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Der Buddha - Stufen seines Lebens

Dr. H.W. Schumann

Zitat aus dem Buch "Auf den Spuren des historischen Buddha"

 

Siddhārtha Gautama, der spätere "Buddha", wuchs auf in Kapilavastu, der Hauptstadt des Sākya-Stammes im südlichen Himālaya-Vorland. Er war der Sohn des Adligen Suddhodana Gotama, der zum Rāja, zum Gouverneur der oligarchischen Sākiya-Republik gewählt worden war. Die Sākiya-Republik war dem in Sāvatthi residierenden Mahārāja (König) von Kosala unterworfen und besaß Halbsouveränität. Suddhodana hatte das Vertrauen des Mahārāja, unterstand aber dessen Oberaufsicht.

In solch bequeme soziale Verhältnisse hineingeboren, war die Jugend Siddhatthas ohne Not. Mit 16 wurde er mit einer gleichaltrigen Kusine verheiratet, als das Paar 29 war, wurde ihnen ein Sohn geboren, der den Namen Rāhula erhielt.

Über Siddhatthas alltägliches Leben in Kapilavatthu erfahren wir aus den Pāli-Quellen wenig. Man muss annehmen, dass er gewöhnlich an den Ratsversammlungen der Sākiyas teilnahm, bei denen unter dem Vorsitz seines Vaters, des Rāja Suddhodana, über innenpolitische und kommunale Maßnahmen beraten wurde. Da Entscheidungen einstimmig gefasst werden mussten, bedurfte der Ratsvorsitzende überzeugender Beredsamkeit - eine Begabung, die sein Sohn Siddhattha von ihm erbte.

Eine weitere Aufgabe Suddhodanas war es, Gericht zu halten, und wir dürfen vermuten, dass Siddhattha auch dabei ein aufmerksamer Beobachter war. Die Schulung durch Zuhören vermittelte ihm die Rechtskenntnisse, die ihm später halfen, seinen Mönchsorden zu organisieren und dem Staat gegenüber rechtlich abzugrenzen.

Mit 29, unmittelbar nachdem sein Sohn Rāhula geboren worden war, verließ Siddhattha Eltern, Gattin, Kind und Heimat, um sich als hausloser Bettelmönch der Suche nach Erlösung vom Leiden zu widmen. In die Fetzenkutte des Wandermönchs gekleidet und ohne Besitz begab sich der junge Adlige von Kapilavatthu nach Südosten über den Gaṅgā-Fluss ins Königreich Magadha.

Die Folgezeit sah ihn unweit von Rājagaha als Schüler zu Füßen zweier religiöser Lehrer - des Āḷāra Kālāma und des Uddaka Rāmaputta. Āḷāra lehrte yogische Versenkung und Trance, Uddaka vertrat die upaniṣadische Ātman-, Wiedergeburts- und Karman-Lehre. Von beiden Mentoren war Siddhattha enttäuscht, jedoch erwies sich die Kenntnis ihrer Lehren später für ihn wertvoll: Sowohl Āḷāras Meditation als auch Elemente von Uddakas Upaniṣad-Lehren finden sich in Siddhatthas eigenem System wieder.

Nach seiner Abkehr von den beiden Mentoren zog Siddhattha sich in der Nähe von Uruvelā in den Wald zur Askese zurück. Was immer an Selbsttorturen denkbar ist, probierte er durch. Er machte Atemübungen bis zur Ohnmacht, lief nackt, fastete bis knapp vor dem Hungertod, hauste zeitweilig auf einem Leichenanger und verbot sich das Sitzen, Liegen und Waschen. Fasziniert von seiner Striktheit hatten sich ihm fünf andere Asketen angeschlossen. Keiner von ihnen zweifelte daran, dass Siddhattha als erster die Erlösung erreichen werde.

Mehrere Jahre betrieb er solche Askese. Eines Tages aber sah er ein, dass die Schwächung des Körpers auch den Geist in Mitleidenschaft zieht und ihn zu höheren Einsichten unfähig macht. Er nahm wieder Nahrung zu sich, um zu Kräften zu kommen, und schlug einen anderen Weg zur Erkenntnis ein: Systematische Meditation. Enttäuscht über Siddhatthas vermeintlichen Rückfall ins weltliche Leben ließen die fünf Askese-Gefährten ihn im Wald allein.

Schon bald erwies sich die Meditation als der richtige Weg. In der ersten Vollmondnacht des April/Mai 528 v. Chr. verwirklichte Siddhattha Gotama beim heutigen Bodhgayā die Erkenntnis der Wahrheit (dhamma). Gehörtes und Selbsterkanntes fügten sich in seinem Denken zu einem harmonischen System zusammen, denn "Rechte Anschauung entsteht durch die Stimme eines anderen und (eigenes) Nachdenken" (A 2, II, 9). Damit war er ein Buddha, ein "Erleuchteter" oder "Erwachter" geworden. 35 Jahre war er alt, sechs Jahre waren seit seinem Auszug in die Heimatlosigkeit vergangen.

Es waren die ehemaligen Mitasketen, die im Wildpark von Isipatana (Sārnāth) bei Benares seine ersten Hörer wurden. Mit der Predigt vor ihnen setzte er das "Rad der Lehre" in Gang, mit der Konversion der fünf und ihrer Aufnahme als Mönche (bhikkhu) trat der buddhistische Orden (saṅgha) ins Leben. Sehr bald bildete sich auch eine Laiengemeinde.

Die Lehre (dharma) des Buddha ist doppelschichtig. Sie ist einerseits, soweit sie in den "Vier Wahrheiten" formuliert ist, leicht eingängig und eine alltagstaugliche Gebrauchsreligion mit klaren Weisungen für das Verhalten. Andererseits beruht sie auf philosophischen Prämissen, die zu verstehen Intelligenz voraussetzt. Der Dhamma ist "jedem, der Ohren hat, verständlich", aber dennoch "tief, schwer durchschaubar, schwer zu fassen, (nur) Gebildeten begreiflich".

Ausgangspunkt des buddhistischen Denkens ist das Erlebnis des Leidens. Gotamas "Wahrheit vom Leiden" stellt fest, dass alles Leben mit Altern, Krankheit und Tod, Schmerz, Trauer und Gram, Trennung und Enttäuschung verbunden ist. Solches "Leiden" (dukkha) ist dem Leben nicht auferlegt, sondern ist untrennbar Teil von ihm. Auf der Welt sein heißt, Leiden erfahren zu müssen.

Man würde sich mit dieser Tatsache leichter abfinden, wenn das Leiden mit dem Sterben zu Ende wäre. Das ist jedoch nicht so, denn nach dem Tode erwartet uns Wiedergeburt. Wir sind gefangen im Kreislauf (saṃsāra) von Tod und Geborenwerden, der immer wieder zu neuer Existenzform führt. Als Wanderer im Saṃsāra begegnen wir dem Leiden stets aufs neue - eine schreckliche Aussicht und Grund genug, einen Weg zur Erlösung zu suchen.

Ist der Zwang, wiedergeboren zu werden, auch beängstigend - tröstlich ist immerhin, dass die Wiedergeburt einer durchschaubaren Mechanik folgt. Die Existenzform, zu der der Verstorbene ersteht, ist nicht ein Ergebnis des Zufalls, sondern entspricht naturgesetzlich der Qualität seiner im vergangenen Leben getanen Taten (karma). Wer überwiegend Gutes getan hat, wird nach dem Tode eine angenehme Daseinsform erlangen, nämlich Lebensumstände, die der Qualität seines alten Tuns entsprechen. Gutes Tun führt im Geburtenkreislauf aufwärts, schlechtes Tun abwärts. Jeder hat sein gegenwärtiges Dasein selbst verursacht, jeder kann seine wiedergeburtliche Zukunft durch sein Handeln selbst bestimmen. Später vertiefte der Buddha die Kamma-Lehre dahingehend, dass nicht erst die vollzogene Tat, sondern schon die Tatabsicht (cetanā, saṅkhāra) die Wiedergeburt qualitativ beeinflusst.

Die zweite Wahrheit des Buddha, die "Wahrheit vom Ursprung des Leidens", fragt nach der Ursache der Wiedergeburt und stellt fest: Es ist die Gier (taṇhā), die uns von Dasein zu Dasein treibt. Immer wieder lässt sie den Menschen nach einem neuen und, wie er hofft, leidfreien Leben greifen; das Begehren nach Freuden ist der Erzeuger des Leidens. In einer späteren Kodifikation stellt der Buddha dem Wiedergeburtenantrieb Gier den weiteren Antrieb Unwissenheit (avijjā) zur Seite, denn nur wer die Gier nicht als Leidensursache erkennt, wird ihr freien Lauf lassen.

Die dritte Wahrheit, die der Buddha erkannte, ist die "von der Leidensaufhebung" und besagt, dass die Erlösung von Leiden und Wiedergeburt durch die Vernichtung der Leidensursache(n) Gier (und Unwissenheit) möglich ist. Die vierte Wahrheit, die "vom Weg zur Leidensaufhebung", gibt die Erlösungsmethode an, nämlich den Achtfachen Weg bewussten Handelns. Er besteht aus
- Rechter Ansicht,
- Rechtem Entschluss,
- Rechter Rede,
- Rechtem Verhalten,
- Rechtem Lebensunterhalt,
- Rechter Anstrengung,
- Rechter Achtsamkeit und
- Rechter Meditation.

In Hunderten von Lehrreden, gehalten in den 45 Jahren seiner Lehrtätigkeit, machte Gotama klar, wie die Acht Regeln des Weges zu verstehen sind. Da es das buddhistische Ziel ist, Wiedergeburt und Leiden aufzuheben und das Nibbāna (Skt: Nirvāṇa) zu erreichen, gelten alle Gedanken und Taten als heilsam, welche die Leidensursachen Gier, Hass und Unwissenheit schwächen. Das oberste Gebot für den Buddhisten ist Achtsamkeit im Denken und Tun.

Die erste Predigt des Buddha im Wildpark von Isipatana (Sārnāth) vor den fünf Asketen enthält wenig, das nicht auch in den Upaniṣaden zu finden ist. Gotama wäre einer von vielen Upaniṣaden-Auslegern geblieben, wenn er nicht einige Tage nach der ersten Predigt - wiederum vor jenen fünf Mönchen - eine Erkenntnis vorgetragen hätte, mit der er sich sehr markant von den Upaniṣaden abhebt: die Behauptung der Nichtexistenz eines Ich, einer Seele.

Die Upaniṣaden, die er als Schüler des Uddaka Rāmaputta studiert hatte, setzen in allen Wesen die Existenz einer Seele (Skt: Ātman) voraus. Sie ist ewig und unwandelbar und überdauert den Tod. Wenn jemand stirbt, schlüpft seine Seele in eine neue Verkörperung und lebt in dieser weiter. Die Seele ist das Identitätsband im Kreislauf der Wiedergeburt - vergleichbar mit dem Seidenfaden, der sich als Kontinuum durch ein Perlenhalsband zieht und die Perlen zur Kette zusammenhält.

Der Buddha trat dem Seelenglauben der Upaniṣaden sehr entschieden entgegen. Er begab sich damit in den Zwang, die Wiedergeburt ohne Annahme einer überwandernden Seele zu erklären.

Die empirische Person, so betont er, besteht aus fünf - und nur fünf - Gruppen (khandhā): dem Körper, den (Sinnes-)Empfindungen, den Wahrnehmungen, den (von diesen geweckten) Geistesregungen und dem Bewusstsein. Da alle fünf Komponenten beim Tode des Menschen zugrunde gehen, können sie weder einzeln noch im Verbund eine Seele sein, denn diese ist per Definition unsterblich. Die empirische Person ist folglich seelenlos (anatta) oder leer (suñña).

Dennoch lehrt auch der Buddha Wiedergeburt. Seinem Verständnis nach ist die Präexistenz A mit der Nachexistenz B nicht durch Seelenkontinuität, sondern durch Konditionismus verbunden. Es ist der von der Existenz A beim Tode ausgehende kammische Impuls, der ein Elternpaar in kammisch entsprechenden Lebensumständen fruchtbar macht und im Schoße der Mutter die Existenz B entstehen lässt. Die Eltern schaffen die physischen, der Kamma-Impuls liefert die geistigen Voraussetzungen des neuen Lebewesens. Er gibt den Anstoß, nicht mehr. Zwischen den Existenzen A und B besteht weder Identität (durch eine überwandernde Seele) noch sind sie voneinander unabhängig. Ihre Beziehung liegt zwischen diesen beiden Auffassungen in der Mitte: in ihrer Bedingtheit.

Das vorbuddhistische Denken Indiens bewegte sich in Begriffen der Substanz, der Buddha entdeckte das Denken in Konditionalitäten. Es erwies sich philosophisch als äußerst folgenreich, denn es erklärt auch die Welt mit ihren Erscheinungen. Wie es in den Wesen keine den Tod überdauernde Seele gibt, so gibt es in und hinter der Welt kein Absolutes, kein Ding an sich. Die Welt ist kein Seiendes, sondern ein ständiges Werden - wie das Bild auf dem Fernsehschirm, das nicht steht, sondern sich unentwegt aufbaut. Buddhisten sind Seelenleugner (Skt: anātmavādin) und Substanznegierer (Skt: asvabhāvavādin) und lehren zwischen Sein und Nichtsein den Mittelweg des Konditionalen Entstehens (Skt: pratityavāda).

Die Ablehnung des Seelenglaubens ist von Konsequenz auch für die buddhistische Erlösung, das Nibbāna (Skt: nirvāṇa). Religionen, die eine unsterbliche Seele lehren, müssen erklären, wo und wie die Seele nach der Erlösung fortdauert; sie sind gezwungen, für die Seele ein Paradies oder das Eingehen in eine Gottheit oder Universalseele anzunehmen. Der Buddha, der die Existenz einer Seele bestritt, unterlag dieser Denknotwendigkeit nicht und konnte das Nirvāṇa als Vernichtung von Gier und Unwissenheit, als Ende der Wiedergeburt und des Leidens definieren. Da Worte nur saṃsārisch-innerweltliche Dinge beschreiben können, Nirvāṇa, "Verlöschen", aber Freiheit vom Saṃsāra ist, liegt es jenseits der Sprache.


Wie eine Flamme, ausgeweht vom Winde,
verweht ist und Begriffe nicht mehr passen,
so der von Leib und Geist befreite Weise:
Er ist nicht mehr begrifflich zu erfassen. (Snip 1074)

Einer der ersten Orte, die Gotama nach Missionsbeginn und einem Regenzeitaufenthalt in Sārnāth aufsuchte, war Rājagaha, die Hauptstadt des Magadha-Reichs. Schon das erste Gespräch, das der junge Buddha mit Bimbisāra, dem Mahārāja von Magadha führte, gewann den König für den Dharma. Vor zahlreichen Augenzeugen erklärte der Herrscher sich zum Laienbekenner und schenkte dem Meister einen Klosterhain. Die Lehre und der buddhistische Mönchsorden waren damit in Magadha staatlich gebilligt. Das Ergebnis war starker Zulauf sowohl zur Laienschaft als auch zum Orden.

Der reiche Kaufmann Anāthapiṇḍika aus Sāvatthi, der dem Buddha in Rājagaha begegnet war, bewog ihn dazu, seine Lehre auch in Sāvatthi darzulegen. Der Meister folgte der Einladung ein Jahr später. Anāthapiṇḍika hatte inzwischen bei Sāvatthi einen Hain erworben, den er dem Buddha zum Geschenk machte.

Es war bei diesem Aufenthalt in Sāvatthi, der Hauptstadt des Kosala-Reichs, dass der Buddha dem zweiten großen König seiner Zeit begegnete, dem Kosala-Mahārāja Pasenadi. Anfänglich skeptisch gegenüber dem Erlöstheitsanspruch des jungen Sākiya-Adligen, wurde Pasenadi doch bald für dessen Lehre gewonnen. Zwischen den beiden Männern erwuchs eine herzliche Freundschaft. Damit war der Buddhadhamma auch nördlich der Gaṅgā staatlich anerkannt.

Einige Jahre darauf, nach weiteren Missionserfolgen in den östlich an Kosala anschließenden Stammesrepubliken, beschloss der Buddha, auch den dritten unabhängigen König des mittleren Nordindien für die Lehre zu werben, den Vaṃsā-Mahārāja Udena. In dem zwischen den Flüssen Varunā und Gaṅgā gelegenen Vaṃsā-Reich besaß der Buddha-Orden bereits Anhänger und in Kosambī einige Stiftungsklöster.

Der Versuch schlug fehl, denn König Udena war ausschließlich weltlich gesinnt und vermied es, Gotama zu treffen. Sein Desinteresse an Religion hatte unter den Mönchen von Kosambī zu erheblichem Disziplinmangel geführt, den auch der Buddha zu spüren bekam. Eine Verletzung der Etikette durch einen Bhikkhu reichte ihnen aus, es auf eine Ordensspaltung ankommen zu lassen. Es gelang dem Meister gerade noch, das Schisma zu verhindern.

Der Darlegung seiner Erkenntnisse, die zur Erlösung und zum Nibbāna führen, galt das zentrale Bemühen des Buddha, denn der Dharma war sein Lebenswerk und sein Geschenk an die Welt. Daneben war es erforderlich, Richtlinien für die Bedürfnisse des Alltags zu erlassen. Drei Komplexe waren zu regeln: 1. die interne Ordensdisziplin, 2. das Verhältnis zwischen Orden und Gesellschaft und 3. die Beziehungen des Ordens zu Staat und Herrscher. Für alle drei Bereiche kamen ihm die Verwaltungs- und Rechtskenntnisse zupass, die er im Hause seines Vaters, des Rāja Suddhodana, erworben hatte. Für den letzteren Bereich war zudem seine Herkunft aus der Kaste des Krieger- und Amtsadels von Bedeutung, denn sie erlaubte ihm, mit den Königen ebenbürtig und politisch verständig zu sprechen.

I. Die Bräuche im Mönchsorden folgten im wesentlichen den Gepflogenheiten der zur Buddhazeit in Indien zahlreichen Wanderbettler (samaṇa). Wie der Buddha selbst waren seine Bhikkhus zu zölibatärem Leben, zur Besitzlosigkeit, zum Almosenbetteln und zum Umherwandern verpflichtet, nur während des jährlichen Monsunregens (Juni bis September) hatten sie sich eine Regenhütte zu bauen und am Ort zu bleiben. Als Kleidung waren ihnen drei gelbe, aus Lumpen zusammengenähte Tücher erlaubt, dazu Gürtelband, Almosenschale, Wasserfilter, Schermesser und Nadel.

Durch den starken Zulauf zum Orden waren auch Männer Bhikkhus geworden, die für ihren Beitritt andere als religiöse Motive hatten. Einige waren eingetreten, weil König Bimbisāra seinen Leibarzt Jīvaka zum Arzt für den buddhistischen Saṅgha bestimmt hatte und sie erwarten konnten, als Mönche kostenlos von dem berühmten Doktor behandelt zu werden. Andere wollten sich ihren Schulden oder dem Militärdienst entziehen. Zu den ersten Verfügungen, die der Buddha erließ, gehörten deshalb Ordinationsregeln, die unheilbar Kranke, Verschuldete und Wehrpflichtige von der Aufnahme in den Saṅgha ausschlossen.

Dazu kamen Regeln für das gesittete Benehmen der Mönche sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft. Neben den Gebildeten, die mehr als drei Viertel der Bhikkhus ausmachten, gab es nämlich im Orden auch Männer schlichter Herkunft, denen es an Erziehung mangelte. Im Hinblick auf sie hatte der Ordensleiter elementare Anstands- und Etiketteregeln zu erlassen. Oberste Gebote für alle Mönche waren Selbstzügelung, Bescheidenheit und Abkehr von der Welt.

Praktischen Sinn bewies Gotama in der Frage des Vegetarismus. Sollten die Mönche, wenn ihnen beim Almosengang Fleisch gegeben wurde, die Gabe ablehnen? Die Frage wurde verneint, denn es stand dem Bhikkhu nicht an, die Spende der Frommen zu bemäkeln. Fleisch hatte er nur dann zurück zu weisen, wenn er vermutete, das Tier sei speziell für ihn geschlachtet worden.

Natürlich gab es gegen die monastischen Verhaltensnormen gelegentlich Verstöße. Gotamas Schiedssprüche für die Ahndung wurden im Orden mit Sorgfalt memoriert und bildeten als gewachsenes Fallrecht mit der Zeit ein Ordens-Strafgesetzbuch. Die Delikte sind darin nach der Schwere der Strafe geordnet; vorn stehen die Taten, die Ausstoßung aus der Mönchsgemeinde nach sich ziehen, hinten die Vergehen, die durch bloßes Schuldbekenntnis als geahndet gelten.

Vor eine Rechtsfrage stellten den Buddha des weiteren die ihm und dem Saṅgha gestifteten Klöster, denn wie der einzelne Mönch hatte der Orden auch als Gesamtheit besitzlos zu sein. Zudem brachte der Besitz dem Eigentümer die Verpflichtung zur Pflege und Instandhaltung. Der Buddha löste das Problem indem er, durch Erfahrung gewitzt, Liegenschaften nur als Dauerleihgabe entgegen nahm, für die dem Orden das Nutzungsrecht zukam, die der Spender jedoch instand hielt.

II. Armut war ein Gebot für Mönche, für den Mann im weltlichen Leben aber ein Übel, das war die Überzeugung des Buddha. Er befürwortete deshalb wirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeiten, ja gab sogar Hinweise, welche Qualitäten zum Kaufmannsberuf nötig sind und wie die Gewinne zu verwenden seien. Statt der von den Berufsbrahmanen propagierten, angeblich den Geschäftserfolg sichernden teuren vedischen Opfer empfahl er gute Werke und Almosenspenden. Es ist kein Zufall, dass dem Orden von den Handel- und Gewerbetreibenden erhebliche Hilfe zufloss.

Ein weiterer Grund für breiten Zuspruch war, dass Gotama Personen der nicht-höchsten Kasten nicht als zweitrangige Menschen ansah, wie viele Brahmanen das taten. Er ethisierte den Kastenbegriff: Brahmane ist man nicht durch Geburt in der Brahmanenkaste, sondern wird man durch ethische Disziplinierung. Seine Verwendung des Ausdrucks "Brahmane" ehrte die Brahmanen und wies zugleich ihren Kastenhochmut zurück.

Zwiespältig blieb des Buddha Haltung gegenüber Frauen. Einerseits waren sie eine Quelle ständiger Irritation für den Mönch und lenkten ihn von der Erlösungssuche ab, andererseits besaßen sie die selbe Erlösungsfähigkeit wie Männer; der Pāli-Kanon nennt zahlreiche Frauen, welche die Heiligkeit verwirklichten. Erst nach langen Bedenken gestand der Buddha seiner Stief- und Pflegemutter Mahāpajāpatī bei einem Aufenthalt in Vesāli zu, einen Nonnenorden zu gründen. Er blieb aber misstrauisch und verfügte, dass Nonnen den Mönchen nachgeordnet seien. Der Sympathie der Frauen zum Buddha hat dies jedoch nicht geschadet. Laienbekennerinnen, an der Spitze die warmherzige Visākhā aus Sāvatthi, machten dem Orden Schenkungen und erwiesen den Mönchen bei der Almosenvorsprache am Haus, in der Regenzeit und bei Krankheit viele Wohltaten.

III. Eine scharfe Linie trennte Mönchsorden und Staat. Die Bhikkhus hatten bei Ratssitzungen kein Stimmrecht und durften sich auch nicht als politische Meinungsmacher betätigen. Der Staat zeigte sich erkenntlich, indem er den Orden von der weltlichen Gerichtsbarkeit freistellte und die eventuellen Verfehlungen von Mönchen der Ahndung durch das Ordens-Strafrecht überließ. Ausgenommen war allerdings, wenn ein Mönch einen Mord beging. In diesem Falle galt, dass das Verbrechen den Bhikkhu automatisch aus dem Orden ausschließt und er als Nicht-Mönch der Justiz des Staates anheim fällt.

Obwohl der Buddha als Mann des Krieger- und Amtsadels die Belange des Staates und der Mahārājas respektierte und die Mönche entsprechend anwies, machten die Könige ihm gelegentlich seine Grenzen deutlich. Das Ordinationsverbot für Wehrpflichtige geht auf König Bimbisāras Hinweis zurück, und König Pasenadi beschrieb dem Buddha ausführlich sein Spitzel- und Spionagesystem um anzudeuten, dass die ordensinternen Ereignisse und Meinungen dem Staat nicht verborgen bleiben. Der Buddha verstand die Warnungen und richtete sich danach.

Wie der Meister selbst waren auch seine Mönche als Missionare erfolgreich. Schon bald nach der Gründung des Ordens hatte der Buddha die Bhikkhus angewiesen, sich in verschiedene Richtungen als Darleger des Dhamma auf den Weg zu machen. Die Mönche zogen hinaus und führten dem Buddha Freunde der Lehre zu, die auf Wunsch von ihm ordiniert wurden. Als dieses Verfahren zu umständlich wurde, gab der Meister seinen Mönchen die Erlaubnis, selber Bhikkhus zu ordinieren und erließ Regeln, wie und vor wie vielen Zeugen dies zu geschehen habe. Der Orden war damit von seinem Gründer abgenabelt und in der Lage, ein Eigenleben zu führen. Wenige Jahre nach Beginn der buddhistischen Mission waren die gelben Mönche in allen Teilen Nordindiens ein gewohnter Anblick. Zugleich wuchs die Zahl der Laienbekenner. Der Pāli-Kanon enthält die Namen von 291 mit dem Buddha gleichzeitig lebenden Bhikkhus und von 61 Nonnen. Daneben werden als Zeitgenossen 74 männliche und 31 weibliche Laienbekenner genannt - Bruchteile der tatsächlichen Zahlen.

Das Wandergebiet des Buddha erstreckte sich über ein Areal von 600 x 300 km Ausdehnung. Der westlichste Punkt war Kosambī an der Yamunā (35 km südwestlich von Allahabad), der östlichste die Stadt Campā (50 km östlich von Bhāgalpur). In Nord-Süd-Richtung reichten seine Reisen von Kapilavatthu I (95 km nordwestlich von Gorakhpur) bis nach Uruvelā (10 km südlich von Gayā). Da es ihm wichtig war, den Dhamma nicht nur schlichten Dorfbauern, sondern vor allem Gebildeten vorzutragen, richtete er die Wanderungen so ein, dass sie die größeren Orte und Städte berührten, wo die Gebildeten sich konzentrierten. Meistens folgte er den Handelsrouten der Kaufleute. Die Wanderstrecken des Buddha sind deshalb auch für die Wirtschaftsgeographie Altindiens aufschlussreich.

Die 45 Jahre der Mission des Buddha lassen sich unterteilen in die Phasen des Sieges, der Konsolidierung und der Lebensneige.

Die erste Phase war voll der Triumphe. Strahlend vom Erlebnis der Erleuchtung, selbstbewusst im Erlöstheitswissen und der Überzeugung, den Schlüssel zur Leidenserlösung in der Hand zu halten, legte der Rāja-Sohn Königen und Asketen, Bürgern und Bauern die Lehre dar. Er "gab ihnen durch seine Lehrdarlegung Richtung, machte sie (die Belehrung) annehmen, begeisterte sie und schuf in ihnen Zufriedenheit" heißt es im Kanon. Gotamas Charisma gab allem, was er sagte, den Hauch des Besonderen.

Er kam als Anbieter eines Erlösungsweges, nicht als feuriger Redner; er legte dar, ohne zu überreden. Weder war er ein Prophet, der mit Verdammnis droht, noch ein Reformator, der Bestehendes umwerfen will. Im Gegenteil: Jedes Engagement in der Welt galt ihm als Verstrickung in die Welt; die Gesellschaft als Ganzes und ihre sozialen Gegebenheiten erschienen ihm unveränderbar. Er war ein Mystiker, der die Abkehr von der Welt empfahl und den Weg zur Erlösung im Inneren eines jeden einzelnen aufzeigte.

Trotzdem war er nicht weltscheu. Er besaß Welt- und Menschenkenntnis und setzte sie ein - auch für "Public Relations". So in Giribbaja (= Rājagaha), wo er kurz zuvor die Anhänger des Sektenführers Sañjaya zum Dhamma bekehrt hatte und die Bevölkerung darüber murrte, dass allzu viele Söhne der Stadt ihre Familien verließen und Mönche des Buddha wurden. Wenn die Bhikkhus an den Haustüren um Almosen erschienen wurde ihnen, wahrscheinlich von Kindern, oft der Neckvers entgegengerufen:

Der Wandermönch, der große, nach Giribbaja kam,
des Sañjaya Gefolgschaft er leitend übernahm:
Wen wird er jetzt entführen, wer ist als nächster dran?

Geschickt konterte der Meister durch einen Gegenvers, den er durch seine Mönche in Umlauf setzen ließ:

Die großen Helden, Wahrheitsfinder,
sie führ'n durch wahre Lehre an.
Wer ist wohl neidisch auf den Weisen,
der mittels Wahrheit führen kann?

Der Gegenspruch wurde aufgenommen, verbreitete sich und brachte die Kritik zum Verstummen.

Die zweite und längste Missionsperiode, beginnend mit der Beilegung des Mönchsstreites von Kosambī, war die der Bestandssicherung.

Der Buddha war als eines der führenden Schulhäupter seiner Zeit anerkannt, die beiden größten Könige Nordindiens waren ihm wohlgesonnen, sein geographischer Wirkenskreis war abgesteckt, zahlreiche Wohnhaine und Klöster standen dem Orden zur Verfügung. Es drängte den Buddha nicht mehr, neuen, aber voraussetzungslosen Hörern die Grundzüge des Dhamma darzulegen; lieber überließ er dies seinen Bhikkhus, unter denen es hervorragende Dhamma-Interpreten gab. Er zog es vor, Lehrreden nur noch auf Einladung und vor gehobenem Hörerkreis zu halten.

Gern sprach er vor fortgeschrittenen Mönchen, denn es lag ihm daran, sie so zu schulen, dass sie die Lehre ohne Entstellung an zukünftige Generationen weiter geben konnten. Wenn jemand seine Lehre ablehnte, blieb er gelassen, wenn aber einer der Bhikkhus sie fehlinterpretierte, stellte er ihn hart zur Rede und schreckte nicht davor zurück, ihn als Dummkopf (moghapurisa) zu tadeln.

Etwa vom 60. Lebensjahr an machten ihm gesundheitliche Probleme zu schaffen. Ein Rückgratleiden quälte ihn und hinderte ihn daran, lange zu stehen. Wenn er sich setzte, lehnte er sich gegen eine Wand oder Säule. Mehrfach passierte es, dass er eine Lehransprache vor Schmerzen nicht fortsetzen konnte und seine Meisterjünger Sāriputta, Moggallāna, Mahākassapa oder den treuen Begleiter Ānanda bat, die Belehrung zu Ende zu führen.

Unerfreuliche Entwicklungen brachte das letzte Lehrjahrzehnt des Buddha, die Dekade seiner Lebensneige.

Devadatta, ein Vetter und zugleich der Schwager des Buddha und Mönch in seinem Orden, glaubte, dass der Meister, jetzt 70 Jahre alt, die Leitung des Ordens in andere Hände geben sollte. Eines Tages trat er vor den Buddha hin und schlug ihm vor, ihm, dem Devadatta, die Leitung des Saṅgha zu übertragen. Empört wies der Buddha den Vorschlag ab.

Um sein Ziel dennoch zu erreichen, bediente sich Devadatta des Prinzen Ajātasattu, des Sohnes des Mahārāja Bimbisāra. Er hetzte ihn auf, seinen Vater zu ermorden, um die Herrschaft über Magadha selbst zu übernehmen. Zwar wurde das Attentat vereitelt, aber Bimbisāra war von der Vorahnung weiterer Mordanschläge so geängstigt, dass er zugunsten seines Sohnes abdankte. Ajātasattu, von solcher Nachgiebigkeit ungerührt, ließ seinen Vater ins Verließ werfen und dort verhungern.

Nach diesem "Erfolg" gab Ajātasattu, nun Mahārāja, dem Devadatta freie Hand, auch seine Interessen durchzusetzen. Devadatta stiftete darauf drei Attentate auf den Buddha an - mit dem Schwert, durch Steinigung und durch einen wütenden Elefanten; alle misslangen. Auch sein Versuch, den Orden zu spalten und die Leitung des einen Teils zu übernehmen, scheiterte. Wahrscheinlich hätte er noch weiter intrigiert, wenn sein Tod dem nicht ein Ende gesetzt hätte.

Mit Ajātasattu als Mahārāja an der Spitze brach im Königreich Magadha ein neues Zeitalter an, denn der junge Herrscher hatte Kriegspläne. Er schuf eine starke Armee und verlegte die Hauptstadt seines Reiches von Rājagaha an die Gaṅgā nach Pātaliputta (Patna), das er zur Festung ausbaute, um von hier aus die Vajjī-Föderation zu überfallen. Der Buddha beobachtete die Vorbereitungen mit Besorgnis.

Wie in Magadha, so trat auch im Königreich Kosala ein Herrscherwechsel ein. Durch den Verrat eines Generals, der einen geheimen Groll gegen den Kosala-Mahārāja Pasenadi hegte, kam dessen Sohn Viḍūḍabha auf den Thron. Sofort nutzte dieser seine Macht, um einen Racheplan gegen die Sākiyas auszuführen, die seinem Vater vor Jahrzehnten ein gemischtkastiges Mädchen als Braut gesandt hatten, das dann seine, Viḍūḍabhas, Mutter geworden war. Mit seinem Heer rückte er gegen Kapilavatthu, die Heimatstadt des Buddha, vor, tötete die Bewohner und setzte die Stadt in Brand.

Die Zerstörung war so gründlich, dass die Bürger Kapilavatthus, die Viḍūḍabhas Massaker entkommen waren, später nicht mehr in die frühere Stadt zurückkehrten, sondern 16 km südwestlich davon eine neue gründeten, die sie wiederum Kapilavatthu nannten. Man hat deshalb zwei Städte gleichen Namens zu unterscheiden: Kapilavatthu I (= Tilaurakoṭ in Nepāl), wo der Buddha seine Jugend zugebracht hat, und Kapilavatthu II (= Piprahvā in Indien), wo die überlebenden Sākiyas sich nach der Zerstörung des ursprünglichen Kapilavatthu niederließen.

Die letzte Regenzeit seines achtzigjährigen Lebens brachte der Buddha in Gesellschaft des Bhikkhu Ānanda bei Vesāli zu. Nach einer Krankheit, die er nur knapp überlebte, nahm er am Ende des Monsuns seine Wandertätigkeit wieder auf, begleitet von einigem Gefolge. In winzigen Tagesmärschen ging es nach Nordwesten.

Mit Mühe erreichte die Schar über mehrere Etappen den Ort Kusināra, wo Ānanda dem kranken Meister unter Bäumen ein Lager bereitete. Jeder ahnte, dass der Tod des greisen Lehrers bevorstand, Ānanda brach sogar in Tränen aus. Voll bewusst und bei klarem Verstand gab der Buddha letzte Anweisungen.

Es war Nacht, als er die Bhikkhus ein letztes Mal ansprach. Mit der Ermahnung, im Streben um Erlösung nicht nachzulassen, ging er ins Vollkommene Erlöschen (parinibbāna) ein. Die ältere Indologie bestimmt dieses Ereignis auf das Jahr 483 v. Chr.

Der Bhikkhu Mahākassapa war es, der die Notwendigkeit erkannte, die Äußerungen des Buddha für die Zukunft zu kodifizieren. Er berief darum für die nächste Regenzeit eine Versammlung von dienstälteren Mönchen nach Rājagaha ein: Jeder von ihnen sollte die Gelegenheit haben, Worte des Meisters, die er selbst gehört hatte, vorzutragen und von der Synode zwecks Kanonisierung billigen zu lassen. So geschah es. Vier Monate nach dem Tod des Buddha versammelten sich ausgewählte Mönche an der Sattapaṇṇi-Höhle bei Rājagaha zum Ersten buddhistischen Konzil.