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Bedingungen für
weltliches und spirituelles Wohlergehen.
 

Ein Vortrag von

Dhammamuninda Bhikkhu

Berlin, 08. 07. 2018

Lehrender Buddha.
Darstellung aus Gandhara.
[Privatbesitz]


Der Buddha sprach zu unterschiedlichen Menschen auf unterschiedlichen Ebenen. Ein Meister der Lehre und des Lehrens geht intuitiv vor. Er weiß, was er wem sagen soll oder nicht sagen soll, damit die Begegnung fruchtet und der Schüler weiterkommt.

Heute, da der große Meister längst verstorben ist und es schwer ist, Lehrer zu finden, müssen wir meistens selbst spüren, welche Inhalte der Lehre für unsere Lebenslage und Entwicklungsstufe geeignet sind. Einmal besuchte mich eine Person, die gerade dabei war, mit einem Geschäftspartner ein kleines Unternehmen aufzubauen. Sie hatte in der Zeit auch ein zunehmenden Interesse für die Buddha-Lehre entfaltet und fragte mich, ob sie jetzt eigentlich auch Nonne werden und nach Burma gehen könne, und wie das ganze Loslassen denn mit ihrem gegenwärtigen Geschäft vereinbar sei. Zugleich stellte sich heraus, dass sie noch gar nie meditiert hatte.

Angenommen jemand liest eine Anweisungen des Buddha wie die folgende:
"Daher, ihr Bhikkhus, was immer nicht euer ist, gebt es auf; wenn ihr es aufgegeben habt, wird das lange zu eurem Wohlergehen und Glück beitragen. Was ist es, was nicht euer ist? Form [Körper] ist nicht euer (…) Gefühl ist nicht euer (…) Wahrnehmung ist nicht euer usw." (MN 22). Da stellt sich einem Anfänger die Frage: "Was heißt jetzt eigentlich den Körper, die Gefühle, die Wahrnehmungen aufzugeben? Soll ich als Mönch in einer Höhle leben?" Da findet also eine Überforderung statt, im Grunde genommen ein Unfug, weil jemand eine Belehrung wahrnimmt, die in seiner Lebensphase nicht angebracht ist. Möglicherweise wird dann die gesamte Buddha-Lehre als weltfremd und überfordernd abgetan.

Schließlich habe ich jener Unternehmerin das Vyagghapajja1 -Sutta (8.54) angeboten und erklärt. Die Überschrift lautet in der Übersetzung von Nyanatiloka/Nyanaponika "Grundlagen der Wohlfahrt."2

Ein Kaufmann namens Dīgajānu Vyagghapajja sucht den Buddha auf und teilt sein Interesse mit:

"Wir als Hausleute, o Herr, die wir die Sinnenfreuden genießen, wohnen mitten im Gedränge von Weibern und Kindern. Wir gebrauchen feinstes Sandelholz, verwenden Blumen, Riechstoffe und Salben, benutzen Gold und Silber. Möge doch, o Herr, der Erhabene uns so die Lehre weisen, dass es uns zum Heil und Wohl gereiche, diesseits und jenseits!"

Was in einer damals üblichen Formel ausdrückt wurde, könnte heute so lauten: "Wir, die wir Geld benutzen, kaufen und verkaufen, schminken uns und gehen ins Kino" oder wie auch immer weltliches Leben beschrieben wird, bei dem Sinnengenuss und Gewinn im Vordergrund stehen.

"Vier Dinge, Vyagghapajja, gereichen einem edlen Sohne zum diesseitigen Heil und Wohl. Welche vier? Bewährung in Fleiß [uṭṭhānasampadā], Bewährung in Wachsamkeit [ārakkhasampadā], edler Umgang [kalyāṇamittatā] und maßvolle Lebensweise [samajīvitā]."

Nun erklärt der Buddha diese Tugenden im Detail: Wir haben die beiden Wörter uṭṭhāna und sampadā. Uṭṭhāna heißt hier "Tatkraft, Anstrengung, Fleiß", sampadā heißt hier Durchführung, Vervollkommnung, Bewährung, Erreichung, Gelingen. Der Buddha bezieht sich auf die berufliche Anstrengung, Bewährung und Weiterentwicklung, indem er einige Berufe oder Betätigungsfelder beim Namen nennt (Bauer, Händler, Bogenschütze, Beamter, Handwerker). Hier sieht man, wie verfehlt die Vereinfachung oder Verallgemeinerung wäre "der Buddha erzieht zur Passivität, Askese und Weltflucht." Sogar Mönche lernen in Waldklöstern bestimmte Aufgaben, wie das Roben nähen, Reparaturarbeiten zu machen, faltbare Regenschilder aus Palmblättern anzufertigen, oder Sprachen und Texte zu studieren, um sie zu beherrschen. Erst recht gilt das für weltliche Berufe. Sich darin zu üben und weiterzuentwickeln, sind wichtige Schritte in der menschlichen Entwicklung. Tatsächlich bewähren sich Männer, die nie ein Studium zu Ende gemacht, nie einen Beruf fertig gelernt und eine Zeit lang erfolgreich ausgeübt haben, auch nicht im Mönchsleben, denn die Tugend des Fleißes muss auf jedem Fall entwickelt werden.

"Darin aber ist er tüchtig, nicht nachlässig, und er versteht sich auf die richtigen Mittel zu handeln und anzuordnen. Das, Vyagghapajja, nennt man Bewährung in Fleiß."

Als nächstes erklärt der Buddha Ārakkha-sampadā, die Bewährung im Schützen und Bewachen des Erworbenen.

"Da besitzt ein edler Sohn Güter, die er sich durch Fleiß und Strebsamkeit erworben, durch seiner Hände Arbeit, im Schweiße seines Angesichts angesammelt hat, rechtliche Güter, rechtschaffen erlangt. Diese hütet und bewacht er, damit nicht Fürsten oder Räuber sie fortnehmen oder das Feuer sie zerstört, das Wasser sie fortspült oder lieblose Erben sie an sich reißen. Das, Vyagghapajja, nennt man Bewährung in Wachsamkeit."

Diese Erklärung bedarf kaum einer Ergänzung. Heute spricht man von Geldanlagen und Investitionen zum Schutz vor dem Werteverfall des Erworbenen, man schließt bestimmte Versicherungen ab usw.

Kalyāṇamittatā heißt Umgang mit edlen, wohlgesinnten Menschen. Als solche bezeichnet der Buddha Menschen, die entweder jung oder alt und von reifem Charakter sind, denen Vertrauen, Sittlichkeit, Freigebigkeit und Weisheit eignen. Mit ihnen Umgang zu pflegen, Gespräche zu führen und ihnen nachzueifern nennt der Buddha "edlen Umgang". Diese Anweisung ist m. E. eine Besonderheit der Buddha-Lehre. Der Buddha hat nicht gesagt "wenn du achtsam bist, dann beeinflussen dich die Toren nicht und es ist egal mit wem du zusammen bist." Das stimmt zwar kurzzeitig auch, doch der Buddha legt großen Wert auf die Auswahl der Menschen, mit denen wir uns umgeben und von denen wir uns beeinflussen lassen. In unserem Stolz denken wir uns gerne als souverän und unbeeinflussbar. Wenn wir aber sensibler werden, merken wir, dass Menschen ansteckende Geist-Felder sind. Nicht umsonst begründet im Avijjā-Sutta (AN X,61) der Buddha die Entstehung der Unwissenheit durch das Beisammensein mit unwissenden Menschen. Zwar lässt sich kein absoluter Punkt erkennen, an dem es keine Unwissenheit gab und ab dem sie entstand, aber mit Sicherheit gelten falsche Anweisungen und das Zusammensein mit Toren als Nahrung für Unwissenheit. Auf dem Edlen Achtfachen Pfad beten wir zwar nicht zu einem höchsten Schöpfer-Gott, können aber auf Grund unseres vollbrachten guten Karmas Wünsche ausdrücken. In unserem Waldkloster in Sri Lanka wird am Ende der allabendlichen Rezitation drei Mal gechanted: Möge ich durch dieses gute Wirken vom Zusammensein mit den Toren verschont bleiben, möge mir die Gesellschaft der Edlen Zuteil werden. (Iminā puñña-kammena mā me bāla-samāgamo, sataṃ-samāgamo hoti yāva nibbānapattiya.)

Sama-jīvitā hat hier die Bedeutung von gemäßigtes Leben. Auch hier fällt der Rat des Buddha pragmatisch aus:

"Was aber, Vyagghapajja, ist maßvolle Lebensweise? Da, Vyagghapajja, kennt der edle Sohn seine Einnahmen und Ausgaben und richtet demgemäß seine Lebensweise ein, nicht zu üppig und nicht zu dürftig, wissend: 'Auf diese Weise werden die Einnahmen meine Ausgaben übertreffen und nicht meine Ausgaben die Einnahmen.' (…) Führt, Vyagghapajja, der edle Sohn bei geringem Einkommen eine üppige Lebensweise, so sagt man von ihm, dass er seinen Besitz vergeudet wie ein Feigenesser [d.h. einer der mehr Feigen vom Baum schüttelt als er essen kann]. Führt er aber bei großemEinkommen eine dürftige Lebensweise, so sagt man von ihm, dass er wie ein Hungerleider sterben wird. Wenn aber, Vyagghapajja, der edle Sohn seine Einnahmen und Ausgaben kennt und seine Lebensweise demgemäß einrichtet, so nennt man das eine maßvolle Lebensweise."

Ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass gerade asiatische Buddhisten solche Ratschläge gerne ignorieren. Das kommt davon, dass die Gegenwart fatalistisch bzw. eskapistisch gelebt wird und man es als verkehrt ansieht, sich über die (noch) nicht wirkliche Zukunft Gedanken zu machen. Es ist außerdem typisch von Leuten, die in schwachen Wirtschafts-Systemen leben, von der Hand in den Mund zu leben. Wenn einmal Geld da ist, liebt man es, dieses im Kaufrausch auszugeben. Einmal hat mir ein geschäftstüchtiger Tamile in Sri Lanka gesagt: "Warum ist die Wirtschaft in den buddhistischen Ländern so schwach? Weil sie die Ratschläge des Buddha nicht befolgen!"

Als schlimme Laster (apāyamukhāni = Ursachen für den Untergang), welche zur Verschwendung des Ersparten führen, nennt der Buddha Unzucht (itthidutta = Frauen verführen), Trunksucht und Würfelspiel. Er vergleicht den achtsamen Umgang mit Besitz mit dem Füllen eines Wasserreservoirs:

"Wenn da bei einem großen Teich, der vier Zuflüsse und vier Abflüsse hat, ein Mann die Zuflusskanäle öffnet, die Abflusskanäle aber verstopft und die Wolken rechten Regen spenden, so hat man da bei jenem großen Teich eine Zunahme zu erwarten, keine Abnahme. Ebenso auch, Vyagghapajja, gibt es für den erlangten Besitz vier Zuflüsse: das Meiden von Unzucht, von Trunksucht, von Würfelspiel und der Umgang mit edlen Freunden, edlen Gefährten, edlen Genossen."

Der Buddha fasst das bisher Gesagte als vier Bedingungen für diesseitiges Glück und Wohl zusammen, auf Pāli diṭṭha-dhamma-hita und diṭṭha-dhamma-sukha.

Dem gegenüber steht samparāyika hita-sukha, das jenseitige Heil, das edle Wiedergeburt Bewirkende. "Jenseits" bedeutet hier "eine zukünftige Existenz betreffend." (Das paramaṭṭha hita-sukha, also das letztgültige Glück des Nirvāna, wird in dieser Lehrrede nicht erwähnt.)

Zu den Bedingungen für günstige Wiedergeburt zählt der Buddha folgendes:
Bewährung in Vertrauen (saddhāsampadā) , Bewährung in Sittlichkeit (sīlasampadā), Bewährung in Freigebigkeit (cāgasampadā) und Bewährung in Weisheit (paññāsampadā)
Saddhāsampadā erklärt der Buddha mit dem Vertrauen in seine Erkenntnis und Tugend. Für uns heute, nach dem Tod des Buddha, ist dies identisch mit dem Vertrauen in seine Lehre.

Sīlasampadā erklärt der Buddha mit dem Einhalten der fünf Sittenregeln. Wenn die Sittenregeln das Meiden des moralischen Übels beinhalten, so ist cāgasampadā das Tun guter Werke bzw. die Übung der Großzügigkeit und Großherzigkeit.

All das wird gekrönt durch das Erlangen und Entfalten von Weisheit, paññāsampadā. Weisheit ist Lebenswissen, und dieses entfaltet sich durch Hören, Erfahren und Lernen. Wenn wir nicht die Lehren weiser Menschen hören könnten, müssten wir die Wahrheit ganz alleine entdecken und alles Heilsame und Unheilsame am eigenen Leib erfahren. Wir müssten wegen unserer Unreife und Unwissenheit zunächst so viele Fehler begehen und uns in dermaßen viel Unheil verstricken, dass wir dem Elend nicht mehr entkommen könnten. Deshalb legt der Buddha so großen Wert darauf, dass wir die Anweisungen weiser Menschen hören und mit ihnen Umgang pflegen. Dadurch bleibt uns viel Elend erspart und wir haben einen großen Vorsprung. Die Verwirklichung der Weisheit ist jedoch nicht identisch mit dem Hören ihrer Unterweisungen und Ratschläge, sondern mit ihrer Anwendung, Entwicklung und Vertiefung.

Ich habe den Eindruck gewonnen, die buddhistische Lebensphilosophie wird von manchen als Entfaltung cooler Gleichgültigkeit und Flucht in die alles verdrängende Gegenwart aufgefasst, vielmehr als die Entwicklung altbewährter Tugenden. Man glaubt, dadurch dem Kreislauf der Wiedergeburten zu entweichen und Nibbāna direkt zu erreichen, anstatt in den vergänglich Himmel zu kommen. Wie sehr das dem Rat des Buddha widerspricht, gerade für Menschen, die noch lange nicht in der Lage sind, alles hinter sich zu lassen, zeigen die abschließenden Verse:

"Voll Fleiß in allem, was er tut,
voll Tatkraft und voll Ordnungssinn,
sein Leben er gar maßvoll führt
und hütet seine Schätze wohl.

Vertrauensvoll und sittenrein,
freigebig, ohne jeden Geiz,
bereitet er den Pfad stets vor
zum Heil in einer anderen Welt.

So führen diese Dinge acht,
vom Wahrheitslehrer kundgetan,
zu beiderseit'gem Heil den Mann,
der voll Vertraun im Hause weilt,

Zum Wohlergehen in dieser Welt
und künftiger Glückseligkeit.-
So wächst Verdienst dem Hausner zu
und Freigebigkeit von Tag zu Tag."3



 

Anmerkungen:

1

Aussprache: etwa wie Wiagga-pajja, wobei das stimmhafte j ausgesprochen wird wie im Englischen "journey". Die Bedeutung des Namens ist "Tiger-Fährte". [zurück]

2

Die Lehrreden des Buddha aus der Angereihten Sammlung, Bd. IV, Aurum-Verlag S. 153ff. [zurück]

3

Cāgo puññaṃ pavaṭṭhatī. Der letzte Vers wurde hier abgeändert. Im Orginal steht "und milder Sinn von Tag zu Tag." [zurück]

 

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