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"Buddhismus - Ein Grundlagenwerk ..."

  Kritische Betrachtung eines Buches für Unterrichtszwecke

 

Titelbild
Bildzitat nur zur Referenz

 

1. Das Buch erscheint trotz des Preises irgendwie "billig", da es nur ein softcover-gebundenes Werk im Format A4 ist. Zum Zwecke des damit Arbeitens ist eine Klebebindung (Softcover) denkbar ungeeignet. Schon nach kurzer Zeit des Gebrauches, denn dafür soll es doch gedacht sein, wird der Kleber die Seiten frei geben. Für fast 25 Euro eine unzureichende Qualität.

2. Es handelt sich um eine Übersetzung eines Werkes aus dem Englischen. In wie weit diese korrekt und verlässlich angefertigt wurde, kann hier nicht berücksichtigt werden. Welcher speziellen Spielart des Buddhismus Frau Side angehört, wird erst deutlich, wenn man sich intensiver mit den Texten, vor allem den buddhistischen Urschriften, befasst hat. Zweifellos kann Frau Side zu einer der tibetisch orientierten buddhistischen Traditionen zugeordnet werden. Laut Titel handelt es sich um "Ein Grundlagenwerk für Lehrende, Lernende und alle Interessierte", was ein gewisses Mindestmaß an Niveau bzw. Wahrheitsgehalt erwarten lässt.

Diese Erwartungshaltung kann nur enttäuscht werden, wie schon auf den ersten Seiten klar ersichtlich wird.

Bereits im ersten Absatz des Vorwortes vom Verlag, angefertigt von Frau Wolter, die ebenfalls im tibetischen Buddhismus zu Hause ist, findet sich die Aussage, dass dieses Buch "sicherlich zur ersten Wahl" gehören wird. Im weiteren Verlauf wird deutlich werden, WESSEN erste Wahl es sein kann. Frau Side wird bescheinigt, dass sie seit mehr als 30 Jahren praktizierende Buddhistin sei. Wenn man das Buch aufmerksam liest, wird man merken, dass auch über 30 Jahre Praxis im Buddhismus nicht Fehlerfreiheit garantieren können (und werden).

3. Die Einführung der Autorin sagt aus, dass die Lehre des Buddha eine Vision unterstütze, dass wahrhaftes Glück wirklich möglich sei, und der Buddhismus viele praktische Methoden biete, die darauf ausgerichtet seien, das Bewusstsein zu erweitern, damit die Menschen für sich selbst erkennen können, was auch Meditation, ethische Werte, die Praxis von Hingabe und viele Weisheitslehren mit einschließe. (2. Absatz). Hier werden ganz deutlich Halbwahrheiten verbreitet. Wer sich tatsächlich mit der Praxis der Meditation beschäftigt hat, und das nicht nur theoretisch, wie es so manche "Vipassanā-Kenner" gerne behaupten, sondern wer tatsächlich praktiziert, der wird hier stutzig werden. Dass Bewusstseinserweiterung eine vom Buddha gelehrte Praxis sein soll, ist kaum nachvollziehbar. Es lässt unweigerlich die Assoziation von Drogen aufkommen, Erinnerungen an New Age, Bhagvan, Goa, Hippies usw. werden wach. Die Praxis von Hingabe (Bhakti) ist eindeutig eine lange nach dem Ableben des Buddha zu dessen Lehre hinzu gefügte Sache, welche aus dem Yoga stammt. Dass die Lehre des Buddha alle anderen Lehren in sich einschließt, kann man im Gleichnis von der Elefantenspur (MN 27+28) nachlesen. Aber dass man sich im Buddhismus mit vielen anderen (weiteren) Weisheitslehren zu beschäftigen hat, oder das dieses empfohlen sei, wird hier unterstellt - was aber nicht korrekt ist.

4. Im dritten Absatz auf Seite 12 wird postuliert, die wichtigste Botschaft des Buddhismus sei, dass die Menschen die Fähigkeit hätten, ihr Leben und sich selbst zu ändern. Für diese Erkenntnis bedarf es kaum der Lehre eines Vollkommen Erwachten, das wussten schon viele andere Weisheitslehrer, und auch heutzutage ist dies gängiges Allgemeinwissen, zumindest in Psychologen-Kreisen.

Weiterhin wird das Ziel des Buddhismus genannt: persönliche Transformation. Diese Verwandlung durchliefe viele Stadien bis zum Erreichen der Erleuchtung. Nur hat der Buddha dieses Ziel nicht gewiesen. ER hat einen (Aus-)Weg aus dem "Leiden" (Unzulänglichkeit wäre die treffendere Übersetzung von dukkha) gewiesen bzw. gelehrt. In Seiner Lehre ist das Höchste Ziel das Realisieren des Nibbāna. Wir kommen später nochmals (mehrmals wahrscheinlich) darauf zurück.

Die Autorin behauptet, Zitat: "Erleuchtung bedeutet, die grenzenlose Liebe und Weisheit, die in jedem von uns vorhanden ist, vollständig zu verwirklichen". Woher sie diese Erkenntnis hat, verschweigt sie allerdings. Aus dem Pāli-Kanon stammt sie mit Sicherheit nicht. Die Annahme, dass in jedem Menschen "grenzenlose Liebe und Weisheit" vorhanden sei, wohl als Synonym für die so genannte "Buddhanatur" gemeint, kommt aus einer Spätentwicklung des Buddhismus, wurde aber nicht vom historischen Buddha selber gelehrt.

5. Auf Seite 13 wird "einfach ausgedrückt", der Buddhismus ziele darauf ab, uns zu helfen, bessere Menschen zu werden. Das ist wirklich etwas zu einfach ausgedrückt, schlichtweg ungenau. Da das Bessere stets der Feind des Guten ist, weil Begriffe wie "gut" und "schlecht" stark subjektiv eingefärbt sind, sollten derlei Bewertungen in einem Buch, welches als "Grundlagenwerk" gehandelt werden will, unterbleiben.

Für die Autorin scheint es der radikalste Aspekt zu sein, dass die Reise zur Erleuchtung die Begrenzungen des Menschseins überwindet. Sicherlich ist das ein Versuch, oben genannte Transformation literarisch zu umschreiben. In einem fundiert erscheinen wollenden Werk sollten solche literarischen Höhenflüge unterbleiben bzw. durch bodenständigere Umschreibungen ersetzt werden.

6. Im letzten Absatz auf Seite 13 behauptet die Autorin, dass (Zitat) die Lehren, die der Buddha zu Themen wie Karma, Wiedergeburt, Nirvana und zur Existenz nicht-menschlicher Wesen usw. alle aus transzendenten Einsichten her rühren, die er durch Meditation gewonnen habe - und die im allgemeinen dem normalen menschlichen Geist nicht zugänglich seien. Das ist eine unrichtige Feststellung, denn es gab schon vor der Erleuchtung des Siddhārtha zum Buddha die Lehre vom Karma, der Wiederexistenz ("Wiedergeburt"), vom Nirvana und vor allem gab es schon lange die Überzeugung, dass es nicht-menschliche Wesen gibt. Auch nach dem Hinausziehen in die Hauslosigkeit des Fürstensohnes Siddhārtha (er war beileibe KEIN Prinz, wie so oft behauptet und nur allzu gerne geglaubt wird!), erhielt selbiger Unterricht in der damals geheimen Lehre der Upaniṣaden, in denen sehr wohl die Gesetzmäßigkeiten von Ursache und Wirkung als auch die Idee des Karma enthalten sind.

Die Autorin behauptet, um die Lehren des Buddha vollkommen verstehen zu können, müsse man selber Erleuchtung erlangen. Das ist wiederum eine der Halbwahrheiten, mit denen die Autorin geschickt jongliert. Denn mit dem Aufsteigen von Erkenntnissen, z.B. durch meditative Praxis, versteht man eben jene Dinge, die der Buddha lehrte. Das ist ja gerade das Zeichen von Verstehen bzw. Erkenntnis. Vollkommenes Verständnis im Sinne von allumfassender Erleuchtung wie sie der Buddha hatte, ist zur Leidbefreiung nicht zwingend erforderlich. Es genügt die Erkenntnis, dass Gier, Hass und Verblendung, eben jene Drei zugrundeliegenden Tendenzen, ausgemerzt sind.

Und so könnte bzw. würde es weiter gehen - Seite für Seite voller Ungereimtheiten.

Fazit: 25 Euro für ein derart schlechtes Buch hinsichtlich Art und Inhalt zu verlangen, und das dann auch noch als "Grundlagenwerk" anzupreisen, ist jenseits aller Benennungen.


 

[Santuṭṭho Juni 2010]