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Über die Hindernisse, die Frauen überwinden müssten, um im thailändischen Buddhismus Bhikkhunīs zu werden

  Ein Vortrag von Prof. Dr. Barend Jan Terwiel, Universität Hamburg

 

Mahāpajāpatī Gautamī
bhikkhuni
Standbild im Nonnen-Kloster von Lumbinī
"Gautami Nun Center"


Die wichtigste schriftliche Quelle, woraus alle Thais Information bekommen über die Kategorie der Bhikkhunī, oder der buddhistischen Nonnen, ist der Pātimokkha, die Litanei der 227 Ordensregeln, die alle vierzehn Tage in gut funktionierenden Klöstern vorgetragen wird.

In diesem Vortrag werde ich zuerst alle Information aus dem Pātimokkha hervorheben, die etwas über das Verhältnis zwischen Mönchen und Frauen aussagen, wobei auch alle Erwähnungen über Bhikkhunī eingeschlossen sind.

Nachdem wir die formellen Regeln kurz besprochen haben, werden wir betrachten, wie Mönche sich in der Praxis Frauen gegenüber benehmen. Es wird Ihnen dabei auffallen, dass eine bestimmte Spannung besteht zwischen formellen Regeln und Praxis. Der Kern meines Vortrages befasst sich dann mit den möglichen kulturellen Hintergründen, welche diese beobachtete Spannung erklären können.


1. Mönche und Frauen im Pātimokkha

Die Verhaltensregeln im Pātimokkha, so wie dieser Text von Theravāda-Mönchen regelmäßig rezitiert und konzipiert wird. Ich werde hervorheben, welche dieser Verhaltensregeln spezifisch Frauen erwähnen.

Ich habe nur die Version der Ordensregeln der Theravāda-Buddhisten benutzt. Die Regeln sind in 8 Kategorien unterteilt, generell wichtigere, schwerwiegende Regeln mit wichtigeren Folgen kommen zuerst, die kleineren Verstöße später.

Tabelle 1: Die Verhaltensregeln der Mönche Frauen betreffend im Pātimokkha

  (Zahl) und Kategorie Pāli-Name Nummer, Frauen und Bhikkhunīs betreffend
1 (4) Ausstoßung Pārājikā 1
2 (13) Zeitweilige Ausschließung Saṅghādisesā 2, 3, 4, 5
3 (2) Strafe zu bestimmen Aniyatā 1, 2
4 (30) Aufgabe eines Gegenstandes Nissagiya Pācittiya 4, 5, 6, 7, 8, 9, 17, 27
5 (92) Bußen Pācittiya 6, 7, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 41, 44, 45, 59, 67, 83
6 (4) Beichten Pāṭidesanīyā 1, 2
7 (75) Verhaltensmaßregeln Sekhiya  
8 (7) Vorschriften Sattadhikaraṇasamatha  

Die 13 Saṅghādisesā-Regeln beschäftigen sich fast ausschließlich mit der Keuschheit der Mönche. Ich gebe hier die Übersetzung von Schlingloff der 2. Regel der Saṅghādisesā-Kategorie:

Falls ein Mönch in unzüchtiger Absicht eine Frau berührt, sei es ihre Hand, ihre Haare oder irgend einen anderen Körperteil, so ist dies Saṅghādisesā.

Kategorie 3, die zwei so genannten "Zu untersuchende Fälle": Falls ein Mönch mit einer Frau alleine auf einem privaten, abgeschirmten Sitzplatz sich einige Zeit aufgehalten hat, und ein zuverlässiger Zeuge hat dies wahrgenommen und davon berichtet, dann muss diese Sache nachgeprüft werden, nämlich ob der Mönch exkommuniziert oder nur beraten werden muss.

Bei Kategorie 4 handelt es sich fast ausschließlich um Regeln, die das Armutsgebot der Mönche näher bestimmen. Frauen werden hier eher zufällig erwähnt: in zwei Fällen, die sich eigentlich mit dem Verhältnis zwischen Mönch und seiner Kleidung beschäftigen. So besagen Regen 4 und 5, dass die Kleidung eines Mönches nicht gewaschen oder geschenkt werden darf von einer Bhikkhunī, wenn sie nicht mit ihm verwandt ist. Bei den Pācittiya-Regeln (Kategorie 5) geht es vornehmlich um wichtige Benimm- oder Anstandsregeln. Regeln 6 und 7 besagen, dass ein Mönch nicht unter einem Dach mit einer Frau schlafen darf, und 7, dass er nicht mehr als einige Sätze des Dhamma lehren darf, ohne Anstandsperson. Die Serie von Regel 21 bis 29 bezieht sich auf eine Trennung zwischen Bhikkhu und Bhikkhunī, der Mönch darf, ohne Zustimmung nicht zur Bhikkhunī predigen, er darf ihr keine Kleidung schenken, wenn sie nicht mit ihm verwandt ist, er darf nicht alleine mit einer Bhikkhunī reisen, er darf das Essen, dass sie gesammelt hat, nicht verzehren.

In der sechsten Kategorie, der Pāṭidesanīyā geht es um Essenregeln. Der Mönch darf kein Essen annehmen und konsumieren von einer Bhikkhunī, die nicht mit ihm verwandt ist, und wenn Mönche während einer Mahlzeit sehen, dass eine Bhikkhunī dabei steht und dass sie sich um Essenzuweisung bemüht, dann muss sie gebeten werden, damit aufzuhören.

Ich beschränke mich bei dieser Gelegenheit nur auf die Regeln des Pātimokkha. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass es noch vieles Interessantes über den Buddhismus und Frauen in anderen Teilen des Vinaya-Piṭaka zu beobachten gibt, insbesondere die unterschiedlichen Bestimmungen und Regeln für Bhikkhunī. So muss die vierzehntägige Rezitation der Ordenssatzung von Mönchen und Nonnen separat wahrgenommen werden. Ich beschränke mich auf den Pātimokkha, weil andere Teile des Vinayapiṭaka, wie der Cullavagga, von den durchschnittlichen Thais, die nicht fließend Pāli beherrschen, kaum wahrgenommen wird.


2. Die thailändische Interpretation der Vinaya-Ordensregeln den Frauen gegenüber

In thailändischen Klöstern wird der Pātimokkha nicht nur regelmäßig vorgetragen, sondern er ist ein Hauptbestandteil des staatlich organisierten Basisunterrichts aller Mönche. Das Standardtextbuch ist das Navakovāda (Richtlinien für neulich Ordinierte).

Dort werden die Regeln und ihre praktische Interpretation in einigen Einzelheiten praktisch erklärt. Die Vorbereitungen für die unterste Stufe der jährlichen Mönchsprüfungen beinhalten eine gründliche Kenntnis der wichtigsten Regeln des Pātimokkha. Die Haltung Frauen gegenüber in diesem Textbuch und im Unterricht lassen sich in zwei Sätze zusammenfassen. Erstens sind alle Regeln Bhikkhunī betreffend obsolet, weil es ja keine Bhikkhunī im Theravāda-Buddhismus gibt. Zweitens werden Frauen gefürchtet und gemieden, weil sie die mönchische Keuschheit gefährden.

Nicht wird offiziell gelehrt, dass der Mönch unter allen Umständen Kontakt mit Frauen vermeiden muss. Dies ist jedoch ein Hauptthema in der inoffiziellen Lehre, in dem, was jeder jungen Novize von seinen Vorgesetzten eingeprägt bekommt, wenn er es noch nicht als Kind schon von seinen Eltern gelernt hatte. Während der Vorbereitungszeit lernt er die Mönchskleidung umlegen und sich in diesen ungewöhnlichen Gewändern bewegen. Es wird ihm ausdrücklich verboten, nach der Weihung eine Frau zu berühren.

In Thailand bedeutet das, dass er nicht nur vermeiden soll, mit unzüchtigen Gedanken eine schöne Frau zu berühren, so wie die 2. Regel der Saṅghādisesā-Kategorie es lehrt, er darf überhaupt keine Frau berühren, keine Verwandte, kein neugeborenes Mädchen und keine Greisin. In Myanmar oder Sri Lanka, wo auch Theravāda-Mönche leben, wird das nicht so interpretiert.

In Thailand dagegen wird diese allumfassende Interpretation als selbstverständlich betrachtet. Jedes Mädchen lernt, schon so bald sie lernen kann, dass sie selbst unter keinen Umständen von einem Mönch berührt werden darf, während ihre männlichen Geschwister problemlos mit Mönchen umgehen können. Wenn ein Mönch im Haus auf Besuch kommt, soll sie stets jede Berührung mit der Kleidung des Mönches vermeiden. Wenn sie mit ihren Eltern mit zum Kloster geht für eine Beratung oder Zeremonie, gilt dasselbe: jeder Mönch ist für sie eine Tabu-Person.

Diese vollständige Vermeidung physischen Kontaktes mit allen weiblichen Geschöpfen von den Mitgliedern des Saṅgha wird von allen Mädchen verinnerlicht, es ist Teil der Grunderziehung. Falls ein thailändischer Mönch notwendigerweise durch eine dichte Menge gehen muss - zum Beispiel durch den vollen Marktplatz - wird er seine Kleidung eng an den Leib raffen, um keine der vielen Verkäuferinnen und Kundinnen zu berühren. Zur selben Zeit werden alle Frauen automatisch der gelb, orange, oder braun-rötlich gekleideten Figur aus dem Weg gehen. Jeder Mönch weiß, dass er unter solchen Umständen eine Belästigung für das Marktleben ist und deshalb wird den Novizen gelehrt, solche belebten Orte möglichst zu vermeiden.

Diese Berührungsängste und Tabus sind nicht einfach zu betrachten als eine Überinterpretation der Ordensregel. Für thailändische Mönche, sowie für thailändische Frauen, ist es Teil eines viel größeren und komplexeren Verhaltensmusters.

Es handelt sich zum Beispiel auch um weiblichen Tiere. Die traditionelle thailändischen Klöster sind, in Übereinstimmung mit der Doktrin der buddhistischen ahiṃsa, ein Refugium für Tiere. Einige Klöster werden geschmückt mit Teichen, worin Fische und Schildkröten leben. Sie werden gefüttert und sie können keinen kommerziellen Zwecken dienen. Die meisten Tiere im Kloster leben ihr eigenes natürliches Leben, die Hunde finden Schutz unter den Gebäuden, Vögel in dem Laub der Bäume. Sie kommen selten in Kontakt mit den Mönchen. Vor einigen Jahren sah ich, dass sich in einem ländlichen Kloster eine Katzenfamilie mit einigen Mönchen anfreundete. Als ein noch unerfahrener Mönch eine kleine Katze streichelte, wurde er von einem der Älteren ermahnt: "Pass auf, Junge, siehst Du denn nicht, dass es kein Kater ist? Ein Mönch darf keine Katze streicheln." Diese Regel, die für Thai-Mönche gilt, steht nirgends im Vinaya; es handelt sich um eine typisch thailändische Sitte.

Frauen für ihre Seite lernen traditionell, dass weibliche Kleidung, insbesondere der Wickelrock, der auf thailändisch phanung heißt, nicht auf eine hohe Wäscheleine zum Trocknen aufgehängt werden darf. Dafür wird ein separates Seil gespannt, hoch genug, dass die Wäsche nicht den Boden berührt, aber viel niedriger als der für andere Wäsche. Der Grund dafür ist, dass kein Mann weibliche Wäsche, wie den phanung unterqueren darf. Wenn ein Mann in einen solchen Umstand gebracht wird, würde er seine mühsam erworbenen esoterischen Kräfte verlieren. Traditionell war die Wohnfläche der Thais ein einziges Stockwerk, auf hohen Stelzen errichtet. Niemals wurde eine Wohnfläche mit einem weiteren Stockwerk versehen. In den einfachsten Häusern wie auch in den Palästen saß, aß und schlief man direkt unter einem Dach. Wenn es nötig war, das Dach zu reparieren, wurde zeitweilig das Haus verlassen. Bis zum Ende des 19. Jh. war es für alle Thais möglich sich so zu bewegen, dass einem niemals Mitmenschen über den Kopf liefen. Nur wenn ein Schiff unter einer Brücke fuhr, konnte es geschehen, dass man sich für eine kurze Zeit unter Leuten befand, die gerade diese Brücke überquerten.

Es gibt noch Augenzeugen dafür, dass im traditionellen Thailand, als der Verkehr auf Straßen und Wasserwegen noch relativ ruhig war, ein Mönch, der in einem Boot eine Brücke passieren musste, wartete, bis die Brücke leer war. Das galt insbesondere, wenn sich Frauen auf der höheren Ebene befanden. Heutzutage leben Millionen Thais Stockwerk über Stockwerk und trampeln einander sozusagen auf den Kopf. Seit einigen Generationen hat man gelernt, diese rituelle Belastung zu verdrängen und nicht mehr wahrzunehmen.

Also, ich sagte, dass früher der Mönch wartete, bis die Brücke leer war, bevor er darunter durchfuhr. Der Grund dieses Warten war klar für all diejenigen, die thailändische Kultur besaßen: Es würde einen Mönch schädigen, wenn er sich in der Region unter einer Frau aufhielte. Wenn dieser Fall genauer durchgesprochen wird, würde sofort deutlich, dass hier dasselbe Prinzip gilt, welches einem Mann untersagt, unter einem phanung auf einer Wäscheleine durchzugehen.


3. Prinzipien der Magie in der traditionellen Kultur

Alle waren sich einig, dass bei einem Verstoß gegen das Gebot, nicht die Region unter dem phanung zu durchschreiten, etwas verloren ging, nämlich eine mit viel Mühe erworbene unsichtbare Kraft. Alle männlichen Personen, Mönche, sowie erwachsene Männer waren traditionell damit bemüht, bestimmte unsichtbare Kräfte zu sammeln, zu bündeln und zu ihrem persönlichen Dienst einzusetzen. Diese Kräfte und ihr Erwerb ist ein sehr komplexes Thema, welches hier nur flüchtig angerührt wird.

Es handelt sich um etwas, das wir Esoterik und Magie nennen würden. Thais haben ihre eigenen schwer übersetzbaren Wörter, oft geht es um Unverletzbarkeit khwamkhongkaphan, oder unbestimmte Kraft khlang. Der Zweck des Erwerbs solcher Kräfte ist nicht nur das Erlangen von Unverletzbarkeit, welches sich in den alten Methoden der Kriegsführung als sinnvoll erwies, sondern sie beziehen sich auf alle Bereiche der menschlichen Unsicherheiten. Dieses umfasst auch das Beeinflussen von Anderen: durch bestimmte magische Handlungen wird man attraktiv und unwiderstehbar. Der Mann der einen Gegenstand verkaufen will, der eine mündliche Prüfung ablegen will, dem ein Gerichtsverfahren droht, der um eine Braut werben muss, oder eine Operation erwartet, all solche Männer würden sich traditionell schützen, und viele tun das noch immer. Die Techniken mit Aufladung von symbolisch stark geladenen Amuletten sind allgemein verbreitet. Es gibt eine unzählbare Anzahl solcher kleinen, mit magischer Kraft geladenen Gegenstände, die in Thailand verbreitet und gehortet werden. Diese Gegenstände sind zum Beispiel kleine Buddha-Bilder, Mönchsabbildungen, Heldendarstellungen, Phallusfiguren, Stückchen Fäden aus Zeremonien, kleine Metallplättchen, mit Silben in heiliger Schrift beschrieben, kleine Tücher mit kosmischen Darstellungen und heilige Symbole in Tätowierungen.

Der Thai, der auf Reisen geht, schützt sich gegen Verkehrsunfälle mit mehreren Amuletten, an seinem Gürtel trägt er einen kleinen Phallus für Kraft und Ausdauer, seine Tätowierungen schützen ihn gegen Messerstiche. Wenn er zum Markt geht, hat er einen heiligen Spruch oder einen Gegenstand, der ihm Sympathie einbringt. Dadurch treten Fremde gern mit ihm ins Gespräch und wird er so seine Ziele erreichen.


4. Frauen in den Restgebieten einheimischer Tradition

Die Frauen werden von den Thais also als Gegenpol der viel gewünschten positiven, unverletzbar machenden, Macht bringenden, Erfolg erzwingenden Kraft gesehen. Ihr körperlicher Zustand - und dies kann man verallgemeinern - der weibliche Körper selbst ist es, der als problematisch gesehen wird. Es ist möglich, die Gegensätze in einem Schema unterzubringen. Hierbei verweise ich auf Tabelle 2:

Tabelle 2: Ein oppositionelles Denkschema

Ein männlicher Komplex
Der oppositionelle weibliche Komplex
Buddhistische Meditation,
Rezitieren von heiligen Wörtern,
Empfangen und Benutzen von geladenen Gegenständen.
Frauen behindern Meditation der Männer mittels ihrer inhärenten sexuellen Attraktion.
Die weibliche untere Körperhälfte besitzt die Kraft männliche magische Fähigkeiten zu vernichten.

Diese Gegenüberstellung wird weitgehend interpretiert. Deshalb ist es in bestimmten Klöstern untersagt, dass Frauen das Buddhabild berühren.

Es ist auch für die Thais kein Geheimnis, dass es die weibliche Regelblutung ist, die diesen Zustand der magisch oppositionellen Wirkung verursacht. Meiner Ansicht nach haben wir es mit einem Aspekt der einheimischen Tradition zu tun. Die Frauen haben von Natur aus jeden Monat eine Angst einjagende, gefährliche Zeit, worin sie diese magisch geladene Substanz ausscheiden. Es gibt sogar Beschreibungen davon, was wir schwarze Magie nennen würden. Dabei verarbeitet eine Frau eine Materie, die mit der Blutung in Berührung getreten ist, im Essen eines Mannes, um ihn damit völlig in ihre Macht zu versetzen.

Als ich in den späten 60er Jahren in einem thailändischen Dorf lebte, erzählte einer meiner Dorfkameraden über ein Bordell in der Provinzhauptstadt. Er erzählte, dass es ein gefährlicher Ort sei. Er glaubte, die Frauen hätten den hölzernen Türrahmen mit ihrem Menstrualblut eingeschmiert. Wenn ein Mann zu nahe trete, würde er gegen seinen Willen hineingezogen.

Falls mir so etwas passieren sollte, müsste ich schnell meine Amulette abnehmen und meinen Kameraden zum Aufbewahren geben, bevor ich diese Türöffnung trete, sonst wären die Amulette wertlos geworden.

HYPOTHESE:
Der Glaube an eine ungeheure negative Kraft, die mit dem natürlichen weiblichen Fruchtbarkeitszyklus verbunden ist, und die zerstörerisch wirkt auf die positiven Kräfte der Mönche, ist ein unausgesprochener Grund dafür, weshalb in der traditionellen thailändischen Kultur die Idee von einem Bhikkhunīsaṅgha unmöglich gemacht wird.


5. Maechi

Obwohl die meisten darüber Befragten die Idee einer vollordinierten Nonne ohne weiteres ablehnten, konnte man immer erwähnen, dass es auch im thailändischen Theravāda-Buddhismus das Wort Bhikkhunī gibt, weil dieses Wort in den Pālitexten oft erwähnt wird. Alle Thais wissen darauf sofort zu antworten, dass es solche gelb gekleideten weiblichen vollen Mitglieder des Saṅgha in ihrem Lande nie gegeben hat.

Wenn man gelehrte Mönchen darüber befragen würde, würden sie etwa die folgende Antwort geben:

Der Bhikkhunīsaṅgha ist ausgestorben, technisch gesprochen kann er nicht wieder instand gesetzt werden. Wenn wir unsere männliche Weihungsreihenfolge unterbrechen würden, hätten wir auch für den Bhikkhusaṅgha solch ein Problem. Darüber hinaus, wenn es doch zu einer Bhikkhunī-Weihung käme, würde die Weihung einer Frau eine Befragung enthalten, die peinlich und unzumutbar wäre.

Ich war zuerst ziemlich überrascht über diese Antwort, aber später habe ich diese zwei Aussagen überprüft.

Die Schwierigkeit, dass es eines Bhikkhunīsaṅgha bedarf, um eine Bhikkhunī-Weihung durchzuführen, ist nicht einfach als eine Ausrede zu entlarven. Hier ist ein echtes Problem in der buddhistischen Tradition. Seit dem frühen Buddhismus ist jeder Saṅgha nur anerkannt und berechtigt im Sinne des Buddha zu handeln, wenn er Ansprüche auf eine ununterbrochene Ordinierungsreihenfolge erhebt. Um aus einer frommen Frau eine Bhikkhunī zu machen, wäre es nötig ein buddhistisches Land zu finden, wo der Bhikkhunīsaṅgha existiert, diesen zu untersuchen, als echt, würdig und legitim anzuerkennen und dann gäbe es eine Methode, thailändische Frauen als vollwertige Mitglieder in einem Bhikkhunīsaṅgha zuzulassen. Was die "peinliche Befragung" betrifft, gibt es in der Tat bei der Ordination eines Mönches und bei einer Nonne eine unterschiedliche Befragung, nämlich in dem Anfang der Befragung, die sich damit befasst, ob man an bestimmten Krankheiten leidet, bevor man gefragt wird, ob man menschlich ist, ob man frei von Schulden ist, ob die nahesten Verwandten Zustimmung gegeben haben usw.

Im Cullavagga, X. Kapitel 17. Abschnitt ist die Liste der Fragen bei der Ordination einer Nonne erwähnt, sie fängt an mit einer Reihe von 11 krankhaften Zuständen, die alle mit dem weiblichen Geschlechtsteil und dem Geburtskanal zu tun haben. Ob es wirklich so peinlich ist, diese Liste beantworten zu müssen, ist eine andere Sache. Der ganze Befragungsdialog wird in der Pāli-Sprache durchgeführt, das zukünftige Mitglied des Saṅgha lernt nur auswendig in welcher Reihenfolge er Āma Bhante oder Natthi Bhante sagt. Eine zukünftige Bhikkhunī würde auf die ersten elf Fragen einfach mit Natthi antworten. Das dies ein schwerwiegender Verhinderungsgrund wäre, ist zu bezweifeln. Es scheint mir ein typisch vorgeschobener Grund zu sein, ausgedacht von denjenigen, die eine mögliche Änderung des Status quo abwehren.

Es gab schon ab den sechziger Jahren die thailändische Familie Kabilsing in der sich jetzt schon die zweite Generation von mutigen Frauen, die auf eigene Kosten im Ausland einen Bhikkhunīsaṅgha aussuchten, geweiht wurden, und in den gelben Gewänder gekleidet nach Thailand zurückkehrten und sich in ihrem großen Haus in einer Provinzstadt als Bhikkhunī etablierten. Hierbei muss man bemerken, dass sie den von ihnen ausgewählten Bhikkhunīsaṅgha nicht vom Thai-Saṅgha, oder den Thai-Behörden überprüfen ließen. Wenn sie und diejenigen, die nach ihrem Beispiel nachgefolgt sind, gehofft hatten, dass sie eine Umwandlung der thailändischen Gesellschaft herbeibringen würden, müssen sie enttäuscht sein. Nur die eigenen Freunde und eine kleine militante Emanzipationsbewegung hat diese Bhikkhunī begrüßt.

In die Thai-Gesellschaft wurden sie nie aufgenommen. Sie wurden nicht eingeladen, um mit Thai-Bhikkhus Zeremonien durchzuführen. Wenn sie mit einer Essschale durch die Gegend gegangen wären, hätte der durchschnittliche Thai deutlich zu erkennen gegeben, dass sie keine Unterstützung bekommen.

Ich möchte hier nicht den Eindruck hinterlassen, dass Frauen im thailändischen Buddhismus keine Rolle spielen. Im Gegenteil, Frauen werden als absolut essentiell und wichtig gesehen. Es gibt viele religiöse Gruppierungen, Stiftungen und Organisationen wo sie dominant sind. Frauen spielen die Hauptrolle im World Fellowship of Buddhists, es gibt bekannte Thai-Frauen, die Bücher über Philosophie und Meditation geschrieben haben, andere sind in den Medien berühmt geworden. Es ist jedoch so, dass sie rituell immer jedem buddhistischen Mönch untergeordnet sind.

Seit Menschengedenken hat es in Thailand eine Institution für die religiösen oder sich der Religion gewidmeten Frauen gegeben. Genau wie bei den Mönchen ist ihr Kopfhaar völlig abrasiert, sie wickeln sich in Gewänder wie Mönche, nur dass diese Gewänder weiß sind. Und es ist genau diese weiße Farbe, die jedem Thai zeigt: hier ist eine Frau und sie ist kein Mitglied des Saṅgha. Als solche werden sie geschätzt und unterstützt. Sie werden gelobt für ihre Tüchtigkeit, ihre Kenntnisse von Pāli-Gesängen und die hervorragende Weise, worauf sie diese Texte gesamt vortragen.

Diese weiß gekleidete Frauen heißen in Thai maechi, was etwa "würdige Damen" bedeutet. Sie werden schon in Beschreibungen der siamesischen Kultur aus dem 17. Jahrhundert erwähnt. Es gibt große Klöster, die ein Teil ihres Grundstückes für diese Frauengemeinschaft bereitstellen. Dort wird eine Doppelstruktur errichtet. Maechi haben dort ihren eigenen Meditationsraum, eigene Studienräume und eine eigene Küche.


Schlussbemerkungen

Ein Hauptthema dieses Vortrags war, dass es in Thailand ein besonderes, nicht offen ausgesprochenes, jedoch wichtiges Hemmnis gibt, die Einrichtung eines Bhikkhunīsaṅgha behindert. Dieses Hemmnis ist dem Weiblichen inhärent.

Alte Frauen und Männer kommen regelmäßig zusammen, um für einen Zeitraum von 24 Stunden 8 Gelübde einzuhalten. Während dieser Zeit wird meditiert, Pāli gesungen und über religiöse Sachen gesprochen. Ein stets wiederkehrendes Thema ist der Saṃsāra, der Lebenswirbel. Allen wissen, dass man in derselben Region wiedergeboren wird und einander wieder treffen wird, weil viel gemeinsames Karma gemacht worden ist, welches wieder gemeinsam abgearbeitet werden muss. Man weiß nur nicht in welchen Rollen das sein wird. Teilweise hat man es selbst in der Hand. Diejenigen, die im heutigen Leben alle Chancen zum Erwerb von Verdienst gut genutzt haben, dürfen erwarten, dass sie vielleicht etwas hübscher, gesunder, klüger, erfolgreicher werden. Ein frommer Wunsch von vielen traditionellen Frauen ist, wenigstens als Mann geboren zu werden. Das war für sie der einzige Weg ein vollwertiges Mitglied des Saṅgha zu werden.

 

Tabelle 3: Liste der weiteren Fachbegriffe

Pāli
Ahiṃsa:
Bhikkhu:
Bhikkhunī:
Bhikkhunīsaṅgha:
Bhikkhusaṅgha:
Cullavagga:
Navakovāda:
Pātimokkha:
Saṅgha:
Vinaya Piṭaka:


nicht verletzen, nicht töten
männliches Mitglied der buddhistischen Ordensgemeinschaft
weibliches Mitglied der buddhistischen Ordensgemeinschaft
eine Versammlung der buddhistischen Nonnen
eine Versammlung der buddhistischen Mönche
"Der kleinere Abschnitt" (des Vinayapiṭaka)
Richtlinien für neulich Ordinierte
verbindliche Ordensregeln
Ordensgemeinschaft
Teil des Tipiṭaka, die Disziplin der Mönche und Nonnen betreffend

Thai
Khlang:
Khwamkhongkaphan:
Maechi:
Phanung:

magische Kraft
Unverletzbarkeit
"würdige Dame", der Religion gewidmete Frau
Wickelrock, trad. Kleidungsstück der thailändischen Frauen

 

 


Literatur:
Ñāṇamoli Thera: The Pātimokkha - 227 Fundamental Rules for a Bhikkhu Bangkok, Maha Makut Academy 1966
D. Schlingloff Die Religion des Buddhismus, Teil 1: Der Heilsweg des Mönchtums Berlin, de Gruyter, 1962
T.W. Rhys Davids und Hermann Oldenberg (Übers.) Vinaya Texts, Sacred Books of the East Series Vols. 13-15 (1881), Motilal Banarsidass Reprint, Delhi
Udo Heiner Gräfe Systematische Zusammenstellung kulturgeschichtlicher Informationen aus dem Vinayapitakam der Theravadin Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades Göttingen, 1974
C. Reynolds (Hrsg und Übers.) Autobiography The Life of Prince-Patriarch Vajirañāna Athens, Ohio University Press, 1979
Peter A. Jackson Buddhism, Legitimation and Conflict: The Political Functions of Urban Thai Buddhism Singapore, Institute of Southeast Asian Studies, 1989


Anmerkungen:

In diesem Text sind keine Korrekturen vorgenommen worden hinsichtlich der Übersetzung der Pāli-Begriffe. Die Schreibweise allerdings wurde mit den üblichen Sonderzeichen ergänzt.

Theravāda-Nonnen haben 311 Regeln zu befolgen statt der 227 für Mönche.

Tabelle 1 ist korrigiert/ergänzt worden.

 

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