (sīlana); Koordinieren (samādhāna) und Errichten (patiṭṭhāna) werden ebenfalls als deren Eigenschaften erwähnt. Ihre Funktion ist es, moralische Verderbtheit zu zerstreuen, oder ihre Funktion ist tadelloses Verhalten; ihre Manifestation ist moralische Reinheit; Scham und moralische Furcht sind ihre unmittelbare Ursache.

3. Zurückgezogenheit hat die Eigenschaft des Abwendens von Sinnesfreuden und dem Dasein; ihre Funktion ist es, deren Nichtzufriedenstellen zu bestätigen; ihre Manifestation ist der Rückzug von jenem; ein Sinn von spiritueller Dringlichkeit (saṃvega) ist ihre unmittelbare Ursache.

4. Weisheit hat die Eigenschaft des Durchdringens der realen genauen Natur (der Erscheinungen) oder die Eigenschaft des sicheren Durchdringens, wie das Durchschlagen eines Pfeiles, der von einem geschickten Bogenschützen abgeschossen wurde; ihre Funktion ist es, wie eine Lampe das objektive Sichtfeld zu erhellen; ihre Manifestation ist das Nicht-Verwirrtsein, wie ein Führer in einem Wald; Konzentration, oder die Vier (Edlen) Wahrheiten sind ihre unmittelbare Ursache.

5. Tatkraft hat die Eigenschaft des Strebens; ihre Funktion ist es, zu stärken; ihre Manifestation ist Unermüdlichkeit; eine Gelegenheit für das Aufkommen von Tatkraft oder ein Sinn von spiritueller Dringlichkeit ist ihre unmittelbare Ursache.

6. Geduld hat die Eigenschaft der Akzeptanz; ihre Funktion ist es, das Erwünschte und das Unerwünschte zu erdulden; ihre Manifestation ist Toleranz oder Nicht-Gegnerschaft; die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind, ist ihre unmittelbare Ursache.

7. Wahrhaftigkeit hat die Eigenschaft der Nicht-Täuschung beim Sprechen; ihre Funktion ist es, in Übereinstimmung mit den Fakten zu bestätigen; ihre Manifestation ist Vorzüglichkeit; Ehrbarkeit ist ihre unmittelbare Ursache.

8. Entschlossenheit hat die Eigenschaft des Entschlusses auf die Faktoren des Erleuchtens; ihre Funktion ist es, deren Widersacher zu überwinden; ihre Manifestation ist Unerschütterlichkeit bei dieser Aufgabe; die Faktoren der Erleuchtung sind ihre unmittelbare Ursache.

9. Liebende Güte hat die Eigenschaft des Bereitstellens von Wohlergehen (der lebenden Wesen); ihre Funktion ist es, für deren Wohlergehen zu sorgen, oder ihre Funktion ist es, Verbitterung zu entfernen; ihre Manifestation ist Freundlichkeit; die annehmbare Seite der Wesen sehen, ist ihre unmittelbare Ursache.

10. Gleichmut hat die Eigenschaft des Bereitstellens des Aspektes der Neutralität; seine Funktion ist, die Dinge unparteilich zu sehen; seine Manifestation ist das Nachlassen des Anziehens und Abstoßens: Überdenken der Tatsache, dass alle Wesen die Resultate ihres eigenen Kammas als deren unmittelbare Ursache erben.

Und hier sollte erwähnt werden, dass die Zusammengehörigkeit von Mitgefühl und geschickten Mitteln das besondere Merkmal der Eigenschaften der einzelnen Tugend ist - z.B. das Aufgeben im Fall des Gebens usw. Für die Tugend also das Geben usw., was in den geistigen Kontinuitäten der Bodhi-sattvas aufkommt und immer von Mitgefühl und geschickten Mitteln begleitet ist. Das ist es, was sie zu Pāramī macht.

Besser lässt sich der Begriff der Vollkommenheit nicht erklären. Es ist sehr zu empfehlen, sich diese Erklärung(en) mehrmals durchzulesen, sie zu studieren, um die Bedeutung wirklich zu begreifen. Denn auch für den Anhänger der eher orthodoxen Schule des Theravāda wird dann erkennbar, dass auch ein solcher Wert und Nutzen der Pāramī erkennt.

Die Sortierung der Vollkommenheiten erfolgte somit nicht zwingend nach Effizienz, sondern, wie bereits erwähnt, der Einfachheit nach, wobei sich der Begriff "geschickte Mittel" auf die adäquate Nutzung bzw. den Einsatz der richtigen Mittel zur rechten Zeit bezieht.

Hier nochmals der Hinweis, dass sich die Pāramī prinzipiell auf den Bodhisatta beziehen, also auf eine Person, die Buddhaschaft erlangen will. Und dazu muss man wiederum wissen, was ein Buddha ist. Das gibt es den vollkommen erwachten Buddha (sammā-sambuddha), der auch lehrt, wobei zu beachten ist, dass allerdings nur einer zur selben Zeit möglich ist. Und der ist männlich. Dann gibt es noch den Paccekabuddha, der zwar auch erwacht ist, aber nicht lehrt. Davon kann es eine unbegrenzte Anzahl geben. Ob darunter auch weibliche sind, wird nicht erwähnt, aber auch nicht dementiert.

Was ist aber ein Bodhisatta? Da gibt es zwei "Arten", nämlich das sogenannte "Erlösungswesen" im Sinne eines Helfers. Und das ist im Mahāyāna jemand, der aus Mitgefühl sein eigenes Erwachen aufschiebt, bis alle anderen Wesen erleuchtet sind. Er gilt als Anwärter auf die Buddhaschaft, d.h. als ein künftiger Buddha. Der andere ist der Erlösungssucher, jemand, der die Erlösung bzw. das Erwachen anstrebt. Die Kommentare, z.B. DN-a und AN-a, definieren das Wort so: "Bodhisatta [das ist ein] weises Wesen ein Erwachungswesen; dazu rechnet man Erwachte, auch die zu den vier Pfaden Hingeneigten, die im Geist daran festhalten, [die nennt man] Bodhisatta."

Das Wort Bodhisatta kann also für alle verwendet werden, die das Nibbāna suchen, einschließlich Buddhas, Paccekabuddhas und die Schüler der Buddhas (buddha, paccekabuddha, buddha-sāvakā). Es wird üblicherweise aber nur für jene Wesen benutzt, die danach streben, ein Buddha zu werden. Ursprünglich könnte man das Wort nur in Verbindung mit dem letzten Leben des Buddha gebraucht haben, also in Textzusammenhängen wie "in den Tagen vor meinem Erwachen, als ich noch ein Bodhisatta war", wie z.B. in MN 4, 19, 26; oder auch im Mahāpadāna-Sutta (DN 14) und im Acchariyaabbhutadhamma-Sutta (MN 123). Doch bereits im Kathāvatthu begannen die früheren Leben des Gotama Buddha und anderer Heiliger Interesse und Spekulation hervorzurufen. Spätestens jedoch, als altindische Märchen und Fabeln zu Jātakas gemacht wurden.

In der entwickelten Form von der Idee bezüglich der Bodhisattas, startet dessen Karriere mit dem Entschluss, den man im Angesicht eines Buddha (abhi-nīhārakaraṇa oder mūlapaṇidhāna) macht, ein Buddha für das Wohlergehen und die Befreiung aller Wesen zu werden. In späteren Schriften geht der geistigen Ausrichtung (abhinīhāra) eine Zeitspanne voraus, während dieser ein Bodhisatta gedankliches Bestreben (manopaṇidhi) übt, indem er im Geist den Wunsch beschließt, ein Buddha zu werden, ohne anderen seine Absicht mitzuteilen.

Damit die geistige Ausrichtung auch wirksam wird, sind laut Bv 2 acht Bedingungen zu erfüllen, die in Bv-a und Sn-a näher erklärt werden. Der Aspirant sollte 1. ein menschliches Wesen sein, 2. männlich, 3. ausreichend entwickelt, um in eben diesem Dasein ein Heiliger (arahant) zu werden, 4. zum Zeitpunkt der Verkündung ein Einsiedler, 5. er sollte seinen Entschluss vor einem Buddha kund tun, 6. er sollte gewisse Erreichungen, wie die Vertiefungen (jhāna) beherrschen, 7. er sollte bereit sein alles aufzugeben, sogar sein Leben und 8. sollte sein Entschluss absolut fest und unerschütterlich sein. Im Fall des Gotama Buddha wurde dessen Abhinīhāra vor dem 1. Vorzeitbuddha Dīpaṅkara in Amaravātī gemacht, also in der Existenz, in der er Sumedha war. Der Buddha vor dem die abhinīhāra gemacht wird, schaut in die Zukunft und wenn er zufrieden ist, erklärt er die Erfüllung des Entschlusses und erwähnt Einzelheiten dazu. Diese Erklärung wird vyākaraṇa genannt und wird auch bei all den aufeinander folgenden Buddhas gemacht, auf die der Bodhisatta während seiner Existenzen treffen mag. Nachdem der Bodhisatta seine erste vyākaraṇa bekam, fährt er damit fort, die erforderlichen Qualitäten zu erforschen, die von ihm entfaltet werden müssen, um die Buddhaschaft (buddhakārakadhammā) in Übereinstimmung mit dem Brauch früherer Bodhisattas zu erlangen. Das sind laut Bv 2 die so genannten Zehn Vollkommenheiten. Im Fall von Buddha Gotama gibt es in den Jātakas Beispiele von Existenzen, in denen die zehn Pāramī bis zur höchsten Vollendung geübt werden (z.B. im Ekarāja-, Khantivādā-, Cullasaṅkhapāla-, Mahājanaka-, Mahāsutasoma-, Mūgapakkha-, Lomahaṃsa-, Sattubhattaka-, Sasa- und Sutasoma-Jātaka).

Ebenfalls wird er laut Sn-a die vier Ebenen eines Buddha (catasso buddha-bhūmiyo) - Ausdauer (ussāha), Idee (ummagga), Stabilität (avatthāna) und geeigneter Wandel (hitacariyā) entfalten, die mit Tatkraft (viriya), Erkenntnis (paññā), Entschlossenheit (adhitthāna) und Wohlwollen (mettā) erklärt werden. Des Weiteren kultiviert er die sechs Veranlagungen (ajjhāsaya), die zur Reifung des Erwachens führen (bodhiparipākiyā saṃvattanti), nämlich: nekkhamma-, paviveka-, alobha-, adosa-, amoha- und nissarava-ajjhāsaya.

Ein Bodhisatta wird laut Sn-a im Lauf seiner Existenzen nicht in den achtzehn unglückseligen Gefilden (atthārasa abhabbatthānāni) geboren, wird niemals blind, taub, verrückt, sprachgestört (elamūga) oder verkrüppelt geboren, oder unter Barbaren (milakkkesu), von einer Sklavin oder als Häretiker. Er wird niemals sein Geschlecht wechseln, wird sich niemals eines der fünf Vergehen mit unmittelbarer Folge (ānantarikakamma) schuldig machen und auch niemals Lepra bekommen. Falls er als Tier ins Dasein tritt (was w.o. eigentlich nicht möglich ist), wird er nie etwas Geringeres als eine Wachtel oder mehr als ein Elefant sein. Niemals wird er unter den verschiedenen Klassen der Gespenster (peta) erscheinen, weder unter den Kālakañjakas, noch in Avīci oder in anderen Höllen (lokantaraka-niraya), auch nicht als Māra, noch wird er in Welten geboren, wo es keine Wahrnehmung gibt (asaññibhava), noch in den Reinhausigen Gefilden (suddhāvāsa), noch in den unkörperlichen Welten (arūpa), auch nicht in einem anderem Universum (cakkavāla). Erstaunlicherweise wurde laut Ap I,390 der Bodhisatta im Gegensatz zur oben erwähnten Aussage aus Sn-a einige Male in höllischen Welten geboren.

Zusätzlich zur Entfaltung der (dreißig) Vollkommenheiten (pāramī), müssen laut DN-a und Dhp-a alle Bodhisatta die fünf großen Opfer (mahāpariccāgā) bringen, d.h. wie in Ja 547 Frau, Kinder, Königreich, Leben und Gliedmaßen opfern. Dann müssen sie noch den dreifach nutzbringenden Wandel (atthacariyā), also hin-sichtlich Verwandter, der Welt und der Erlösung (ñāta-, loka- und buddhi-attha-cariyā) entwickeln, die sieben großen Gaben (mahādāna) wie Vessantara machen, welche die Erde sieben Mal erbeben ließen. Bv-a enthält eine Erzählung über den 3. Vorzeitbuddha Maṅgala, die mit der des Vessantara bezüglich auf den Buddha Gotama übereinstimmt.

Die Länge des Werdeganges eines Bodhisatta ist unterschiedlich. Sn-a besagt, dass manche sich bei der Übung in den Pāramī für mindestens vier Asaṅkheyya und 100.000 Kappa (Äonen) befleißigen, andere für mindestens acht Asaṅkheyya und 100.000 Kappa, wieder andere für sechzehn Asaṅkheyya und 100.000 Kappa. Der erste der Zeitabschnitte ist der zumindest erforderliche und ist für jene vorgesehen, die sich in Sachen Erkenntnis (paññā) hervortun. Der mittlere ist für jene, die sich durch Vertrauen (saddhā) auszeichnen, und der letzte und höchste für jene, deren Haupteigenschaft Tatkraft (viriya) ist.

Laut DN-a verbringen Bodhisatta ihr vorletztes Dasein im Tusita-Himmel, was 750.000 und 6 Millionen Jahre dauert, die meisten Bodhisattas verlassen diesen Himmel Tusita jedoch vor Ablauf ihrer Lebensspanne. Eine Ausnahme bildete beispielsweise der 19. Vorzeitbuddha Vipassī.

Wenn dann die Zeit für die Ankündigung ihrer letzten Geburt herankommt, ist alles in heller Aufregung, weil allerlei Zeichen in den 10.000 Weltsystemen erscheinen. Gottheiten aus allen Welten versammeln sich im Tusita-Himmel und bitten den Bodhisatta als Menschenwesen Geburt zu suchen, sodass er ein Buddha werden möge. Jener Bodhisatta hält seine Antwort noch zurück, bis er die Fünf Großen Nachforschungen (pañcamahāvilokanā) hinsichtlich Zeit, Kontinent, Geburtsort, der Mutter und der ihr dann noch bleibenden Lebensspanne gemacht hat. Buddhas erscheinen nicht in der Welt, wenn die Menschheit mehr als hunderttausend oder weniger als einhundert Jahre alt werden. Sie werden nur in Jambudīpa, und da im Majjhimadesa geboren, auch da nur unter dem Kriegeradel (khattiya) oder den Brahmanen. Die Mutter eines Bodhisatta darf in ihrer letzten Geburt nicht leidenschaftlich sein oder dem Trinken ergeben; sie sollte die Pāramī in 100.000 Kappa geübt haben, die Vorschriften von Geburt an eingehalten haben, und es sollte ihr nicht bestimmt sein, mehr als zehn Monate und sieben Tage nach der Empfängnis des Bodhisatta zu leben.

Die Wünsche eines Bodhisatta gehen grundsätzlich in Erfüllung, wie in Ja 387, 531, 546 geschrieben, hauptsächlich, weil sie auf großer Weisheit (in Ja 387) und (spirituellem) Eifer (in Ja 417) beruhen.

Im Übrigen ist laut Ja 491 die Weisheit eines Bodhisatta größer als die eines Paccekabuddha.

Und als letzte Art "Buddha" gilt der Arahat, also der im buddhistischen Sinne Heilige. Diesbezüglich werden auch in den Texten etliche weibliche genannt.

 

Bedingungen für die Entwicklung von Vollkommenheiten

Am allerwichtigsten scheint das Bestreben, die Absicht, die Intention, also der Wille zu sein, Buddhaschaft, oder das Erwachen zu erlangen, aber zumindest eine der vier Stufen der Heiligkeit im buddhistischen Sinne. Dabei spielen das große Mitgefühl (mahākaruṇā) als auch geschickte Mittel (upāyakosalla), also richtiges Verhalten, Benehmen, Handeln zur richtigen Zeit eine herausragende Rolle, denn sie beinhalten eben jene Art Weisheit, die die anderen 9 in Erfordernisse zum Erwachen transformiert. Das Überdenken der Gefahr in deren Gegenteil und des Vorteils in deren Ausübung ist eine weitere Bedingung für die Pāramī, z.B. im Fall der Vollkommenheit des Gebens, die Gefahr im Nichtaufgeben und der Vorteil im Aufgeben.

 

Die erste und einfachste der Vollkommenheiten

Hier ist einfach nicht der Raum, um alle zehn Vollkommenheiten ausführlich dar-zustellen und zu erklären. Daher nur die ersten beiden Pāramī, das Geben (dāna) bzw. die Freigebigkeit (cāga) und die Tugend (sīla).

(1) Die Vollkommenheit des Gebens sollte so überdacht werden: "Besitztümer wie Felder, Land, Münzgeld, Gold, Kälber, Büffel, Sklaven, Kinder, Frauen usw. bringen denen gewaltigen Schaden, die davon angezogen werden. Weil sie das Begehren anregen, werden sie von vielen Leuten gewollt; sie können vom König beschlagnahmt werden und von Dieben; sie entzünden Auseinandersetzungen und schaffen Feinde; sie sind im Grunde substanzlos; um sie anzuschaffen und zu beschützen, hat man andere zu belästigen; wenn sie zerstört werden, folgen viele Arten von Unglück, wie Sorgen usw.; und wegen des Anhaftens an diesen Dingen wird der Geist besessen mit dem Fleck der Knausrigkeit, und als ein Ergebnis davon wird man auf einer Ebene des Elends wiedergeboren. In der anderen Hand ist eine Tat des Aufgebens dieser Dinge ein Schritt zur Sicherheit. Daher sollte man sie mit Sorgfalt aufgeben."

Weiter, wenn ein Bedürftiger nach irgendetwas fragt, sollte ein Bodhisattva überlegen: "Er ist mein vertrauter Freund, er enthüllt mir sein Geheimnis. Er ist mein Lehrer, er lehrt mich: 'Wenn du gehst, hast du alles aufzugeben. Gehst du in die jenseitige Welt, kannst du nicht einmal deine eigenen Besitztümer mitnehmen!' Er ist ein Begleiter, der mir hilft, mich der Zugehörigkeit zu dieser Welt zu entfernen, welche wie ein loderndes Haus mit dem Feuer des Todes lodert. Indem er dies entfernt, hilft er mir, die Sorge loszuwerden, was es mich kostet. Er ist mein bester Freund, da er mich dazu bringt, diese edle Tat des Geben auszuführen, hilft er mir, die hervorragendste und schwierigste aller Errungenschaften zu erlangen, das Erreichen der Ebene der Buddhas."

Er sollte weiterhin überdenken: "Er ehrt mich mit einer hohen Aufgabe; deshalb sollte ich diese Ehrung vertrauensvoll würdigen." Und: "Da das Leben am Ende begrenzt ist, sollte ich sogar ungefragt geben, um wieviel mehr, wenn danach gefragt." Und: "Jene mit einer hohen Gesinnung suchen nach jemandem, dem sie geben können, aber er ist aus eigenem Antrieb zu mir gekommen wegen meines Verdienstes." Und: "Ein Geschenk dem Bedürftigen übergeben wird verdienstlich sein für mich als auch für ihn." Und: "Gerade wie ich mir selber damit nutze, so sollte ich der ganzen Welt nützen." Und: "Wenn es keine Bedürftigen gäbe, wie könnte ich dann die Vollkommenheit des Gebens erfüllen?" Und: "Alles was ich erlange, sollte nur beschafft werden, um es anderen zu geben." Und: "Wann wollen die Bettler so frei sein, und meine Besitztümer aus eigenem Antrieb nehmen, ohne zu fragen?" Und: "Wie kann ich den Bettlern lieb und wert sein, und wie können sie mir lieb und wert sein? Wie kann ich geben und nach dem Geben hoch erfreut sein, jubelnd, erfüllt mit Entzücken und Freude? Und wie können die Bettler wegen mir so sein? Wie kann meine Neigung zum Geben erhöht sein? Wie kann ich den Bettlern sogar ungefragt geben, deren Herzenswunsch kennend?" Und: "Da sind Götter, und Bettler sind gekommen, ihnen nicht irgendetwas zu geben, würde meinerseits eine große Täuschung sein." Und: "Wie kann ich mein eigenes Leben und Gliedmaßen zu denen dahingeben, die darum bitten?"

Er sollte ein Begehren nach sorglosem Weggeben von Dingen erwecken, indem er überlegt: "Gutes widerfährt demjenigen, der ohne seine Besorgnis gibt, gerade wie der Bumerang* zu dem zurückkehrt, der ihn geworfen hat, ohne dessen Sorge." Wenn eine liebe Person um etwas bittet, sollte er Freude erwecken, indem er denkt: "Einer, der mir lieb ist, hat mich um etwas gebeten." Wenn eine neutrale Person um etwas bittet, sollte er Freude erwecken, indem er denkt: "Sicherlich wird er mein Freund werden, da man durch das Geben an jene die bitten, deren Zuneigung gewinnt." Und wenn eine feindselige Person um etwas bittet, sollte er besonders glücklich sein und denken: "Mein Feind bittet mich um etwas; bisher ist er mir gegenüber feindselig gewesen, durch dieses Geschenk will er sicherlich mein lieber Freund werden." Auf diese Weise sollte er zu neutralen und feindseligen Menschen auf dieselbe Art geben, wie er zu lieben Menschen geben würde, nachdem er zuerst liebende Güte und Mitgefühl in sich erweckt hat.
*Kiṭṭaka. Keine der Bedeutungen in den Standard-Wörterbüchern ist in diesem Zusammenhang relevant.

Wenn wegen ihrer gesamten Kraft Zustände der Gier aufkommen sollten nach Dingen, die weggegeben werden können, dann sollte der Bodhisattva-Anwärter bedenken: "In Ordnung, guter Mann, als du die Bestrebung für die volle Erleuchtung gemacht hast, hast du da nicht diesen Körper genauso hingegeben wie das erzielte Verdienst aus deren Aufgeben um des Helfens aller Wesen willen? Anhaftung an äußerliche Dinge ist wie das Baden eines Elefanten; deshalb solltest du nicht an irgendetwas anhaften. Angenommen, da ist ein großer Arznei-Baum, und irgendjemand, der dessen Wurzeln braucht, nimmt seine Wurzeln weg; irgendjemand braucht seine Triebe, Rinde, Stamm, Äste, Kernholz, Zweige, Laub, Blüten oder Früchte, und er nimmt dessen Triebe, Rinde, Stamm usw. weg. Der Baum würde nicht befallen werden von solchen Gedanken wie: 'Die nehmen mir meine Besitztümer weg!' Auf dieselbe Weise, als ich es unternommen habe, mich selber für das Wohlergehen der ganzen Welt anzustrengen, so sollte ich den geringsten üblen Gedanken an diesen elenden, undankbaren und unreinen Körper aufkommen lassen, den ich dem Dienst an den Anderen gewidmet habe. Und nebenbei, welcher Unterschied kann zwischen den innerlichen materiellen Elementen (des Körpers) und den äußerlichen materiellen Elementen (der Welt) gemacht werden? Sie sind beide Gegenstand des unvermeidlichen Zusammenbrechens, Zerfall und Auflösung. Das ist nur wirres Geplapper, dieses Anhaften an diesem Körper wie: 'Das ist meine, das bin ich, das ist mein Selbst.' Ich sollte nicht länger Besorgnis haben wegen meiner eigenen Hände, Füße, Augen und Fleisch als wegen äußerlicher Dinge. Statt dessen sollte ich den Gedanken hervorbringen, ihn den anderen abzutreten: 'Lasst ihn jene, die ihn brauchen, wegnehmen.'"

Sofern er auf diese Weise nachdenkt, zur vollen Erleuchtung entschlossen, ohne sich um Leib und Leben zu sorgen, dann werden seine körperlichen, sprachlichen und geistigen Aktionen ganz einfach völlig rein. Wenn seine körperlichen, sprachlichen und geistigen Aktionen gemeinsam mit seiner Lebensführung rein werden, verweilt er in der Handlungsweise des wahren Weges und durch seine geschickten Mittel hinsichtlich Gewinn und Verlust, ist er fähig, allen Wesen sogar in noch größerem Ausmaß zu nutzen, indem er materielle Dinge aufgibt und indem er das Geschenk der Furchtlosigkeit und auch das Geschenk des wahren Dhamma gibt.

Das ist die Methode des Überdenkens der Vollkommenheit des Gebens.

(2) Die Vollkommenheit der Tugend sollte wie folgt überdacht werden: "Sogar die Wasser des Ganges können nicht die Befleckung des Hasses hinwegwaschen, doch das Wasser der Tugend ist dazu in der Lage. Sogar das gelbe Sandelholz kann nicht das Fieber der Lust kühlen, doch die Tugend ist in der Lage, es zu entfernen. Die Tugend ist die einzigartige Verzierung des Guten, sie übertrifft die Verzierungen, die von den einfachen Menschen in Ehren gehalten werden, wie Halsketten, Diademe und Ohrringe. Sie ist ein süß duftendes Parfüm, besser als Weihrauch, weil es alle Richtungen durchdringt und es ist überall angebracht; ein überragender magischer Bann, der die Wertschätzung von Gottheiten und von mächtigen Khattiyas gewinnt usw.; eine Treppe hinauf zu den Götterwelten, zum Himmel der Vier Großkönige* usw.; ein Mittel für das Erlangen der Jhānā und für die direkte Erkenntnis; eine Schnellstraße, die zur großartigen Stadt des Nibbāna führt; die Grundlage für die Erleuchtung der Anhänger, Paccekabuddhas und der vollkommen erleuchteten Buddhas. Und als ein Mittel für die Erfüllung aller Wünsche und Absichten, übertrifft es den Baum des Überflusses und das wunscherfüllende Juwel."
*Der erste und unterste der sechs Himmel der Sinnessphäre der buddhistischen Kosmologie.

Tugend sollte als Basis für Entzücken und Freude überdacht werden; als Immunität gebend gegen die Furcht der Selbstvorwürfe, der Vorwürfe von anderen, zeitweiliger Strafe und einer üblen Bestimmung nach dem Tod; als gepriesen von den Weisen; als die Wurzel-Ursache für die Freiheit von Reue; als die Basis für Sicherheit; und als ein Übertreffen der Erlangung einer hohen Geburt, Reichtum, Unabhängigkeit, langes Leben, Schönheit, Status, Gefolge und Freunde. Großes Entzücken und Freude kommen im tugendhaften Mann auf, wenn er über seine eigene Vervollkommnung der Tugend nachdenkt: "Ich habe getan, was heilsam ist, ich habe getan, was gut ist, ich habe mir selbst eine Zuflucht vor der Furcht errichtet." Der tugendhafte Mann beschimpft sich nicht selber, und andere weise Menschen beschimpfen ihn nicht, und er gerät nicht in die Gefahr zeitweiliger Strafen oder einer üblen Bestimmung nach dem Tod. Im Gegenteil, die Weisen preisen den edlen Charakter des tugendhaften Mannes, und der tugendhafte Mann ist nicht der Reue ausgesetzt, die im unmoralischen Mann aufsteigt, wenn er denkt: "Ich habe Übles begangen, elende, sündhafte Taten." Und Tugend ist die höchste Grundlage für Sicherheit, weil sie das Fundament für die Sorgfalt ist, ein Segen und ein Mittel, um großen Nutzen zu erlangen, wie das Vermeiden des Verlustes von Wohlstand usw.

Vollkommenheit in der Tugend übertrifft Geburt in einer guten Familie, da ein tugendhafter Mann von niedriger Geburt verdient, sogar von großen, mächtigen Khattiyas verehrt zu werden. Tugend übertrifft materiellen Wohlstand, sie kann auch nicht von Dieben weggenommen werden, sie folgt einem in die Welt danach, sie erzeugt große Frucht und fungiert als die Grundlage für solche Eigenschaften wie Gelassenheit usw. Weil es einen befähigt, höchste Obergewalt über den eigenen Geist zu erlangen, übertrifft die Tugend die Souveränität der Khattiyas usw. Und wegen ihrer Tugend erlangen die Wesen die Oberherrschaft in ihren jeweiligen Angelegenheiten. Tugend ist sogar dem Leben übergeordnet, denn es wurde gesagt, dass ein einziger Tag des Lebens eines Tugendhaften besser ist als hundert Jahre eines Lebens ohne Tugend (Dhp 110); und bei den lebenden Wesen wird die Verleugnung der Übung (im heiligen Leben spiritueller) Tod genannt. Tugend übertrifft die Erlangung von Schönheit, dafür macht es einen schön, sogar gegenüber der Feinde und sie kann nicht durch Missgeschicke des Alterns und der Krankheit bezwungen werden. Als die Grundlage für ausgezeichnete Zustände des Glücklichseins, übertrifft die Tugend solch ausgezeichnete Wohnstätten wie Paläste, Herrenhäuser usw., und solch ausgezeichnete soziale Stellungen wie die eines Königs, Prinzen oder Generals. Weil es das höchste Wohlergehen von einem fördert und einem in die Welt danach folgt, übertrifft die Tugend Gefolge und Freunde, sogar die, die einem nahestehen und liebenswert sind. Nochmals, im Erledigen der schwierigen Aufgabe des Selbstschutzes übertrifft die Tugend Elefanten-Truppen, Pferde, Wagen und Infanterie, und ebenso solche Mittel wie Mantras, Banne und Segnungen, dafür ist sie von sich selber abhängend, ist nicht von anderen abhängig und hat einen großen Einflussbereich. Daher wurde gesagt: "Der Dhamma schützt denjenigen, der durch den Dhamma lebt." (Th 303).

Wenn einer auf diese Weise über die zahlreichen edlen Eigenschaften der Tugend nachdenkt, wird dessen unerfüllte Erreichung der Tugend erfüllt werden und dessen ungeläuterte Tugend wird geläutert werden.

Wenn wegen ihrer gesamten Kraft von Zeit zu Zeit Zustände aufkommen sollten, die der Tugend entgegengesetzt sind, solche wie Abneigung, dann sollte der Anwärter bedenken: 'Hast du nicht den Entschluss gefasst, die volle Erleuchtung zu erlangen? Einer, der in der Tugend fehlerhaft ist, kann nicht einmal in alltäglichen Angelegenheiten erfolgreich sein, um wieviel weniger erst in übergeordneten Dingen. Du solltest den Gipfel der Tugend erreichen, daher ist die Tugend das Fundament für die höchste Erleuchtung, die vorderste aller Erreichungen. Du solltest dich immer gut benehmen, deine Tugend perfekt beschützen, noch vorsichtiger als eine Henne ihre Eier behütet. Des Weiteren, durch das Lehren des Dhamma solltest du den Wesen helfen, in den drei Fahrzeugen [siehe Einleitung zum Cp, Seiten 77f] einzutreten und Reife zu erlangen. Aber das Wort eines moralisch zweifelhaften Mannes ist nicht verlässlicher als die Behandlung eines Arztes, der nicht überlegt, was für seine Patienten geeignet ist. Wie kann ich glaubwürdig sein, sodass ich den Wesen helfen kann, in den drei Fahrzeugen einzutreten und Reife zu erlangen? Ich muss rein sein im Charakter und in der Tugend. Wie kann ich solche ausgezeichneten Erreichungen erlangen wie die Jhānā usw., sodass ich fähig bin, anderen zu helfen, und die Vollkommenheit der Weisheit erfüllen kann usw.? Ausgezeichnete Erreichungen wie die Jhānā usw., sind nicht möglich, ohne die Läuterung der Tugend. Deshalb sollte die Tugend vollkommen rein gemacht werden."

 

Sinn und Zweck

Diese beiden vorigen Textabschnitte sollten ausreichen, um sich hinlänglich mit Sinn und Zweck der Vollkommenheiten auseinanderzusetzen. Bezüglich der acht anderen kann man im Cariyapiṭaka nachlesen.

Wir Europäer haben so eine komische Tendenz, die man als Effizienz-Orientiertheit bezeichnen kann. Die kann man auch recht nutz- d.h. gewinnbringend bei den Pāramī in Anwendung bringen. Beim Geben denkt man an das Verdienst, das man dabei ansammelt und wie man mit wenig Anstrengung soviel wie nur möglich "scheffelt". Aber auf diese Weise entsteht eine Art Verunreinigung durch das "Berechnen". Sprichwörtlich schneidet man sich das Verdienst ab, statt es zu mehren. Außerdem fördert man den Zweifel hinsichtlich der Gabe und des Empfängers. Im Cp steht, dass es eine Befleckung aller sei, wenn man die Pāramī missversteht. Im Einzelnen sind kritische Gedanken über Gaben und Empfänger die Befleckung der Vollkommenheit des Gebens. Kritische Gedanken über Wesen und Zeiten sind die Befleckung der Vollkommenheit der Tugend. Kritische Gedanken des Erfreutseins in Sinnesfreuden und am Dasein, als auch Nichtzufriedensein mit deren Befriedung, sind die Befleckung der Vollkommenheit der Zurückgezogenheit. Kritische Gedanken von "Ich" und "Mein" sind die Befleckung der Vollkommenheit der Weisheit. Kritische Gedanken, die zu Lustlosigkeit und Rastlosigkeit neigen, sind die Befleckung der Vollkommenheit der Tatkraft. Kritische Gedanken von sich selber und anderen, sind die Befleckung der Vollkommenheit der Geduld. Kritische Gedanken des Bekennens gesehen zu haben, was nicht zu sehen war usw., sind die Befleckung der Vollkommenheit der Wahrhaftigkeit. Kritische Gedanken des Empfindens von Makeln bei den Erfordernissen der Erleuchtung und Tugenden in deren Gegensätzen, sind die Befleckung der Vollkommenheit der Entschlossenheit. Kritische Gedanken, die verwirren, was schädlich ist und was nützlich ist, sind die Befleckung der Vollkommenheit der liebenden Güte. Und kritische Gedanken über das Begehrenswerte und Nichtbegehrenswerte, sind die Befleckung der Vollkommenheit des Gleichmutes.

Die Läuterung, also Reinigung davon ist das Entfernen der Einflüsse des Begehrens usw. und die Abwesenheit der vorgenannten Unterschiede. Die Pāramī werden makellos, wenn sie von Begehren, Einbildung, Ansichten, Ärger, Boshaftigkeit, Verunglimpfung, Beherrschen, Neid, Anhaften, Arglist, Heuchelei, Starrsinn, Überheblichkeit, Eitelkeit und Nachlässigkeit unbeeinflusst sind und wenn sie frei sind von kritischen Gedanken über Gaben und Empfänger usw.

Wozu soll nun "Geben" gut sein? Im Cp wird das über sechs Seiten lang und breit, wenn auch mit eher stereotypen Wortwendungen "erklärt". Am Anfang steht, dass es durch Unterstützen der Wesen auf vielerlei Art auszuüben ist, nämlich durch Aufgeben des eigenen Glücklichseins, Habseligkeiten, Körper und Leben an andere, durch Zerstreuen ihrer Furcht und durch deren Belehrung im Dhamma.

In AN IV,61 wird unter "Bewährung in Freigebigkeit" von der rechten Verwendung von Besitz gesprochen. Laut AN III,41 gibt es drei Bedingungen der Freigebigkeit, nämlich Vertrauen, Gaben und der Gabe Würdige. Laut AN III,42 ist ein tugendhafter Mensch einer, der Vertrauen usw. hat und Gaben gibt. In MN 151 kann man lesen, dass die Qualität des Gebers, die der der Gabe und die des Empfängers entscheidend sind. Die Reinheit der Gabe ist laut AN 78 je nach Reinheit des Gebers bzw. Empfängers zu bemessen. In AN III,58 steht, dass jemand, der einen davon abhält, anderen Gaben zu spenden, dass der dreien einen Schaden verursacht, dreien ein Hindernis in den Weg legt, indem er die gute Tat des Gebers verhindert, indem er dem Empfänger die Gaben abspenstig macht und indem er vorher schon seinen eigenen Charakter untergräbt und schädigt. Des Weiteren steht dort, dass selbst wenn einer die Spülreste aus Schüssel oder Schale in einen Tümpel oder Teich entleert, mit dem Wunsche, dass die darin befindlichen Lebewesen davon verzehren möchten, dass der schon dadurch Gutes getan hat, um wieviel mehr aber, wenn es sich bei den Empfängern um menschliche Wesen handelt. Dem zur Folge ist also Geben immer positiv. nur eben die "Ausbeute" an Verdienst ist verschieden. Geben bringt immer "Verdienst", auch an "Falsche" oder wenn es "befleckt" ist. In AN X,91 (6 + 10) steht, dass da ein weltlich Genießender auf gesetzliche und ungesetzliche, gewaltsame und nicht gewaltsame Weise nach Vermögen sucht; und hat er sich auf gesetzliche und ungesetzliche, gewaltsame und nicht gewaltsame Weise Vermögen verschafft, so macht er sich selber glücklich und froh und gibt auch Geschenke und gute Werke. Dafür, dass da ein weltlich Genießender auf gesetzliche und nicht gewaltsame Weise nach Vermögen sucht, aus diesem ersten Grunde ist er zu loben. Dass er sich selber glücklich und froh macht, aus diesem zweiten Grunde ist er zu loben. Dass er Geschenke gibt und gute Werke tut, aus diesem dritten Grunde ist er zu loben. Dass er, während er sein Vermögen genießt, nicht daran hängt, nicht davon betört wird, nicht davon eingenommen ist, da er das Elend merkt und den Ausweg kennt, aus diesem vierten Grunde ist er zu loben.

In AN IV,79 kann man Folgendes lesen: "Da begibt sich einer zu einem Asketen oder Priester und erbietet sich derart: 'Sagt mir, o Herr, was ihr nötig habt!' Was er aber anbietet, das gibt er nicht. Sollte der nun, von hier abgeschieden, zu dieser Welt zurückkehren, so schlägt ihm fehl, welches Geschäft auch immer er betreibt. Da begibt sich einer zu einem Asketen oder Priester und erbietet sich derart: 'Sagt mir, o Herr, was ihr nötig habt!' Was er aber anbietet, das gibt er nicht seiner Absicht entsprechend. Sollte der nun, von hier abgeschieden, zu dieser Welt zurückkehren, so geht ihm, welches Geschäft er auch immer betreibt, dieses nicht nach seinem Wunsch."

Geben dient sozusagen als Übung für das Aufgeben, Weggeben, Loslassen, um Anhaftungen zu erkennen, diese zu reduzieren bzw. auszulöschen. Laut AN II,122+123 dient es als Übung zur Zufriedenheit, was logisch nachvollziehbar ist, denn wer wenig braucht, ist eher "glücklich". Laut AN III,136 gibt ein echter Freund, auch wenn es ihm schwer fällt bzw. was schwer zu geben ist. Aber die beste Gabe, ist die der Wahrheit, besagt AN II,142-151.

Was sollte man geben und wie? Dazu ist wichtig zu wissen, dass das Geben laut Cp hinsichtlich der Art des gegebenen Gegenstandes dreifach ist: das Geben von materiellen Dingen (āmisadāna), das Geben von Furchtlosigkeit (abhayadāna) und das Geben des Dhamma (dhammadāna). Außerdem ist es wichtig zu wissen, was es an Gaben gibt. Da werden in Cp äußerliche Gaben genannt, Die äußerliche Gaben sind z.B. Nahrung, Kleidung, Unterkunft und dergleichen. Wenn man eine äußerliche Gabe geben mag, dann mag man geben, was immer gebraucht wird, und zwar an dem, der Bedarf daran hat. Man gebe großzügig als auch ausreichend. Aber man möge keine Dinge geben, die eine Belästigung für andere herbeiführen könnten, wie Waffen, Gift und Rauschmittel, oder Unterhaltungen, die verletzend sind und zu Nachlässigkeit verleiten. Man gebe auch keine ungeeigneten Nahrungsmittel oder Getränke zu einer Person, die krank ist, sogar wenn man darum gebeten wurde. Und man gebe nicht mehr von dem, was geeignet ist, als die richtige Menge. Man gebe wenn gefragt, an Haushälter Dinge, die für Haushälter angebracht sind und an die Mönche Dinge, die für Mönche angebracht sind. Man gebe, ohne irgendwem Mühe zu bereiten. Wenn man ein außergewöhnliches Geschenk versprochen hat, gibt man nicht irgendetwas schäbiges. Man gebe nicht, weil man einen Gewinn erwünscht, Ruhm oder Ehre, oder weil man irgendetwas zurück erwartet oder aus Erwartung von einigen Ergebnissen außer der höchsten Erleuchtung. Man gebe nicht, indem man die Gabe oder den der darum gebeten hat verabscheut. Man gebe keine weggeworfenen Sachen als Gabe, noch nicht einmal an unbeherrschte Bettler, die einen beschimpfen und ausnutzen. Man gebe ausnahmslos mit Umsicht, mit einem gelassenen Geist, voller Mitgefühl. Man gebe nicht wegen des Glaubens an abergläubische Vorzeichen, jedoch gebe man im Glauben an das Kamma und dessen Frucht. Wenn man gibt, dann plagt man diejenigen nicht, die gebeten haben, indem man sie dazu veranlasst, einen zu verehren usw. Man gebe keine Gabe mit der Absicht, andere zu täuschen oder mit der Absicht zu verletzen. Man gebe nur mit einem unbefleckten Geist. Man gebe keine Gabe mit barschen Worten oder gerunzelter Stirn, sondern mit Worten der Zärtlichkeit, angenehmer Sprache und einem Lächeln im Gesicht. Man gebe mit beiden Händen.

Die sogenannte "innerliche Gabe" bedeutet, sich selber "dahingeben", zu Dienstleistungen, sich zur Verfügung stellen, Ehrenamt usw. bis hin zur Organspende alles zu geben, was man meint geben zu können, und sei es das eigene Leben.

Nachdem man etwas gegeben hat, ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein. Im Nachhinein eine Gabe bereuen bedeutet, sich wieder etwas vom Verdienst abzuschneiden. Außerdem ist es wichtig zu bedenken dass es ohne Dāna kein Dhamma gibt, d.h. werden die Lehrer bzw. Ordinierten nicht unterstützt, ist es aus - für sie als auch mit der Lehrüberlieferung.

In Deutschland wird viel erwartet, viel verlangt, und andererseits wenig oder nichts gegeben. Daher gibt es hierzulande nur sehr wenig (deutsche) Ordinierte bzw. der Untergang derer und der Lehre ist regelrecht vorprogrammiert.

Des Weiteren soll die Problematik der vielen "Trittbrettfahrer" nicht unerwähnt bleiben. Da spendet ein Teil das Nötigste, also einen Teil der Grunderfordernisse, und die anderen verkonsumieren die Veranstaltung. Wertschätzen ist untrennbar mit "Anerkennen" bzw. "Würdigung" verbunden. Sonst verkommt Dhamma bzw. Dhammadesana zur "Ware", ganz nach dem Prinzip: ist die Show gut, gibt es gute Spenden. Man muss dann den "Kunden" nach dem Mund reden, damit einem der Lebensunterhalt gesichert ist.

 


zurück