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Der zerbrochene Buddha

2. Mönche und Laien

 

Schon sehr früh schloss der Theravāda die Laien von der Möglichkeit aus, Nibbāna zu verwirklichen - zwar nicht offiziell per Dekret, aber in Form eines ungeschriebenen Gesetzes. Wie der Name schon impliziert, bezieht sich der Theravāda hauptsächlich nur auf ältere Mönche zu, nicht auf Laien und schon gar nicht auf Nonnen oder weibliche Laien. Zur Zeit des Milindapañha (1. Jh. u.Z.) war es orthodoxe Lehrauffassung geworden, dass wenn das seltene Ereignis stattfindet, dass ein Laie erwacht, er am selben Tag noch Mönch werden oder sterben muss. Auch Thanissaro deutet an, dass es für einen Laien unmöglich ist, zu erwachen. Er sagt: "(Wir) sollten bemerken, dass der Dhamma nur in Verbindung mit dem Vinaya funktioniert. Man wird das angestrebte Ziel nur mit beiden erreichen. In der Theorie mögen sie getrennt sein, aber in der Person, die beides praktiziert, verschmelzen beide als entwickelte Qualitäten im Geist und Charakter …" Für das Erwachen ist der Vinaya ein wesentlicher Faktor, und weil Laien den Vinaya nicht praktizieren, können sie nicht erwachen. Das scheint nicht gerade gut mit dem übereinzustimmen, was der Buddha lehrte, aber der Buddha war eben kein Theravādin. In den Sutten werden viele Laien erwähnt, die erwachten. Weiterhin wird uns erzählt, dass der Vinaya in den ersten 20 Jahren der Lehrtätigkeit des Buddha noch nicht existiert hat. Wenn Thanissaros Aussagen stimmen würden, dann müsste man sich wohl fragen, wie die vielen Erwachten dieser Zeit es ohne Vinaya geschafft haben? Ganz abgesehen von den vielen großen tibetischen, Ch'an- und Zen-Meistern, die den Vinaya oder wenigstens nicht den Vinaya des Theravāda praktiziert haben. Thanissaros Aussagen zufolge, müssten sie alle von der Möglichkeit des Erwachens ausgeschlossen sein. Und was ist mit Bhaddalis interessanter Beobachtung, dass es mehr Erwachte gab, als noch kein Vinaya existierte? (M,I,444).

Der Buddha gab während seiner Lehrzeit viele, wenn auch nicht alle Anweisungen an Asketen. Viele der Dinge, die er lehrte, sind für jeden spirituell Suchenden relevant und eine bedeutende Zahl von Lehrreden richtet sich an die Laien. Aber schon sehr früh beanspruchten die Mönche das Recht zu lehren für sich, und sie bestimmten auch, was und wem gelehrt wurde. Die Situation war im Mahāyāna anders, wo Laien immer eine gewisse Bedeutung besaßen. Der chinesische Mönch Hiuen Tsang hielt sich im 7. Jh. in Indien auf, um bei dem Laienlehrer Jayasena Philosophie und Meditation zu studieren. Jayasena war einer der am meisten verehrten Lehrer seiner Zeit. Einige der großen Ch'an-Meister und tibetischen Lehrer waren Laien. Bis zum Ende des 19. Jh. sind nach meiner Kenntnis keine Laien-Dhamma oder Meditationslehrer im Theravāda in Erscheinung getreten. Wenn Mönche den Dhamma monopolisieren, ist es nur zu verständlich, dass sie Aspekte betonen, die für sie von Interesse sind. Sie tendieren auch dazu, nur bestimmte Lehraussagen hervorzuheben, die ihre Stellung gegenüber der Gemeinschaft der Laien so angenehm wie möglich machen. Es ist heute nichts Außergewöhnliches, wenn man Leute sagen hört, dass es die einzige Pflicht der Laien ist, sich um die Mönche zu kümmern, und die Pflicht der Mönche, den Dhamma zu studieren und zu praktizieren, dass man den Dhamma nur verstehen kann, wenn man die Pāli-Sprache versteht, dass man schlechtes Kamma erzeugt, wenn man Mönche kritisiert oder ihnen widerspricht usw. Es gibt bestimmt Laien, die diese Annahmen nicht akzeptieren und fortschrittliche Mönche, die versuchen, sie zu korrigieren, aber sie kämpfen gegen jahrhundertealte Traditionen an. So kam es dazu, dass der Theravāda sich in zwei Lager geteilt hat - Teilzeit-Buddhisten, die den grundlegenden Dhamma wann es ihnen möglich ist, praktizieren und "richtige" Buddhisten (Mönche), die Vollzeitpraktizierende des Dhamma sind. Lawrence Mills, der über 30 Jahre Mönch der Theravāda-Tradition war, dann die Robe ablegte und zum tibetischen Buddhismus "konvertierte", beschreibt den Theravāda als zweischneidig. Er schreibt: "In diesem Modell gelten die Ordinierten als überlegen, während sich die Laien den Mönchen als untergeordnet betrachten, eine Situation, die meist für beide Seiten von Nachteil ist. Die Mönche geraten in Gefahr, auf Grund ihrer erhöhten Position überheblich zu werden, während die Laien sich nicht nur als Buddhisten zweiter Klasse fühlen, sondern es ihnen auch an Motivation fehlt, regelmäßig und ernsthaft zu praktizieren." Den Laien wird kontinuierlich erzählt, dass es für sie ausreicht, den Dhamma nur in seinen Grundzügen zu praktizieren. Aber auch dann, bei den Grundzügen des Dhamma, nämlich Dāna (Geben), Sīla (ethisches Verhalten) und Bhāvana (Meditation), wird meistens nur der erste betont und die anderen werden vernachlässigt. Ich habe eigentlich noch nie einen Lehrer des Theravāda kennen gelernt, der explizit gesagt hat, dass das Geben an den Saṅgha wichtiger ist als Moral, Freundlichkeit, Ehrlichkeit oder Meditation, aber generell wird eben der Eindruck erweckt, dass es so ist. Einer Befragung zufolge, die Stanley Tambiah unter ganz gewöhnlichen Thais durchführte, wo er darum bat, verschiedene religiöse Praktiken in eine Reihenfolge nach dem zu erwartenden Verdienst zu bringen, fand heraus, dass das Befolgen der Sīla an letzter Stelle steht, weit hinter der Unerstützung eines Tempelbaus und Gaben an die Mönche. Vielleicht hilft das auch zu verstehen, warum Gangster, zweifelhafte Geschäftsleute und korrupte Politiker in Ländern des Theravāda zu den großzügigsten und hervorstechendsten Unterstützern des Saṅgha gehören. Es wird angenommen, dass Großzügigkeit einen guten Laien-Buddhisten ausmacht, wie auch angenommen wird, dass jede Übeltat, die man begehen kann, leicht von dem größeren Gut - nämlich der Spende an den Orden ausgelöscht werden kann. Solche Spender können sicher sein, dass ihre Spenden wohlwollend angenommen werden und dass die anschließende Predigt an sie, sich nur ganz abstrakt auf ethisches Verhalten bezieht.

Die Hauptsache, welche Theravāda-Mönche mit ihren Laien-Anhängern verbindet, besteht nicht in einer gemeinsamen Verpflichtung gegenüber dem Dhamma, sondern in der verschwenderischen materiellen Unterstützung und der Schmeichelei, die Letztere den Ersteren zukommen lassen und aus dem Verdienst, das die Ersteren die Letzteren vermitteln. Mönche verzichten nur sehr widerwillig darauf, die Rolle eines Lehrers mit den Laien zu teilen und die Laien ihrerseits sind davon überzeugt, dass der Dhamma zu esoterisch zum Studieren und zu schwierig ist, um ihn über Dāna und Sīla hinaus gehend zu praktizieren. Als Folge des protestantischen Einflusses im späten 19. Jh. existiert in Sri Lanka eine kleine Anzahl angesehener Laien-LehrerInnen, aber in anderen Theravāda-Ländern ist das fast unvorstellbar. Im Pāli-Kanon werden Mönche in der Rolle eines Lehrers geschildert, aber wir hören auch von Mönchen, die zusammen mit Laien lernen und von erfahrenen Laien Ratschläge und Anweisungen bekommen. In Indien blieb die Tradition der gelehrten Laien über einige Jahrhunderte erhalten. Einige der Inschriften von Sanchi und Baharut aus dem 2. und 1. Jh. v.u.Z. weisen auf Laien-Männer und sogar Frauen hin, die "eine Lehrrede auswendig können", "in den fünf Nikāyas sehr versiert" oder "kenntnisreich in einem Piṭaka" sind. Sogar im Vinaya lesen wir manchmal von Mönchen, die den Dhamma von Laien lernen (Vin, I, 139).

Fast alle Christen besitzen eine Bibel, und die Frömmeren lesen regelmäßig darin. Jüdische Jungen werden in der Thora unterrichtet als Vorbereitung auf ihre Bah Mitzvah. Muslime lesen den Koran und sind sogar in der Lage, Teile daraus auswendig zu rezitieren. Die große Mehrheit aller Theravāda-Laienbuddhisten hat noch nie den Pāli-Kanon gelesen. Die Mahavaṃsa-Chronik erwähnt, dass einer der Könige im alten Ceylon den Pāli-Kanon in die Landesprache übersetzen ließ, aber das ist nach meinem Wissen der einzige Hinweis in der Geschichte des Theravāda, dass Derartiges bis zur Moderne unternommen wurde. Es ist sowieso unwahrscheinlich, dass diese Übersetzung allen Menschen zugänglich war. In den meisten Ländern ist es einfach, an Kopien des Dhammapada und kleine Broschüren mit dem Maṅgala-Sutta und dem Mettā-Sutta zu gelangen, aber etwas darüber hinaus zu bekommen, war bis vor kurzem selten. In den 50er Jahren ließen die Regierungen von Sri Lanka und Burma den Pāli-Kanon in ihre jeweiligen Landessprachen übersetzen. Nach fast 50 Jahren ist die Übersetzung des singhalesischen Pāli-Kanon immer noch nicht abgeschlossen, die Teile, welche zuerst übersetzt wurden, sind jetzt schwer zu bekommen und Einzelausgaben sind sehr umfangreich und teuer. Außerdem wurden die Texte in so altertümlicher Sprache übersetzt, dass ein Durchschnittsmensch beim Lesen Schwierigkeiten hat, den Text zu verstehen. Singhalesische Mönche erzählten mir, dass es für sie einfacher ist, die Originalversion in Pāli zu lesen, als die singhalesische Übersetzung. Ob man nun Klöster in Rangoon, Phnom Penh, in Korat oder Kandy besucht, überall fristet der Pāli-Kanon vernachlässigt in einem stillen, verstaubten Kämmerlein verschlossen, sein Dasein. Eigentlich spielt das auch keine Rolle, weil die Laien den Pāli-Kanon ja sowieso nicht lesen wollen. Sie wurden dazu erzogen, daran zu glauben, dass ein guter Buddhist sich einzig um das Wohlergehen der Mönche kümmern muss. Deswegen erscheint es ihnen nicht wichtig, sich tiefer mit dem Dhamma zu befassen. Das ist Sache der Mönche. Es ist schwer, nicht den Eindruck zu bekommen, dass viele Mönche mit dieser Situation durchaus zufrieden sind oder eine Veränderung wünschen. Wenn Laien lesen würden, was der Buddha über Mönche sagt, die Zauberkräfte und Quacksalberei anbieten, wären sie sehr schockiert (D, I, 9). Wenn sie läsen, wie der Laie Citta die Mönche im Dhamma unterrichtet, könnten sie auch auf Ideen kommen (S, IV, 284). Wenn sie wüssten, wie einfach der Buddha und seine Anhänger lebten, dann könnten sie denken, dass all der Glanz und die Übersättigung der Klöster völlig unangebracht sind (A, I, 136). Der Theravāda mit all den Verzerrungen und Absurditäten, die ihn viel zu oft begleiten, kann größtenteils so weiter existieren, weil die Mehrheit der Menschen nur davon Kenntnis hat, was ihnen durch die Mönche vermittelt wird. Ich lernte einmal einen Thai kennen, der 15 Jahre lang einen Tempel in Singapur besuchte, bevor er einer meiner Studenten wurde. Er war in der Lage, die fünf Sīla zu rezitieren, aber weder konnte er sie benennen, noch wusste er, dass sich das Rezitierte auf die Moral bezog. Er wusste aber, dass er jedes Mal, wenn er zum Tempel ging, den Mönchen eine hung pow (Geldspende) überreichen musste. Junge, gut ausgebildete Asiaten teilten mir oft mit, dass sie erst im Westen ein Verständnis für den Dhamma entwickelten, als sie eine buddhistische Gruppe ihrer Universität besuchten. Wahrscheinlich war es genau diese Art Probleme, die der Buddha verhindern wollte, indem er Ordinierte und Laien ermutigte, sich intensiv mit dem Dhamma auseinanderzusetzen. Im Mahāparinibbāna-Sutta sagt er: "Ich werde nicht eher endgültig ins Nibbāna gehen, bis ich Mönche und Nonnen, männliche und weibliche Laien habe, die fähig und geschult, geschickt und gelehrt sind, Kenner des Dhamma, so ausgebildet, dass sie mit dem Dhamma im Einklang stehen, nach dem Dhamma leben, die den Dhamma mit anderen teilen, ihn lehren, verbreiten, erläutern, ihn verkünden, ihn erhellen, ihn analysieren und ihn verständlich machen können; bis sie fähig sind, den Dhamma zu verwenden, um aufkommende falsche Lehren zu widerlegen und den echten Dhamma zu etablieren" (D, II, 104).


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