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Der zerbrochene Buddha

4. Wie man Mönch wird

 

Zur Zeit des Buddha wurden Menschen Mönch oder Nonne, weil sie das Leiden beenden und Nibbāna verwirklichen wollten. So seltsam das auch klingt, dies ist heutzutage für die meisten der letzte Grund, um in einen Theravāda-Orden einzutreten. In Burma und Thailand wird von allen Männern erwartet, sich mindestens einmal im Leben als Mönch ordinieren zu lassen. Diese Erfahrung kann positive Auswirkungen auf eine Person haben, meist scheint sie nur wenig Eindruck zu hinterlassen. Einmal hielt ich mich in einem großen und gut geführten Kloster in Mandalay auf. Weil ich der einzige Westler dort war, war ich oft von freundlich lächelnden und neugierigen Mönchen umgeben, die mich sehen und an mir ihre Englischkenntnisse testen wollten. In einem nahe gelegenem Raum hielt sich ein viel älterer Mönch auf, und ich bemerkte, dass, wann immer er sich unserer kleinen Gruppe anschloss, die anderen still und ein wenig nervös wurden und einer nach dem anderen sich entfernte, bis ich mit diesem älteren Mönch alleine war. Er sprach sehr gut Englisch und während unserer Gespräche merkte ich, dass er ein gutes Verständnis vom Dhamma hatte und sehr an Meditation interessiert war. Zuerst dachte ich, dass das offensichtliche Unbehagen der anderen in seiner Gegenwart nur Respekt vor seinem Alter oder vielleicht seiner Position innerhalb der Hierarchie war. Später fand ich die wahre Ursache dafür heraus: Er war Chef der gefürchteten örtlichen Geheimpolizei und bei allen wegen seiner Brutalität bekannt. Einmal jedes Jahr verbrachte er einige Wochen als Mönch, der Buddhismus praktiziert.

Thais glauben, dass die Ordination ein Weg ist, um seinen Eltern die Mühen und Entbehrungen zurückzuzahlen, die sie bei der Erziehung ihrer Kinder hatten. In Thailand ist dies die Hauptmotivation für die Ordination. Dies ist als Übergangsritual von sozialer Bedeutung und auch sehr liebenswert, aber als Grund, um in den Saṅgha einzutreten, absolut unpassend und keine Garantie dafür, später ein richtiger Mönch zu werden. In Burma werden alle Jungs für eine gewisse Zeit Mönch, weil … nun, es ist einfach Tradition. In beiden Ländern legen die meisten die Robe nach ein paar Tagen, Wochen oder Monaten wieder ab. Manche aber entscheiden sich, zu bleiben. Sie tun dies aus vielerlei Gründen. Einige entwickeln ernsthaftes Interesse am Dhamma, andere betrachten das bequeme Leben im Kloster als willkommene Flucht vor der Arbeit und vor sozialen Verpflichtungen, oder sind auf Grund ihrer geistigen Verfassung nicht in der Lage, außerhalb des Klosters zu überleben. Das bedeutet, dass ein gewisser, gewöhnlich ziemlich hoher Prozentsatz der Mönche an einem spirituellen Leben nur wenig oder gar nicht interessiert ist.

Anders ist die Situation in Sri Lanka. Die Tradition einer temporären Ordination existiert dort nicht und wer einmal in den Orden eingetreten ist, von dem wird erwartet, dass er bleibt. Die meisten Mönche werden sehr jung ordiniert, oft deswegen, weil ihre Eltern zu arm sind, um sich um sie zu kümmern. Manchmal wird auch ein Junge ordiniert, weil sein Leben unter einem astrologisch ungünstigen Stern steht und man hofft, dass seine Ordination sein Schicksal ändern wird. Klöster mit wertvollen Besitztümern und Landbesitz werden meistens über Generationen hinweg von einer Familie kontrolliert. Um sicher zu stellen, dass die Besitztümer oder Ländereien in der Familie bleiben, wird dann meistens ein Junge dieser Familie in diesem Kloster ordiniert. Aber welcher Grund auch immer eine Ordination hat, unter guter Leitung und mit inspirierenden Vorbildern von Seiten der Älteren könnte ein Junge letztlich ein ernsthaft religiöses Interesse entwickeln. Wenn jedoch guter Einfluss fehlt, er das monastische Leben nicht mag oder ihm die notwendige psychische Konstitution dafür fehlt, so hat er doch keine andere Wahl, als zu bleiben. Der soziale Druck im Saṅgha zu bleiben, hat begonnen zu bröckeln und dazu geführt, dass viele junge Mönche die Robe wieder ablegen. Mehr und mehr studieren sie säkulare Fächer, sodass sie bald nach ihrem Schulabschluss den Orden verlassen können und Jobs annehmen. Das bedeutet, dass die Klöster allmählich den ganz jungen, den alten, Faulenzern und jene, die keine andere Möglichkeit haben, überlassen werden. In Sri Lanka war dieses System niemals besonders nützlich, um aus einer Person das Beste heraus zu holen, nun ist es aber so schlimm wie noch nie.

Die Anzahl der ordinierten Mönche hat auch keine Beziehung zum Dhamma. Während des 17. Jh. sind in Burma so viele junge Männer in den Orden eingetreten, dass in Folge dessen im ganzen Land ein ernsthafter Mangel an männlichen Arbeitskräften eintrat. König Thalun ließ daraufhin alle Mönche einer Prüfung unterziehen, um ihr Wissen über die Grundzüge des Buddhismus zu überprüfen, wohl wissend, dass die meisten versagen. Dies gab ihm die Rechtfertigung dafür, sie aus dem Orden zu treiben. Dem Thailändischen Amt für Religiöse Angelegenheiten zufolge trugen im Jahr 1990 290300 Männer des Landes die Robe, und während der Monsunzeit, der Zeit, in der die Männer traditionell in die Klöster eintreten, stieg die Zahl auf 423400 an. Die Menschen lieben es, wenn es viele Mönche gibt, denn dann können sie viel Verdienst anhäufen, haben jemand zur Verfügung, der für sie Segnungen und Beerdigungszeremonien abhalten kann, oder dies sorgt einfach dafür, dass der örtliche Tempel voll ist. In Sri Lanka ist es tatsächlich manchmal schwer, die Gründe für die Zahl der ordinierten Jungen festzustellen. 1956, zum 2500. Jahrestag des Buddhismus ordinierte ein bekannter singhalesischer Mönch 2500 Jungen, nicht deshalb, weil sie alle am Dhamma interessiert waren, nicht, weil eine solche Zahl von Mönchen zukünftig gebraucht werden könnte, auch nicht, weil die dafür notwendigen Lehrer und das notwendige Geld vorhanden war, sondern nur, weil die Jahreszahl 2500 einen symbolischen Wert besaß. Ich nahm kürzlich an einer Zeremonie teil, bei der 37 Jungen in einem Alter von acht bis zwölf Jahren ordiniert wurden. Es war erschütternd, mit anzusehen, wie die Kleinen weinend nach ihren Müttern riefen. Als ich den leitenden Mönch nach dem Sinn dieser Anzahl fragte, antwortete er mir mit einem Lächeln: "Weil es 37 Faktoren des Erwachens gibt." Es ist nicht überraschend, dass die Klöster voll mit Mönchen sind, die aus Gründen, welche mit dem eigentlichen Zweck des Saṅgha nichts mehr zu tun haben, ordiniert wurden. Diese Mönche bilden die Mehrheit und deshalb neigen sie dazu, für das monastische Leben den Ton anzugeben. Sie sind auch für die Atmosphäre des Klosters verantwortlich. Mönche, die ernsthaft vom Dhamma inspiriert wurden, finden für ihre Bestrebungen nur wenig Unterstützung. Sie werden auf das Niveau der Mehrheit heruntergezogen oder, wie neuerdings immer öfter, verlassen den Orden.

Dem Vinaya gemäß, kann ein Junge mit acht Jahren ein Novize werden. Um dann volle Ordination zu erhalten, muss man nur 12 Fragen zustimmend und wahrheitsgemäß beantworten und seinen und den Namen seines Lehrers angeben3. Als der Vinaya im 3. und 2. Jh. v.u.Z. entstand, waren Anforderungen dieser Art wahrscheinlich bereits unbrauchbar, um festzustellen, ob ein Kandidat tauglich ist oder nicht. Heute sind sie völlig ungenügend und zählen zu den Hauptgründen, warum die Spiritualität innerhalb des Saṅgha auf solch niedrigem Niveau ist. Dass diese Anforderungen heute immer noch ausreichen, um Mönch zu werden, stimmt überein mit der Unfähigkeit des Theravāda, sich zu verändern. Nahezu jeder kann mit fast jeder Begründung in den Orden eintreten, was in der Tat auch passiert. In Indien kann man beobachten, wie die wenigen burmesischen und thailändischen Tempel des Landes regelmäßig von zweifelhaften Typen aufgesucht werden. Ihrer Bitte nach Ordination wird nur entsprochen, weil sie versprechen müssen, anschließend wieder weiterzuziehen. So schlagen sie sich durch; ohne Training, ohne Kenntnis über den Dhamma. Sie benutzen ihre Roben nur, um einen Lebensunterhalt zu haben und tragen so zum schlechten Ruf des Buddhismus bei. Der im Exil lebende ehemalige thailändische Militärdiktator Thanom Kittikchorn ließ sich 1975 in Singapur zum Mönch ordinieren und gelangte so wieder in sein Heimatland zurück. Als Mönch genoss er Immunität gegenüber den vielen Anklagen, die gegen ihn erhoben worden sind. Er plante seine Rückkehr an die Macht, legte seine Robe ab und putschte anschließend. Anfang der neunziger Jahre vergewaltigte und ermordete ein thailändischer Mönch eine britische Touristin und warf anschließend ihre Leiche in eine Höhle. Als er verhaftet und verhört wurde, fand man heraus, dass es sich um einen Heroinsüchtigen mit einem langen Vorstrafenregister handelte, der erst vor ein paar Wochen aus der Haft entlassen worden war. Trotz all dem war es ihm möglich, sich ohne Schwierigkeiten ordinieren zu lassen. Nach diesem Vorfall forderte Thailands Presse, das gegenwärtige System der Ordinierung zu reformieren, aber wie gewöhnlich unternahm der verknöcherte thailändische Religionsrat nichts4.

Bei meinem ersten Aufenthalt in Singapur lernte ich einen etwas lauten, aber ziemlich fröhlichen thailändischen Mönch kennen, und im Verlauf unserer Unterhaltung fragte ich ihn nach seinen Beweggründen für den Eintritt in den Saṅgha. Er erzählte mir, dass er zusammen mit einem Freund ihr ganzes Vermögen in einen Nachtclub in Bangkok investiert hatte, der kurz nach der Eröffnung voll Wasser lief, als der Fluss über seine Ufer trat. Über mehrere Wochen hinweg stand das Wasser 15 cm hoch auf dem Fußboden und sein investiertes Geld und dummerweise nicht das Wasser war fort gespült. Seiner Aussage zufolge, ließ er sich zum Mönch ordinieren, um Geld für einen neuen Nachtclub zu sammeln. Jeden Monat kam er mit einem großen Koffer nach Singapur, um magische Amulette und Glücksbringer an die dort ansässigen Chinesen zu verkaufen, die einen unstillbaren Appetit nach solchen Dingen haben. Das Interessante an diesem Mönch war seine unbekümmerte Offenheit in Bezug auf die Gründe seiner Ordinierung. Er sprach darüber, als ob es das Normalste von der Welt wäre. Für viele Thais ist es tatsächlich so. Gelegentlich kann die Ordination von jedem positive Folgen haben - mit mehr Glück als Verstand. Ich kannte einmal einen besonders freundlichen Thai-Mönch. Sein linkes Auge war stark lädiert und eines Tages fragte ich ihn nach der Ursache und er erzählte mir seine Geschichte. Er war Mitglied einer Verbrecherbande und als er einmal eine Schrotflinte abfeuerte, explodierte sie in der Nähe seines Gesichtes und ließ ihn fast erblinden. Schließlich kam die Polizei zu ihm nach Haus und teilte seinen Eltern mit, dass sie es leid seien, ihren Sohn immer wieder verhaften zu müssen. Sie sähen sich gezwungen, beim nächsten Verstoß ihres Sohnes ihn zu erschießen. Aus Angst und weil er auf diese Weise außerhalb der Schusslinie war, bis Gras über die Sache gewachsen war, floh er in ein Kloster und wurde Mönch. In Thailand betrachten Kriminelle manchmal die gelbe Robe als bequeme Möglichkeit, sich vor der Polizei zu verstecken. In diesem Fall hatte der Mönch Glück, weil sein vorgesetzter Abt sehr geschickt und mitfühlend war. Er trug ihm auf, sich um die jüngeren Mönche zu kümmern. Er mochte die Rolle des älteren Bruders für diese Jungen und zeigte Verantwortung, was seinen Charakter reifen ließ. Er freundete sich mit dem Leben im Kloster an und, durch seinen Abt ermutigt, begann er den Dhamma zu studieren, bekam Interesse an der Meditation und nach 20 Jahren war er immer noch Mönch und sogar ein guter. Im Allgemeinen muss man sagen, dass die unterschiedlichen zwielichtigen Typen, die im Saṅgha enden, meist so bleiben, wie sie sind. Ein scharfsinnigerer Abt wird den Lebenslauf des Aspiranten überprüfen und ihn vielleicht fragen, ob er noch warten kann. So kann er ihn beobachten, prüfen und sehen, ob er sich als Mönch eignet. Im Übrigen schlägt der Vinaya genau das vor - ein weiteres Beispiel für eine nützliche Regel, die aus Tradition ignoriert wird. Jeder über 20, der Mönch werden will, bekommt gewöhnlich eine Novizen-Ordination und anschließend sofort die volle Ordination. Und wie mit vielem anderen im Theravāda, wird auch hierbei mehr Wert auf den Ablauf der Prozedur gelegt, als auf den Sinn, der dahinter steht. Wie die Einheimischen, kann auch ein Westler ein Theravāda-Kloster in Asien aufsuchen und sich umgehend ordinieren lassen. In Übereinstimmung mit dem Vinaya wird er gefragt, ob er ein Mensch ist, ob er ein Mann ist, etc. Aber ihm werden nicht Fragen gestellt, die intelligente Leute als wirklich relevant erachten könnten, wie z.B.: "Hast du Vorstrafen?", "Hast du psychische Probleme?", "Kannst du lesen und schreiben?", "Ist es wirklich das, was du willst?" Erstaunlicherweise wird er nicht einmal gefragt, ob er Buddhist ist! Wo sonst in der Welt ist es möglich, Ordensmensch in einer Religion zu werden, ohne Kenntnisse über diese Religion zu haben?

Der ursprüngliche Zweck des Saṅgha war, optimale Vorraussetzungen für das Verwirklichen von Nibbāna zu schaffen und Menschen auszubilden, die fähig sind, den Dhamma zu verbreiten. Diese noblen Ziele sind wenigstens im Theravāda seit sehr langem in Vergessenheit geraten. In Sri Lanka ist der Glaube weit verbreitet, dass es nicht mehr möglich ist, zu erwachen, ein Glaube, der den unbewussten Zweifel der Bevölkerung an der Güte des Saṅgha zum Ausdruck bringt. Ich nahm einmal an einem Vortrag des berühmten Narada Thera von Vajiararama in Colombo teil, bei der er diesen Glauben bestätigte. Die Situation in Thailand und Kambodscha ist fast das genaue Gegenteil, aber die populäre Vorstellung von dem, was das Erwachen auszeichnet, ist dort eher kurios. Jeder schmuddelige alte Laung po, dem man nachsagt, er könne eine Gewinn-Nummer in der Lotterie vorhersagen, oder "Wunder" vollbringen, wird vom Volk als Arahat betrachtet. Verbindet man nun solche Vorstellungen mit den altmodischen und sogar kontraproduktiven Praktiken und der Struktur des Saṅgha, verwundert es nicht, dass er so wenig große Meister hervorbringt. Man begegnet guten Gelehrten im Saṅgha, ernsthaft Praktizierenden oder einfach anständigen Menschen, aber inspirierende Individuen, geschweige denn Arahats oder Sotāpannas, davon gibt es herzlich wenige. Mein alter Freund und Mentor, P. C. Fernando sagte immer, "Der Saṅgha ist wie die NASA: Man benötigt einen riesigen Aufwand, ein Team von Hunderten von Mitarbeitern und enorme Kosten, um eine Person auf den Mond zu bringen."

 

Anmerkungen:

3 "Hast du Lepra? Hast du Geschwüre? Leidest du unter Ringwürmern? Hast du Tuberkulose? Bist du Epileptiker? Bist du ein menschliches Wesen? Bist du ein Mann? Bist du frei von Zweifel? Bist du frei von Verpflichtungen gegenüber dem Staat? Besitzt du die Zustimmung deiner Eltern? Bist du 20 Jahre alt? Besitzt du eine Robe und eine Bettelschale?" [siehe auch "Mahavagga"] [zurück]
4 Eine gute Übersicht zur Krise des Thai-Buddhismus und zur Absicht der Mönche und LaienNachfolger, eine Reform zu erwirken, bietet Santiduda Ekachais "Keeping the Faith - Thai Buddhism at the Crossroads". [zurück]

 

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