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Der zerbrochene Buddha 1. Was ist Theravāda? |
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1. der Buddha beschreibt eine liebende Person als jemanden, in dessen Geist die Barrieren niedergerissen wurden (cetasa vimariyada katena). Was für ein außergewöhnlicher Ausdruck! Wenn eine Person seine durch eigene Vorstellungen erschaffenen Barrieren wie Rasse, Stand, "mein" und "nicht mein" durchschaut hat, ist sie in der Lage, alle Wesen bedingungslos zu lieben. Der Visuddhimagga illustriert mit Hilfe einer Geschichte, wie das aus der Theravāda-Perspektive verstanden werden soll. Ein Mönch saß zusammen mit drei anderen - einen Freund, einem Fremden und jemand, der ihn nicht mochte, als sie von eine Gruppe von Schlägern angegriffen wurden, die einen aus dieser Gruppe nehmen und ihrem Gott opfern wollten. Der Mönch wurde nun aufgefordert, das Opfer auszuwählen, aber weil er einen Geist mit nieder gerissenen Barrieren hatte, war er außer Stande, irgend eine trennende Unterscheidung zwischen sich und den anderen vorzunehmen. Er saß einfach da und konnte keine Entscheidung treffen. Unabhängig davon, dass das viel zu vereinfacht ist, widerspricht dies auch einer Aussage des Buddha, dass eine liebende Person sogar dazu fähig ist, ihr Leben für einen anderen zu opfern (D,III,187). 2. Die Begriffe papañca und papañca saññāsaṅkhā sind zum Verständnis der Meditation und Psychologie, wie sie der Buddha lehrte, ungeheuer wichtig. Bhikkhu Ñāṇananda zeigt in seinem herausragenden Werk "Concept and Reality"2, dass die Theravāda-Tradition die Signifikanz dieser Begriffe verkannt hat, und dass es interessanterweise der Mahāyāna-Buddhismus war, der viel von ihrer ursprünglichen Bedeutung und folglich auch ihrer tieferen philosophischen Konsequenzen bewahrt hat. Diese Kombination von einseitiger Betonung und konservativer, beschränkter und vereinfachender Interpretationen hat den Theravāda zu dem gemacht, was er heute ist. Hätte man verschiedenes Material des Pāli-Kanons herausgestellt und es unterschiedlich, aber in gleichberechtigter oder sogar in stichhaltigerer Weise interpretiert, man hätte einen ziemlich andersartigen Buddhismus erhalten. Und dies ist tatsächlich passiert. Die Srāvastivādins, Dharmaguptakas, Sautantikas, Abhayagirivasins usw. waren unterschiedliche Schulen mit einem unterschiedlichen Standpunkt, obwohl sie auf einem Sutta- und Vinaya-Piṭaka basieren, der im Wesentlichen die gleiche Pāli-Quelle benutzt, wie der Theravāda. Unglücklicherweise sind diese Schulen verschwunden und haben den Theravādins als einzige "orthodoxe" Interpreten der Lehren des Buddha das Feld überlassen. Natürlich würde ein Theravādin sagen, dass es gefährlich oder unnötig ist, Buddhas Worte zu interpretieren oder weiterzudenken. Aber schon zu Lebzeiten des Buddha wurde das getan. Ich verweise hier auf Mahā Kacchayāna, der auf eine sehr kreative Art und Weise eine von Buddhas Reden ausgelegt hat (SN,III,9). Es scheint, dass immer, wenn es negativ oder theoretisch wird, die Theravādins bemerkenswert kreativ werden. Nur, wenn es um etwas geht, das praktisch, positiv oder irgendwo außerhalb ihres selbst gewählten und eng begrenzten Wirkungsfeldes liegt, fehlen ihnen scheinbar die Worte. Ich werden später noch andere Beispiele geben. In den ersten Jahrhunderten nach Buddhas Parinibbāna entwickelten sich unterschiedliche Lehren, die Gegenstand von scheinbar relativ unbedeutenden kritischen Diskussionen waren. Differenzen in Bezug auf die Vinaya-Praxis führten zu einer Uneinigkeit innerhalb des Saṅgha, es ist aber unwahrscheinlich, dass die auf die Lehre bezogenen Differenzen ernst genug waren, um die verschiedenen Gruppen dazu zu bringen, sich als eigenständig abzugrenzen. Der maurische Eroberer Aśoka konvertierte gegen 270 v.u.Z. zum Buddhismus, was nach dem Erwachen des Buddha vielleicht eines der wichtigsten Ereignisse innerhalb dieser Religion war. Es scheint, dass in bestimmten Kreisen zu dieser Zeit, die soziale Bedeutung vieler Lehren des Buddha nicht nur diskutiert, sondern auch angewandt wurden. Aśoka war ein Mensch, der sich genauso ernsthaft mit seinem eigenen spirituellen Wohlergehen, als mit dem seiner Untertanen beschäftigte. Er unterstützte den mönchischen Saṅgha großzügig und gleichzeitig tat er viel, um den Dhamma auch im sozialen Bereich anzuwenden. Wie viele Laiennachfolger dieser Zeit war auch er ein versierter Kenner der Suttas, davon zeugen viele der Aussprüche und Phrasen, die in seinen Edikten erscheinen. Aśoka rief eine große Versammlung des mönchischen Saṅgha ein und, obwohl Einzelheiten nur dürftig überliefert sind, so scheint es, als hätte man dabei auch undisziplinierte Mönche ausgeschlossen, den Dhamma kodifiziert und Missionen durch ganz Indien und in verschiedene Teile Asiens geschickt, um die Religion zu verbreiten. Die erfolgreichste Mission war die nach Sri Lanka, welche von Aśokas Sohn Mahinda geleitet wurde. Der Buddhismus wurde damals als Staatsreligion übernommen und die ganze Insel wurde nach und nach buddhistisch. Natürlich wurden einige Praktiken modifiziert, um sie den lokalen Bedingungen anzupassen, und als die singhalesischen Mönche begannen, den Dhamma zu studieren, interpretierten sie ihn nach ihrer eigenen Auffassung und auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen. Die Politik war ein weiterer Einflussfaktor. Sobald nun eine "offizielle" Interpretation auftauchte, der sehr schnell der Name Theravāda gegeben wurde, wurde sie vom Staat gefördert - während andere Interpretationen nicht unterstützt oder sogar verfolgt wurden. Schon von früh an wurde in Sri Lanka der Meditationspraxis wenig Bedeutung beigemessen. Zu Beginn unserer Zeit beschlossen die führenden Mönche, der Bewahrung des Dhamma gegenüber seiner Praxis den Vorrang zu geben. Die untergeordnete Stellung der Meditation findet u.a. in den Kommentaren Ausdruck, wo gesagt wird, "Es geht nicht um Verwirklichung oder Praxis - um die Kontinuität der Lehre zu gewährleisten, ist nur das Lernen ausschlaggebend. Wenn ein Weiser den Tipiṭaka studiert, dann tut er beides. Wenn das Lernen andauert, ist der Sāsana gesichert." An anderer Stelle heißt es, "Auch wenn 100000 Mönche meditieren, so wird der Achtfache Pfad ohne Studium nicht verwirklicht werden." Das bedeutet nicht, dass es niemals meditierende Mönche gab, aber ihre Anzahl war verschwindend klein und ihr Einfluss auf die Entwicklung des Theravāda war äußerst gering. Es ist kaum überraschend, dass bei der gewaltigen Menge Literatur von Sri Lanka, die bis in die heutige Zeit erhalten blieb, keine Meditationsanweisungen oder Arbeiten zum Thema Meditation darunter sind. Es scheint auch, dass die Entwicklungen des Dhamma, welche in Indien während der Herrschaft unter Kaiser Aśoka statt fanden, zugunsten einer konservativ-fundamentalistischen und auf das Mönchstum zentrierten Herangehensweise fallen gelassen wurden. Zum Beispiel wurde Kaiser Aśokas buddhistische Politik zugunsten einer Theorie fallen gelassen, die die Kaste der Brahmanen hervorhebt und das aktive religiöse Engagement der buddhistischen Laien zum Erlöschen brachte. Im fünften Jahrhundert u.Z. verfasste der Mönch Buddhaghosa Kommentare über den Tipiṭaka, in denen alle bis dahin statt gefundenen Entwicklungen und Interpretationen niedergeschrieben wurden. Seit dem Zeitpunkt werden diese Kommentare als absolute Autorität betrachtet und der Theravāda blieb seitdem so gut wie unverändert. Die meisten Gelehrten schließen sich Buddhaghosas Interpretation an, auch wenn sie Buddhas Worten widersprechen. Richard Gombrich sagt ganz richtig: "Bis zum heutigen Tag ist Buddhaghosas Buddhismus (effektiv) allgemeiner Standard der orthodoxen Lehre für alle Theravāda-Buddhisten." In gewisser Weise ist diese Situation mit dem Christentum vor der Reformation vergleichbar, wo der kirchlichen Tradition eine größere Autorität beigemessen wurde, als den heiligen Schriften. Theravādins betrachten Buddhas Worte lieber durch die Linse dieser oft zähen und pedantischen Kommentare, als dass sie sie für sich selbst sprechen lassen. Später wurden noch Subkommentare zu den Kommentaren verfasst und selbst die Subkommentare wurden noch kommentiert, allerdings enthielten diese hauptsächlich Hinweise zur Grammatik und Syntax. Von Natur aus konservativ und ohne durch Meditation gewonnene Einsichten, eingebettet in einer extrem statischen Gesellschaft, konzentrieren sich die singhalesischen Mönche weiterhin lieber auf die Bewahrung dessen, was aus der Vergangenheit überliefert wurde, als dass sie etwas Neues schufen. Sie lernten und sie wiederholten, aber sie untersuchten, erforschten oder hinterfragten so gut wie gar nicht. Den vom Mahāyāna gegebenen Begriff sāvaka (= Hörer) kommentierend, sagt Prof. Ishii: "Die Etymologie des Begriffes sāvaka = Hörer, beschreibt den grundlegenden Charakter der Theravāda-Mönche, Männer, die sich dem Bewahren des vom Buddha gelehrten Dhamma und Vinaya verschrieben haben. Ihre vollkommen passive Einstellung hat so gut wie jede aktive Entwicklung der gehörten Lehren verhindert." Die Kirche in Europa verfügte über bestimmte Gremien, die überprüften, ob neue Interpretationen der Lehre nicht der orthodoxen Lehrmeinung widersprachen. Etwas Ähnliches wurde im Theravāda nicht benötigt - es gab ja nie Neues. Oft stritten sich die Mönche über die Auslegung der Regeln des Vinaya, aber selten über Punkte des Dhamma. Unter den wenigen Theravāda-Werken, die heute noch eifrig gelesen und studiert werden, sind der Milindapañha, der Visuddhimagga und das Abhidhammatthasaṅgaha. Die restliche Theravāda-Literatur ist so fürchterlich langweilig, überflüssig oder pedantisch, dass sie nur wenig oder gar nichts zum Verständnis des Dhamma beiträgt - nach 2000 Jahren eine magere Ausbeute. Bis zum 11. Jahrhundert war der Theravāda begrenzt auf Sri Lanka, auf kleine Gebiete in Süd-Indien und Süd-Burma. Danach verbreitete er sich über ganz Burma, Thailand, Kambodscha und über das Tiefland von Laos. Von 1930 an tauchten auch kleine Gemeinschaften in Vietnam, Indonesien, Malaysia und Nepāl auf und nach 1956 auch in Indien. Der Theravāda war bis in die 70er Jahre die bekannteste Form des Buddhismus im Westen, bis er rasch vom tibetischen Buddhismus verdrängt wurde. Heute steht der Theravāda im Westen weit abgeschlagen an dritter Stelle noch vor dem tibetischen Buddhismus und dem Zen.
Anmerkung
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