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Zuflucht und Zufluchtnahme
 

Ein kurzer Vortrag von

Santuṭṭho

vom 28. November 2009

Die Zufluchtnahme des Nāga Mucalinda.
Zufluchtnahme
Eine Darstellung der Kunst aus Gandhāra.


Wie gewohnt, zuerst das Auseinanderklamüsern des Begriffes. Dass es sich um ein Wort aus der Pāli-Sprache handelt, muss wohl nicht extra gesagt werden. Dass man sich bei dem Wort saraṇa zweierlei Wortstämme bedienen kann, die allerdings beide eine recht interessante Bedeutung haben, das dürfte der Erwähnung wert sein. Zum einen haben wir den Sanskrit-Stamm smaraṇa, was "Gedächtnis bzw. Erinnerung" bedeutet und zum anderen śaraṇá, was "Schutz, Obhut - und ganz speziell buddhistisch - Zuflucht bedeutet.

Was stellt man sich vor unter "Zuflucht"? Eine Flucht woVOR oder eine Flucht woHIN? Man kann beides hernehmen. Denn man mag vor den "weltlichen", den alltäglichen Problematiken fliehen und dahin fliehen, wo man meint, Schutz, Obdach, eben Zuflucht zu erhalten, nämlich bei jemandem, von dem man annimmt, dass er einem Zuflucht gewähren kann, bei einem, der eine Lehre verkündete, die er selber entdeckt hatte und bei einer Gemeinschaft, von der man annimmt, dass da eben jene Lehre gepflegt und bewahrt wird. Kurz, man nimmt nicht körperlich, sondern geistig eine Art Ausrichtung an, nämlich zum Buddha, zu seiner Lehre und zur dazugehörigen Anhängerschaft. Dies kann man für sich alleine tun, in einer Gruppe oder zu einem bestimmten Anlass, in einem buddhistischen Kloster oder bei einem einzelnen Mönch bzw. einer Nonne.

Als eine der häufigen Fragen taucht immer wieder auf "Wie wird man ein Buddhist?" Die Antwort lautet, indem man die Dreifache Zuflucht nimmt. Da ist noch nicht die Rede von Sittlichkeit, Meditation, Saṃsāra und Nirvāṇa. Gleichwohl werden an einen, der sich als Buddhisten bezeichnet, hohe Ansprüche gestellt. Perfekt in Sittlichkeit sollte er sein, meditieren muss er, Bescheid wissen über - am besten ALLES. Dass dies nicht so einfach möglich ist, dürfte eigentlich jedem halbwegs normalen Menschen klar sein. Dafür ist die buddhistische Lehre ja auch eine Anleitung für graduelles Wachstum. Schritt für Schritt. Der erste Schritt, wenn auch nicht zwingend erforderlich, aber doch recht nützlich, wäre eben die Zufluchtnahme, das geistige Ausrichten hin zum Begründer, seiner Lehre und deren Anhängerschaft. Dafür bedarf es keiner großartigen Erkenntnisse oder meditativen Erreichungen.

Noch drei wissenswerte Fakten:
Die ersten, die die Zuflucht nahmen waren übrigens keine Asketen, sondern Laien. Es waren die beiden Kaufleute Tapussa und Bhallika. Die beiden spendeten dem gerade vor vier Wochen erleuchteten, dem nunmehrigen Buddha, Reiskuchen und Honigkugeln, eine damals übliche Speise. Nachdem der Buddha diese Speise angenommen und gegessen hatte, sagten sie folgendes: "Wir, o Erhabener, nehmen unsere Zuflucht zum Erhabenen und zur Lehre; als Laienanhänger möge uns der Erhabene betrachten von heute ab für die ganze Lebenszeit." Interessant das Detail, dass der Buddha ihnen ja noch gar nichts von seiner Lehre mitgeteilt hatte.

Die ersten Mönche des Buddha wurden belehrt und erreichten Stromeintritt bzw. sogar die Heiligkeit OHNE die Zufluchtnahme. Sie wurden vom Buddha ganz einfach mit den Worten "Komm Mönch" ordiniert. Da stellt sich dann schon die Frage, ob denn die Zufluchtnahme etwas Erforderliches sei. Nun, wir haben heute vermutlich keinen Buddha anwesend. Uns bleibt also "nur" die geistige Ausrichtung samt der dazu gehörenden Anstrengung.

Die so genannte Zufluchtnahme kam als Teil der Ordinierungszeremonie auf. Das war, als der Orden anfing, gewaltig Zulauf zu bekommen. Der Buddha erlaubte durch die Dreifache Zufluchtnahme die Vollordination. Dies wurde später jedoch durch eine recht ausgefeiltere Zeremonie ersetzt.

In sehr vielen Lehrreden kann man lesen, dass es am Ende der Belehrung zur Zufluchtnahme kommt. Einfache Hausleute, Händler, Reisende, sogar Brahmanen und Herrschende nehmen die Dreifache Zuflucht zum Buddha, seiner Lehre und zur Anhängerschaft.

Die Zufluchtnahme macht uns nicht automatisch zu besseren Menschen. Dafür müssen wir schon etwas mehr tun, uns anstrengen, lernen, meditieren. Aber es geht auch gar nicht darum "besser" zu werden als andere. Sinn und Zweck der Zufluchtnahme sollte sein, den Geist, das Denken, Sprechen und Handeln so auszurichten, dass es im Einklang steht mit der buddhistischen Lehre der Gewaltlosigkeit, der Friedfertigkeit und nicht zuletzt der Erkenntnis von Ursache und Wirkung. Dafür, und nicht um irgend etwas darzustellen, ist die Zufluchtnahme gedacht. Ernsthaft nach dem streben, was als Ziel der buddhistischen Lehre gilt: ein moralisch einwandfreies Leben und Erkenntnis der Vier Edlen Wahrheiten.

Mögen all jene, die in der Vergangenheit die Zuflucht nahmen, sie heute nehmen und in Zukunft nehmen werden, eben jenen Weg unbeirrt gehen und sich den Wert der Sache klar vor Augen halten. Mögen sie erkennen, dass die Zufluchtnahme nicht zwingend vor den Folgen übler Taten schützt, aber uns sehr wohl daran hindert, dass wir Übles tun, sprechen und sogar denken. Und demzufolge werden die Folgen auch weniger übel sein.

Mögen alle, die jemals die Zuflucht nahmen einander auf dem Weg helfen. Sei es durch einfaches Zuhören, das Geben geistiger Anleitung oder durch materielle Unterstützung.

 

 

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